Wirtschaftsumfeld | Iran | Wirtschaftsstruktur
Irans Wirtschaftsstruktur zeigt starke Diversifizierung
Die iranische Wirtschaft ist breit aufgestellt und verfügt deshalb über eine große Resilienz gegen Sanktionen. Die Abwesenheit westlicher Partner bremst aber die Entwicklung.
13.10.2023
Von Robert Espey | Dubai
Iran gehört weltweit zu den Ländern mit den größten Öl- und Gasreserven. Gemäß OPEC-Angaben (Organization of the Petroleum Exporting Countries) lag Iran 2022 bei den nachgewiesenen Ölreserven auf dem 3. Rang (hinter Venezuela und Saudi-Arabien) und bei Gas auf Platz 2 (hinter Russland und vor Katar). Als Produzent und Exporteur von Gas und Öl ist Iran aber deutlich schlechter positioniert. Ein wesentlicher Grund sind die 2018 von Donald Trump wieder in Kraft gesetzten US-Wirtschaftssanktionen.
Öl- und Gassektor gewinnt wieder mehr an Bedeutung
Ohne die US-Sanktionspolitik wäre Iran ein deutlich größerer Öl- und Gasproduzent und entsprechend stärker wäre die Bedeutung des Öl- und Gassektors für die Volkswirtschaft. Nach vorläufigen Berechnungen der iranischen Zentralbank hatte die Öl- und Gasförderung 2022/2023 (iranisches Jahr 1401: 21. März 2022 bis 20. März 2023) einen Anteil an der Bruttowertschöpfung von 11,8 Prozent (zu laufenden Preisen). Im Vorjahr betrug der Anteil aufgrund geringerer Fördermengen und niedrigerer Ölpreise lediglich 7,0 Prozent. Vor der Reaktivierung der US-Sanktionen lag der Anteil bei 13 Prozent (2017/2018).
Der Wachstumstrend im Ölsektor setzt sich auch 2023 fort. Gemäß OPEC stieg die Förderung im Juni 2023 auf 2,8 Millionen barrel per day. Im Mai erklärte Irans Ölminister Javad Owji, die Ölförderung habe ein Niveau von über 3 Millionen barrel per day erreicht. Die Produktionserhöhung spiegelt vor allem die Entwicklung der Ölexporte. Trotz fortbestehender Sanktionen gelingt es Iran, mehr Öl ins Ausland zu verkaufen. Hauptabnehmer ist China.
Iran will mittelfristig seine Ölförderkapazität von aktuell 3,8 Millionen auf 5,7 Millionen barrel per day ausbauen. Die Gasförderung soll von 1 Milliarde auf 1,5 Milliarden Kubikmeter/Tag steigen. Die dazu notwendigen Investitionen werden mit 160 Milliarden US-Dollar (US$) veranschlagt.
Verarbeitende Industrie ist wichtigster Wirtschaftszweig
Das verarbeitende Gewerbe ist der mit Abstand wichtigste Wirtschaftszweig. Zu laufenden Preisen bewegte sich der BIP-Anteil in den letzten fünf Jahren zwischen 16 und 22 Prozent. Für 2022/2023 werden 20,5 Prozent gemeldet. Die Petrochemie und die Kfz-Industrie sind die größten Sparten des verarbeitenden Gewerbes.
Trotz der Wirtschaftssanktionen baut Iran die petrochemische Industrie kontinuierlich aus. Viele Projekte entwickeln sich aber deutlich langsamer als geplant. Nach Angaben der National Petrochemical Company existieren gegenwärtig 67 Petrochemiekomplexe mit einer jährlichen Gesamtkapazität von 89 Millionen Tonnen.
Der Petrochemiesektor strebt für 2024 eine Kapazität von 100 Millionen Tonnen an. Insgesamt sechs große Projekte sollen 2023/2024 in Produktion gehen. Für 2025 werden 133 Millionen Tonnen als Zielmarke genannt. Die Expansionspläne dürften jedoch nur zu einem Teil realisierbar sein. Vor der Reaktivierung der US-Sanktionen waren die Wachstumsziele noch ambitionierter. Die Jahreskapazitäten sollten in Kooperation mit westlichen Partnern bis 2021 auf 120 Millionen Tonnen und bis 2025 auf 180 Millionen erweitert werden.
