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Volle Auftragsbücher: Italiens Schiffsbauer investieren

Italien ist der umsatzstärkste Werftstandort in der EU. Viele Schiffsbauer sind stark ausgelastet und investieren. Ein Entwicklungsschwerpunkt sind Wasserstoffantriebe.

Von Torsten Pauly | Mailand

Die gute Werftkonjunktur in Italien eröffnet deutschen Zulieferbetrieben vielfältige Geschäftsmöglichkeiten. Insbesondere in Norditalien führt der zunehmende Fachkräftemangel dazu, dass Unternehmen immer mehr Technik im Ausland kaufen müssen. Der Bedarf reicht von Antriebstechnik über Klima- und Heizungssysteme, Stahlkomponenten und Innenausbau sowie Großküchentechnik bis hin zu Steuerungs- und Sicherheitselektronik.

Allein der größte italienische Schiffsbaukonzern Fincantieri hat im 1. Halbjahr 2025 neue Aufträge im Wert von 14,7 Milliarden Euro verzeichnet. Fincantieris Gesamtbestand an Schiffsbestellungen stieg dadurch auf ein Rekordniveau von 57,7 Milliarden Euro. Damit ist der Werftkonzern mit Hauptsitz in Triest an einigen Standorten bis 2036 ausgelastet. Für Lieferanten unterhält Fincantieri ein eigenes Registrierungsportal.

Fincantieri baut Werft für Kreuzfahrtschiffe aus

Aufgrund der guten Auftragslage investiert Fincantieri in seine Werft für Kreuzfahrtschiffe in Monfalcone: Neue Kräne werden den Bau von Großschiffen mit über 200.000 Bruttoregistertonnen ermöglichen. Der Standort liegt an der äußersten Nordküste der Adria. Gute Geschäftschancen ergeben sich für deutsche Ausrüster daher nicht nur wegen des sehr hohen Zulieferbedarfs, sondern auch wegen der guten Erreichbarkeit.

Fincantieri hat Ende 2024 etwa 40 Prozent des globalen Auftragsbestandes an Kreuzfahrtschiffen gehalten. Unter anderem läuft in Monfalcone Mitte 2026 das "Mein Schiff Flow" für den TUI-Konzern vom Stapel. Zwei AIDA-Schiffe folgen 2030 und 2031.

Ein weiterer Bauer von Kreuzfahrtschiffen ist die norditalienische Gruppe Genova Industrie Navali (GIN). Diese hat mit ihrer Tochter T. Mariotti bei Luxuscruisern eine starke Marktstellung und fertigt auch Megayachten. Die GIN-Tochter San Giorgio del Porto ist auf die Überholung von Schiffen spezialisiert. Die Gruppe hat ihren Hauptsitz in Genua.

Der führende italienische Ausrüster für Kreuzfahrtschiffe vom Kabinenausbau über Cateringtechnik bis hin zu Nasszellen ist die De Wave Group. Diese hat ihre Zentrale ebenfalls in Genua.

ThyssenKrupp beteiligt sich an U-Boot-Bau

Sehr gute Auftragsaussichten bestehen auch für Militärschiffe: Bis 2037 wird der italienische Staat 43 Milliarden Euro für maritime Sicherheit ausgeben, so eine Schätzung der Wirtschaftshochschule Bocconi Ende 2024. Hinzu kommen Bestellungen aus dem Ausland. So hat Fincantieri unter anderem Aufträge aus Norwegen, Polen und Saudi-Arabien und rechnet sich auch bei US-Ausschreibungen gute Chancen aus.

Bei Marineschiffen ist Fincantieri ebenfalls der führende italienische Konzern, dessen Spektrum unter anderem Flugzeugträger, Zerstörer, Fregatten, Patrouillenboote und Spezialschiffe für Polargebiete beinhaltet. 

Dynamisch entwickelt sich auch das U-Boot-Segment. Dabei kooperiert Fincantieri mit ThyssenKrupp Marine Systems bei einem philippinischen Auftrag. Fincantieri hat 2025 für seine Akustik- und Sensortechnologie das Unternehmen WASS Submarine Systems übernommen und mit dem Hersteller Sparkle eine Absichtserklärung zur Entwicklung von Unterwassertelekommunikationstechnik vereinbart.

