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Wirtschaftsumfeld | Italien | Außenwirtschafts-, Industriepolitik

Vorerst kein Kurswechsel in der Wirtschaftspolitik

In Italien geht eine neue Regierung an den Start. Was ist wirtschaftlich vom Rechtsbündnis zu erwarten?

Von Oliver Döhne | Mailand

Giorgia Melonis rechte Partei Fratelli d'Italia hat die Parlamentswahl am 25. September 2022 in Italien deutlich für sich entschieden. Ab Ende Oktober 2022 wird sie damit wohl in einer Koalition mit den ebenfalls rechten Parteien Forza Italia und Lega die neue Regierung stellen.

Wirtschaftspolitisch weicht das Wahlprogramm des Rechtsbündnisses vom Modernisierungskurs der Vorgängerregierung Mario Draghi kaum ab. Investitionen in Digitalisierung, Infrastruktur, Bildung, Inklusion und Nachhaltigkeit sind geplant.

Nach längerer Zeit zeichnet sich in Italien wieder eine Allianz der grundsätzlich Gleichgesinnten ab, unter klarer Führung der Fratelli d'Italia. Es ist daher gut möglich, dass sich die neue Regierung eine Weile im Amt hält.

Selbstbewusster in Europa

Zwar will Meloni in Europa stärker nationale Interessen vertreten und auch Prioritäten und Zeitpläne des Wiederaufbaufonds überprüfen, grundsätzlich bekennt sie sich aber zur EU. Von einem Ausstieg aus dem Euro oder ähnlichen drastischen Maßnahmen ist keine Rede. Mit der Forza Italia ist zudem auch ein ausgesprochener Fürsprecher Europas mit im Boot.

Meloni wünscht sich jedoch eine weniger bürokratische EU, die nicht zu stark in nationale Belange hineinregiert und Italiens Interessen auf internationaler Ebene stärker zur Kenntnis nimmt. Im Zusammenhang mit dem diskutierten Gaspreisdeckel fühlte sie sich beispielsweise von Deutschland und Frankreich übergangen. Auch das von der EU favorisierte französische Nährwertetikett Nutriscore stößt in Italien auf wenig Gegenliebe und wird auch von Meloni bekämpft werden.

Mario Draghi stieß bei der wettbewerblichen Öffnung bisher verschlossener Märkte wie Taxis und Strandpachten auf starken Widerstand der Lega. 

Keine neuen Schulden

Neue Schulden will Meloni, anders als die Lega es gewollt hätte, nicht machen. Dennoch ist eine größere Steuerreform geplant, um Unternehmen und Haushalte zu entlasten. Etwas bedenklich stimmt Melonis Ansage, den europäischen Stabilitätspakt überprüfen zu wollen.

Auch wenn keine Abkehr von Europa ansteht, befürchten Beobachter doch zumindest neue Diskussionen und Reibungen mit den europäischen Partnern. Eine dramatische Schuldenentwicklung sehen die Finanzmärkte hingegen vorerst nicht. Nach der Wahl kam es kaum zu größeren Reaktionen an der Börse, insbesondere nicht bei italienischen Staatsanleihen.

Einschnitte sollen im sozialen Bereich erfolgen. Das Bürgereinkommen, damals auf Druck der Fünf-Sterne-Bewegung eingeführt, soll entfallen. Sozialhilfe erhalten nur noch Personen und Familien, die wirklich bedürftig sind oder sich nachweislich um Arbeit bemühen. Das von Draghi geplante Mindesteinkommen taucht im Wahlprogramm nicht auf. 

Pragmatische Nachhaltigkeit

Schon allein um weiter in den Genuss des umfangreichen Wiederaufbaufonds der EU zu kommen, steht auch der Klimaschutz und der grüne Wandel als Priorität im Wahlprogramm. Vom Recycling über moderne Waste-to-Energy-Anlagen, Boden- und Gewässerschutz, erneuerbaren Energien bis hin zur nachhaltigen Mobilität will sich das Rechtsbündnis ausgiebig diesen drängenden Themen widmen. Italien leidet stärker als andere Länder unter den Folgen des Klimawandels, jüngstes Beispiel sind die Überschwemmungen in der Region Marken.

Wie sich schon bei Draghi abzeichnete, neigt Italien hier zu einem eher pragmatischen Ansatz und will angesichts der energetischen Notlage neue Gasvorkommen im Land erschließen. Mittelfristig zieht das Land eine moderne Atomkraftnutzung in Betracht.

Förderung und Schutz der Unternehmen

Ein besonderes Anliegen ist der voraussichtlichen Koalition der Schutz der einheimischen Unternehmen. Anreize für Modernisierungsinvestitionen will die designierte neue Regierung dauerhaft gewähren und nicht mehr von der Haushaltslage abhängig machen. Hier ist aus deutscher Sicht zu hoffen, dass die Steuerkredite für digitale Ausrüstung auch weiter für deutsche Fabrikate gelten. Besondere Zuwendung können Unternehmen erwarten, die stark von der Energiepreiserhöhung betroffen sind.

In strategischen Sektoren will Meloni ausländische Übernahmen verhindern, was auch Draghi im Rahmen des "Golden-Power"-Vetorechts mehrfach nutzte. Gemeint sind neben den Großkonzerne Eni, Enel und Leonardo auch kleine Firmen mit speziellem Know-how.

Zudem will Meloni den Absatz italienischer Produkte im Ausland stärker fördern. Mit einer breiten Modernisierungsoffensive in der Infrastruktur will sie Italien zu einem zentralen Logistikstandort im Mittelmeer machen. Kleine und mittelständische Firmen sowie junge und weibliche Firmengründer sollen Sonderhilfen erhalten. Zudem soll der Kreditzugang verbessert werden.

Ziel ist es außerdem, die öffentliche Verwaltung effizienter und moderner zu machen. Im Bildungssystem soll mehr Wert auf die naturwissenschaftlich-technischen Fächer gelegt werden. 

Personalien noch unklar

Wie das Programm genau in der Praxis aussehen wird, hängt auch davon ab, welche Personen die Schlüsselressorts übernehmen.

Als Finanzminister ist der Europäische Zentralbanker Fabio Panetta im Gespräch, was sicher ein positives Zeichen Richtung Brüssel und Fiskalstabilität wäre. Weitere Kandidaten sind der Meloni-Vertraute Maurizio Leo oder der ehemalige Finanzminister im Kabinett Berlusconi, Domenico Siniscalco. Angedacht ist auch eine Aufspaltung des Finanzministeriums in zwei Ressorts. 

Minister für wirtschaftliche Entwicklung könnte Giancarlo Giorgetti von der Lega bleiben, obwohl er, ebenso wie Matteo Salvini, für das schwache Wahlergebnis seiner Partei verantwortlich gemacht wird.

Als Minister für die ökologische Transition steht der bisherige Amtsinhaber, der parteilose Roberto Cingolani, nicht mehr zur Verfügung. Er könnte durch die Fratelli d'Italia-Politiker Fabio Rampelli oder Guido Crosetto ersetzt werden. Matteo Salvini soll kein zentrales Ressort bekommen, könnte aber Agrarminister werden.

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