Die petrochemische Produktion liegt deutlich unter den Kapazitätswerten. Nach offiziellen Angaben betrug 2022/2023 der Ausstoß 69 Millionen Tonnen. Davon wurden 27 Millionen Tonnen für 16 Milliarden US$ exportiert.
Bedeutung der Wirtschaftszweige in Iran 2022/2023 (Anteile in Prozent) 1)
Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2) 3) | Anteil an den Beschäftigten 4) |
---|---|---|
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 13,1 | 14,8 |
Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung | 14,3 | 0,8 |
Öl- und Gasförderung | 11,8 | k.A. |
Verarbeitendes Gewerbe | 20,5 | 17,2 |
Energieversorgung | 0,6 | 0,7 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 0,1 | 0,7 |
Baugewerbe | 5,4 | 14,2 |
Dienstleistungen | 46,1 | 51,6 |
Mit der Kfz-Fertigung hat Iran vor mehr als 55 Jahren begonnen. ACEA-Angaben (European Automobile Manufacturers’ Association) zufolge produzierte Iran 2022 etwa 1,1 Millionen Fahrzeuge. In der gesamten Region "Middle East/Africa" wurden 2022 rund 2,3 Millionen Fahrzeuge hergestellt.
Gemäß dem Industrieministerium erhöhte sich die Fahrzeugproduktion 2022/2023 um 40 Prozent auf 1,3 Millionen Einheiten. Auf die beiden führenden, staatlich kontrollierten Produzenten, Iran Khodro und Saipa, entfielen 1,1 Millionen Fahrzeuge (Vorjahr: 0,8 Millionen). Der Großteil des Ausstoßes waren Pkw (1,07 Millionen), es folgten Pick-ups (0,13 Millionen), leichte und schwere Lkw (0,04 Millionen) sowie Busse (2.500).
Irans Kfz-Sektor leidet unter großen Strukturproblemen. Aufgrund der sanktionsbedingt geringen Kooperation mit ausländischen Partnern besteht der Pkw-Ausstoß vor allem aus völlig veralteten, modifizierten Nachbauten ausländischer, insbesondere französischer Modelle. Iran bemüht sich aber um eigenständige Entwicklungen. So hat Iran Khodro 2022 einen vollelektrischen Pkw (Modell Tara) vorgestellt, der mit einer 45 Kilowattstunden-Batterie eine Reichweite von 300 Kilometer haben soll.
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Großraum Teheran und Ölprovinz Khuzestan sind führende Wirtschaftsregionen
Auf die Hauptstadtregion (Provinzen Teheran und Alborz) entfallen etwa ein Viertel der Wirtschaftsleistung des Landes. Der Dienstleistungssektor ist im Großraum Teheran dominierend mit über 80 Prozent der Wertschöpfung. Die beiden größten Sparten sind Immobiliendienstleistungen und der Groß- und Einzelhandel. In der Hauptstadtregion ist aber auch die verarbeitende Industrie stark vertreten. Etwa 20 Prozent der industriellen Wertschöpfung des Landes wird hier erbracht.
Eckdaten der wichtigsten Provinzen in Iran 2020/2021 1)
Provinz (Hauptstadt) | Anteil an der Bruttowertschöpfung (in Prozent) | Bruttowertschöpfung pro Kopf (in US$) 2) | Bevölkerung (in Millionen) |
Teheran (Teheran) | 22,6 | 3.855 | 14,0 |
Khuzestan (Ahvaz) | 13,9 | 6.669 | 5,0 |
Isfahan (Isfahan) | 6,1 | 2.710 | 5,3 |
Bushehr (Bushehr) | 5,4 | 10.343 | 1,2 |
Khorasan Razavi (Mashad) | 4,7 | 1.630 | 6,9 |
Fars (Shiraz) | 4,2 | 1.998 | 5,1 |
Kerman (Kerman) | 3,8 | 2.720 | 3,3 |
East Azarbayejan (Tabriz) | 3,6 | 2.123 | 4,0 |
Mazandaran (Sari) | 3,1 | 2.224 | 3,4 |
Alborz (Karaj) | 2,8 | 2.307 | 2,9 |
Die zweitwichtigste Wirtschaftsregion ist die Provinz Khuzestan, mit einem Anteil an der Wertschöpfung Irans von etwa 14 bis 15 Prozent. Die führenden Branchen der Provinz sind die Öl- und Gasförderung sowie die Petrochemie. Diese beiden Sektoren machen in Khuzestan mehr als Dreiviertel der Wertschöpfung aus.