Wirtschaftsausblick | Israel
Krieg und angespannter Haushalt: Israels Wirtschaft unter Druck
Prognosen zufolge soll Israels Wirtschaft 2025 um 3,5 Prozent wachsen. Die geopolitische Lage wird aber komplizierter und der Krieg verschlingt Milliarden.
21.05.2025
Von Wladimir Struminski | Israel
Top-Thema: Die Wirtschaft zwischen Resilienz und Konflikt
Wie bei vergangenen Krisen beweist Israels Wirtschaft auch dieses Mal ihre Belastbarkeit. Dem Einfluss des Gaza-Kriegs und dessen Begleitkonflikten kann sie sich aber nicht entziehen. Das Bruttoinlandsprodukt (BIP) stieg 2024 real um 0,9 Prozent - trotz der schwachen globalen Konjunktur und des kriegsbedingten lokalen Arbeitskräftemangels. Da die Bevölkerung wächst, ist jedoch mit einem Minus von 0,4 Prozent das BIP pro Kopf zum zweiten Mal in Folge zurückgegangen.
Der Nahostkonflikt bleibt auch 2025 ein entscheidender Faktor für die Wirtschaftsentwicklung Israels. Die regionalen Spannungen bleiben bestehen. Trotz wiederholter Feuerpausen und Verhandlungsrunden ist der Konflikt zwischen Israel und der Hamas nicht beigelegt.
Der Beschuss des israelischen Ben-Gurion-Flughafens durch die jemenitischen Huthi-Kräfte Anfang Mai 2025 verdeutlichte die Verwundbarkeit Israels. Da das Land faktisch nur auf dem See- und Luftweg mit der Außenwelt verbunden ist, ist jede Bedrohung dieser Verbindungen gravierend.
Angespannte Haushaltslage
Der Krieg zehrt zudem an den Staatsfinanzen. Die Verteidigungsausgaben lagen 2024 beim 2,5-Fachen des Vorkriegsjahres 2022, und es ist fraglich, ob sie 2025 sinken werden. Zwar ist die Finanzlage Israels mit einer Staatsverschuldung von 69 Prozent des BIP stabil. Jedoch entziehen die Kriegsausgaben dem Staat unter anderem Haushaltsmittel für die Förderung des Wirtschaftswachstums.
Verunsicherung löst in Israel das im Frühjahr 2025 abgekühlte strategische Verhältnis zu den USA aus. Dieses ist für die Stabilität des Wirtschaftsstandorts Israel von großer Bedeutung. Die gegenwärtige US-Regierung hat deutlich gemacht, dass sie ihre politischen, wirtschaftlichen und militärischen Interessen in Nahen Osten auch ohne enge Abstimmung mit Israel durchsetzen will.
Sollte der US-Regierung allerdings eine Beruhigung der Lage im Nahen Osten gelingen, könnte dies für die Wirtschaft Israels zu einem positiven Wendepunkt werden. Überdies ist nicht zu erwarten, dass Israel eine ernsthafte Krise im Verhältnis zu seiner Schutzmacht riskieren wird.
Wirtschaftsausblick: Zentralbank erwartet Erholung
Für 2025 hat die israelische Zentralbank in ihrer Frühjahrsprognose einen realen Anstieg des BIP um 3,5 Prozent vorhergesagt. Dabei preist sie die Annahme ein, dass die neuen US-Zölle und globalen handelspolitischen Verwerfungen die israelische Wirtschaftsleistung um mindestens 0,5 Prozent schmälern werden. Für 2026 prognostizieren die Zentralbanker ein Wirtschaftswachstum um 4,0 Prozent.
Nach einem Einbruch der Investitionen in den Jahren 2023 und 2024 erwartet die Zentralbank eine kräftige Erholung. So sollen die Bruttoanlageinvestitionen (ohne Schiffe und Flugzeuge) 2025 und 2026 um 10 beziehungsweise 12 Prozent zunehmen. Neben Bau und Maschinen dürften insbesondere Investitionen in geistiges Eigentum stark wachsen. Israels High-Tech-Sektor zieht immer mehr Investitionen an, beispielsweise für IT-Sicherheit. Die Industrie hat hohen Investitionsbedarf, um angesichts eines wachsenden Fachkräftemangels wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die ausländischen Direktinvestitionen haben sich 2024 mit einem Plus von 4,1 Prozent geringfügig vom Vorjahresrückgang erholt.
Positiver Ausblick für Konsum und Einfuhr
Der Privatverbrauch hat sich bereits 2024 erholt und ist um 3,7 Prozent wachsen. Damit bestätigte sich, dass Israels Konsumenten auch in schwierigen Zeiten zuversichtlich bleiben. Im Jahr 2025 soll sich das Konsumwachstum auf 6 Prozent erhöhen.
Stärker als beim Verbrauch fallen die Schwankungen bei der Einfuhr aus. Laut der Zentralbankprognose steigen die Zivilimporte (ausgenommen Diamanten, Schiffe und Flugzeuge) 2025 in realen Binnenpreisen um 12,5 Prozent. Im Vorjahr waren sie um 1,9 Prozent zurückgegangen, nachdem sie 2023 um mehr als 20 Prozent eingebrochen waren.
Deutsche Perspektive: Markt bleibt relevant
Die deutsche Exportwirtschaft konnte ihre Position als drittwichtigster Lieferant auf dem israelischen Markt 2024 behaupten. Zwar gingen die deutschen Lieferungen nach Angaben des israelischen Zentralamts für Statistik in laufenden Dollarpreisen um 1,8 Prozent zurück. Angesichts der nahezu konstanten Gesamtimporte Israels veränderte sich die deutsche Position aber nicht. Der Marktanteil lag bei 7,0 Prozent gegenüber 7,1 Prozent im Vorjahr.
Bei den beiden wichtigsten Kategorien der Wareneinfuhr aus Deutschland – Maschinen und Ausrüstungen sowie Fahrzeuge – wurde 2024 ein Rückgang um 10 beziehungsweise 2,5 Prozent verbucht. Dagegen nahmen die Importe von Produkten der Chemieindustrie um 6,4 Prozent zu. Das prognostizierte Wiederanziehen der Investitionen dürfte die Absatzchancen für deutsche Unternehmen auf dem israelischen Markt stärken.
Interesse am israelischen Markt weiterhin hoch
Der Krieg führte zu Reisewarnungen des Auswärtigen Amtes mit Blick auf Israel. Zudem setzten nicht-israelische Fluggesellschaften ihre Flüge nach Israel wegen verschärfter Bedrohungen wiederholt aus, so auch im Mai 2025. Geschäftsreisen aus dem Ausland waren dadurch kaum noch möglich. Um einen gewissen Ausgleich zu schaffen, bieten die AHK Israel und andere Durchführer virtuelle Veranstaltungen zur Kontaktanbahnung an.
Die bestehenden Geschäftsbeziehungen deutscher Firmen zu Israel bleiben, so der Geschäftsführer der AHK Israel, Michel Weinberg, ungebrochen. Er stellt außerdem trotz der Krisenlage ein "definitiv steigendes Interesse" neuer deutscher Exporteure am israelischen Markt fest.