Zusammen mit dem führenden italienischen Rüstungskonzern Leonardo betreibt Fincantieri das Unternehmen OSN (Orizzonte Sistemi Navali). Dieses erforscht und entwickelt Marinetechnologie für verschiedene Schiffstypen. Außerdem konzipiert OSN integrierte Ansätze zum Lebenszyklusmanagement von Militärschiffen von der Planung bis zur Abwrackung und Wiederverwertung. Mit dem Start-up Defcomm entwickelt Fincantieri zudem Drohnen für Marineschiffe.

Bedarf an Schiffen für Offshorewindparks steigt 

Neben Kreuzfahrt- und Militärschiffen liefert Fincantieri Expeditions- und Forschungsschiffe aus. An Bedeutung gewonnen haben in den letzten Jahren auch Schiffe für Offshore-Windparks, etwa um Kabel zu legen oder für Wartungszwecke.

Fincantieri fertigt zudem Fährschiffe für den Transport von rollender Fracht. Diese verkehren in europäischen und nordamerikanischen Gewässern und sind bei Bedarf eisgangtauglich. Zu den Auftraggebern zählen unter anderem Finnlines, P&O-Ferries, Tallink, Grimaldi Lines und die Societè des traversieurs Québec.

Ein Großkonzern und mehrere SpezialwerftenFührende italienische Schiffbauunternehmen
Unternehmen 

Umsatz (in Millionen Euro 2023)

Beschäftigte (Anzahl 2023) 

Fincantieri 

7.448 

21.215 

Orizzonte Sistemi navali 

477 

96

Genova Industrie navali

297 

552 

De Wave Srl 

281

369 

Quelle: Mediobanca 2024

 

EU fördert Entwicklung von Wasserstoffmotoren

Großes Potenzial bieten nicht militärische Forschungs- und Entwicklungskooperation. Auch hierbei ist Fincantieri der führende Konzern. Ein Schwerpunkt sind Brennstoffzellenantriebe, für die Fincantieri Förderungen aus dem EU-Programm Hy2Tech erhält. Der Jachtbauer San Lorenzo entwickelt ebenfalls Wasserstoffmotoren und kooperiert dabei mit Siemens. San Lorenzo will 2027 die erste Jacht ausliefern, die zu 80 Prozent mit Wasserstoff aus grünem Methanol fährt. Italienische Werften sind Weltmarktführer bei Megajachten.

Alle großen Schiffbauer setzen auf künstliche Intelligenz, welche insbesondere die Steuerung erleichtern und die Energieeffizienz verbessern soll. Für die Digitalisierung ihrer gesamten Produktpalette hat die Fincantieri-Tochter NexTech mit dem Unternehmen Accenture das Joint Venture Ingenium gegründet. Dieses entwickelt unter anderem das Programm Navis Sapiens zur integrierten Schiffssteuerung.

Ein weiterer Entwicklungsschwerpunkt ist Nachhaltigkeit. Die GIN-Gruppe bereitet inzwischen 97 Prozent aller Werftabfälle auf und ist als einziger italienischer Schiffbauer Mitglied im European Green Ship Recycling Register. Fincantieri hat zur Verbesserung der Nachhaltigkeit seiner Werften zusammen mit der Hera-Gruppe das Joint Venture Circular Yard gegründet. Ziel ist die Behandlung von 100.000 Tonnen an Industrieabfällen im Jahr. Die Hera-Gruppe ist ein führender italienischer Entwickler von Umwelttechnik.

Schiffbauer erwirtschaften höchsten Branchenumsatz in Europa

Die italienischen Werften haben 2023 einen Nettoumsatz von 13,7 Milliarden Euro erzielt. Damit lag Italien laut Eurostat unter allen EU-Mitgliedstaaten an erster Stelle vor Frankreich mit 11,6 Milliarden Euro. Italienische Werften sind produktiv. Ihr Nettoumsatz je Beschäftigten war 2023 um 2,3 Prozent höher als in Deutschland.

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