Wirtschaftsumfeld | Katar | Wirtschaftsstruktur
Abhängigkeit vom Gas bremst wirtschaftliche Diversifizierung
Katar bleibt ein stark gasabhängiger Wirtschaftsstandort. Bei der Diversifizierung der Wirtschaftsstruktur bleibt Katar hinter VAE und Saudi-Arabien.
04.11.2025
Von Heena Nazir
Katar verfügt über erhebliche Erdgasreserven und zählt zu den weltweit führenden Exporteuren von Flüssigerdgas (Liquefied Natural Gas, LNG). Während Saudi-Arabiens Wirtschaft weiterhin stark vom Erdöl abhängt und die Vereinigten Arabischen Emirate mit Schwerpunkten auf Finanzdienstleistungen, Logistik und Digitalisierung deutlich breiter aufgestellt sind, dominiert in Katars Wirtschaft die Gasförderung.
Seit Beginn des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine 2022 hat Katar international an Bedeutung gewonnen. Angesichts der notwendigen Reduzierung der Abhängigkeit von russischem Erdgas intensiviert Europa seitdem die Zusammenarbeit mit dem Emirat, um die eigene Energiesicherheit langfristig zu stärken.
Dabei spielt die vergleichsweise stabile LNG-Lieferkette eine wichtige Rolle: Langfristige Verträge, eine eigene Tankerflotte und die Infrastruktur in Ras Laffan ermöglichten es bisher, auch in Krisenzeiten zuverlässig zu liefern. Weder der diplomatische Boykott von 2017 bis 2021 noch die COVID-19-Pandemie führten laut Beratungsfirma KPMG und der U.S. Energy Information Administration zu gravierenden Störungen.
Das sicherheitspolitische Umfeld hat sich jedoch seit Mitte 2025 verschärft:
Der iranische Angriff auf katarisches Territorium am 9. September 2025 im Zuge der Eskalation mit Israel wirft Fragen nach der politischen Stabilität des Emirats auf. Zwar blieben die LNG-Exporte bislang unbeeinträchtigt, doch die gestiegene Unsicherheit dürfte das Investitionsklima belasten – insbesondere in sicherheitssensiblen Bereichen wie Logistik, Infrastruktur und Energieprojekten.
Investitionen in Tourismus, Bildung und Forschung sollen neue Einnahmequellen erschließen
Nach Prognosen des Internationalen Währungsfonds (IWF) beläuft sich Katars Bruttoinlandsprodukt (BIP) im Jahr 2025 auf 222 Milliarden US-Dollar (US$). Mit einem Pro-Kopf-BIP von etwa 71.400 US$ gehört das Emirat zu den wohlhabendsten Staaten weltweit. Diese Stärke basiert nach wie vor fast ausschließlich auf dem Energiesektor: Erdgas und -öl stellen mehr als 85 Prozent der Exporte und sichern einen Großteil der Staatseinnahmen.
Mit der Entwicklungsstrategie Qatar National Vision 2030 verfolgt die Regierung das Ziel, die Einnahmen aus dem Energiesektor zur Entwicklung weiterer Wirtschaftsbereiche einzusetzen. Ein zentraler Ansatzpunkt ist der Tourismus. Die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 führte zu erheblichen Investitionen in Hotellerie, Verkehr und Infrastruktur. Nach Angaben von Qatar Tourism erreichte das Emirat im Jahr 2024 mit mehr als 5 Millionen internationalen Besuchern einen neuen Höchstwert. Im regionalen Vergleich bleibt das Marktvolumen jedoch begrenzt: Laut dem Dubai Department of Economy and Tourism zählte Dubai im selben Jahr rund 18,7 Millionen internationale Übernachtungsgäste.
Bildung und Forschung gewinnen an Bedeutung. In der "Education City" in Doha arbeiten internationale Universitäten und Forschungszentren eng zusammen. Parallel entstehen Industrieparks und Sonderwirtschaftszonen, die ausländische Investoren anziehen sollen. Dennoch verläuft der Strukturwandel langsamer als in den VAE, die auf Freihandelszonen setzen, oder in Oman, das stark auf Dekarbonisierung ausgerichtet ist.
| Sektoren | Anteil an der Bruttowertschöpfung 2023 *) |
|---|---|
| Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 0,3 |
| Bergbau (inkl. Öl- und Gasförderung) / Industrie | 46,1 |
| Baugewerbe | 10,8 |
| Handel / Gaststätten / Hotels | 7,7 |
| Transport / Logistik / Kommunikation | 5,8 |
| Sonstiges | 29,2 |
Deutsche Firmen sehen Geschäftschancen vor allem im Energiesektor
Der AHK World Business Outlook Frühjahr 2025, eine Umfrage der Deutschen Industrie- und Handelskammer (DIHK), zeigt ein gemischtes Stimmungsbild. 58 Prozent der befragten Unternehmen in Katar bezeichnen ihre aktuelle Geschäftslage als gut, 23 Prozent als befriedigend und 19 Prozent sogar als schlecht.
Als positive Faktoren nennen die Befragten die stabile Energieversorgung und laufende Infrastrukturinvestitionen. Für die kommenden zwölf Monate erwarten 46 Prozent eine Verbesserung ihrer Geschäfte und ebenso viele eine gleichbleibende Entwicklung. Dagegen rechnen 8 Prozent mit einer Verschlechterung.
Aus Unternehmerkreisen ist zu vernehmen, dass Projekte im Energiesektor weitgehend stabil und planbar verlaufen. Dagegen sind die Geschäftschancen außerhalb dieser Branche begrenzter. Ein deutscher Unternehmer mit Sitz in Doha beschreibt die Lage so: "Projekte im Bau- und Logistiksektor existieren, doch ihre Dynamik bleibt im Vergleich zu den VAE oder Saudi-Arabien zurückhaltender."
Die wirtschaftlichen Aktivitäten Katars konzentrieren sich – auch im Hinblick auf die relativ kleine Staatsfläche – auf wenige Zentren. Doha ist das politische und wirtschaftliche Herz des Landes. Hier sind Regierung, Banken und Unternehmenszentralen angesiedelt. Mit dem Hamad International Airport und dem Hamad Port verfügt die Hauptstadt über die zentralen Verkehrs- und Logistikdrehscheiben des Landes.
Ras Laffan im Norden bildet das Herzstück der Energieindustrie. Dort stehen die größten LNG-Anlagen der Welt. Mesaieed im Süden ist ein Standort für Schwerindustrie, insbesondere Aluminium und Petrochemie.