Branche kompakt | Israel | Pharmaindustrie, Biotechnologie
Branchenstruktur
Eine Krise des Branchenführers hat die Produktion erheblich reduziert. Zugleich entwickelt Israel moderne Medikamente und Technologien. Das zieht auch ausländisches Kapital an.
18.04.2024
Von Wladimir Struminski | Israel
Nach den jüngsten verfügbaren Angaben des Zentralamts für Statistik waren 2021 insgesamt 52 pharmazeutische Unternehmen in Israel tätig. Die Anzahl bleibt relativ beständig. In den Jahren 2016 bis 2021 schwankte sie mit leichtem Aufwärtstrend zwischen 49 und 56.
Gleichzeitig aber nahm die reale Wertschöpfung der Pharmabranche seit Mitte des vergangenen Jahrzehnts dramatisch ab. Auf dem Tiefpunkt der Krise lag sie 2022 bei nur noch 39,9 Prozent des Rekordstandes von 2015.
Nach Produktionseinbruch erste Zeichen von Erholung
Diese scheinbare Inkonsistenz liegt am Produktionsrückgang des führenden israelischen Pharmaherstellers, Teva Pharmaceutical Industries. Zwar handelt es sich dabei nur um ein Unternehmen, doch entfiel auf Teva die Mehrheit des von der Pharmabranche erzielten Umsatzes.
Vor dem Ausbruch der Krise hatte Teva jahrelang zahlreiche pharmazeutische Unternehmen, vor allem im Ausland, übernommen und wurde zu einem bedeutenden Pharmakonzern. Eine unerwünschte Nebenwirkung dieser Expansion war jedoch eine erhebliche Verschuldung. Ab dem Jahr 2016 musste das Unternehmen daher eine drastische Umstrukturierung durchführen. Obwohl der Hauptsitz von Teva in Israel verblieb, wurden die meisten Produktionskapazitäten, die bis dahin im Land tätig waren, stillgelegt.
Erst 2023 wies die Produktionsstatistik erste Erholungszeichen auf. Die reale Wertschöpfung stieg gegenüber 2022 um 18,4 Prozent. Die Auswirkungen der Krise auf Teva selbst wurden indessen etwas besser abgefedert, hauptsächlich dank der Auslandsstandorte. Nach unternehmenseigenen Angaben verfügte Teva im März 2023 über Produktionsstätten in mehr als 30 Ländern. Israel spielt dabei nur eine Randrolle. Da der Konzernsitz sich jedoch nach wie vor im Land befindet, wird Teva als ein israelisches Unternehmen geführt.
Allerdings hatten die zahlreichen Entlassungen, die Teva krisenbedingt vornehmen musste, auch eine belebende Wirkung auf die übrige Pharmabranche. Viele der Entlassenen gründeten eigene Start-ups oder schlossen sich anderen, kleineren Firmen an. Dadurch wurde das Know-how der Pharmaindustrie gleichmäßiger verteilt und verlieh ihr neue Entwicklungsimpulse.
Viele Firmen bieten Hilfstechnologien
Ein anderes statistisches Bild ergibt sich aus der Datenbank von Start-up Nation Central (SNC). Dort wurden im März 2024 unter dem Stichwort "Pharmazeutika" 143 Unternehmen geführt, die über marktgängige Produkte verfügen.
Dabei handelt es sich aber nur zum Teil um Hersteller von Medikamenten. Vielmehr rechnet SNC unter anderem auch Hersteller von unterstützenden Produkten und Technologien, darunter Wirkstoffen, Verabreichungstechnik, Diagnostikplattformen und Simulatoren klinischer Tests der Pharmabranche zu. Weitere 220 Unternehmen desselben Zuschnitts haben bisher keine marktgängigen Produkte, sondern sind noch mit deren Entwicklung beschäftigt.
Die meisten von SNC in der Kategorie "Pharmazeutika" erfassten Unternehmen sind klein und auf externe Finanzierung angewiesen. Das kann ausländischen Pharmaherstellern Möglichkeiten für Technologiezukauf schaffen.
Unternehmen | Sparte | Umsatz 2022 |
---|---|---|
Teva Pharmaceutical Industries | Generika, OTC, Originalarzneimittel | 19.640 |
Taro Pharmaceutical Industries Israel | Generika, pharmazeutische Inhaltsstoffe | 561 |
Dexel Pharma | Generika | 298 |
Padagis Israel Pharmaceuticals | Generika, zusammengesetzte Arzneimittel | 194 |
Hochentwickelte Cannabis-Branche
Israel hat einen gut entwickelten Sektor für medizinisches Cannabis. Im Jahr 2023 hatten knapp 140.000 Patienten die Berechtigung, Cannabis zu verwenden, Tendenz steigend. Die Kontrolle der Verschreibung und Nutzung von medizinischem Cannabis obliegt dem Gesundheitsministerium.
Israel ist zudem ein wichtiger Standort für Cannabisforschung und -entwicklung. Das Land verfügt über eine moderne Cannabisindustrie. Neben Anbaubetrieben und Herstellern von medizinischen Präparaten sind in Israel auch Firmen tätig, die sich auf begleitende Technologien wie Entwicklung neuer Cannabissorten, Verabreichungsmethoden, klinische Tests oder Produktionstechnologie spezialisieren.
Nach Angaben von SNC waren im März 2024 sechs Investitionsfonds in Israel tätig, die der Cannabisbranche Finanzierung zur Verfügung stellten. Das schwedische Pharmaunternehmen Recipharm AB unterhält in Israel ein Forschungs- und -entwicklungszentrum.
Pharmaforschung zieht ausländisches Kapital an
Die Arzneimittelforschung in Israel ist auf einem sehr hohem Niveau. Israelische Universitäten sind in der pharmazeutischen Forschung tätig und entwickeln auch Lösungen, die an Pharmaunternehmen im In- und Ausland verkauft werden. So etwa beruhte eines der weltweit erfolgreichsten israelischen Medikamente, das zur Behandlung Multipler Sklerose verwendete Copaxone, auf Forschungsergebnissen des renommierten Weizmann-Instituts für Wissenschaft (Weizman Institute of Science). Die israelische Innovationsbehörde stellt der Pharmabranche Fördermittel für die industrielle Forschung und Entwicklung zur Verfügung.
Zahlreiche spezialisierte Investitionsfirmen sind ebenfalls in Israel tätig. Nach Angaben von SNC waren im März 2024 insgesamt 75 Investoren im Pharmabereich engagiert, darunter 37 Wagniskapitalfonds. Die restlichen 38 Investoren verteilten sich auf Privatinvestoren (Angel), Beteiligungskapitalgesellschaften und Crowd-Financing-Plattformen. Ferner unterhalten 30 ausländische Unternehmen eigene Forschungs- und Entwicklungs- oder Innovationszentren in Israel.