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Additive Fertigung wächst in Kanada rasant
Kanada investiert in 3D-Druck für Industrie und Forschung – deutsche Unternehmen haben Chancen in Luftfahrt, Medizintechnik und lokaler Ersatzteilproduktion.
10.10.2025
Von Heiko Steinacher | Toronto
- Vielfältige Anwendungen in Schlüsselindustrien
- CMTS zeigt Serienreife der additiven Fertigung
- Kanada treibt skalierbare additive Fertigung voran
- 3D-Druck stärkt Versorgungssicherheit
- Additive Fertigung: Kanada öffnet Türen für deutsche KMU
- AI-SLAM und "Canada Makes" vernetzen Akteure der additiven Fertigung
Der Markt für additive Fertigung (Additive Manufacturing; AM) – auch bekannt als industrieller 3D-Druck – entwickelt sich in Kanada dynamisch. Zwar fehlen offizielle Kennzahlen, doch die Technologie gilt als Schlüssel zur Modernisierung und Digitalisierung der gesamten Industrie. Besonders in den Hightechregionen Ontario und Québec, die zusammen über 10 Prozent des kanadischen Bruttoinlandsprodukts erwirtschaften, wird AM gezielt vorangetrieben.
Vielfältige Anwendungen in Schlüsselindustrien
Im internationalen Vergleich zählt Kanada laut Wohlers Report 2025 zu den Top-10-Nationen im Bereich industrieller 3D-Druck. Während die USA, Deutschland und Japan weiterhin führend sind, zeigt Kanada insbesondere in der industriellen Anwendung und Materialentwicklung starkes Wachstumspotenzial.
Die Nachfrage nach AM ist besonders hoch in der Luft- und Raumfahrt, der Medizintechnik und der Automobilindustrie. Auch Biotechnologie, Cleantech und Verteidigung setzen verstärkt auf 3D-Druck – etwa zur Herstellung komplexer Bauteile, die mit konventionellen Verfahren nicht realisierbar sind.
Unternehmen wie Bombardier nutzen additive Verfahren für Leichtbaukomponenten, während Magna International robotergestützte Prozesse in der Fahrzeugproduktion einsetzt. Zulieferer wie Agile Manufacturing und Anubis 3D setzen auf Rapid Tooling – also schnellen Werkzeugbau per 3D-Druck – für Kleinserien und Prototypen. Besonders gefragt sind faserverstärkte Kunststoffe und Hybridmaterialien mit hoher Festigkeit bei geringem Gewicht.
Im medizinischen Bereich kommen patientenspezifische Implantate und Prothesen zum Einsatz. Ein Beispiel ist die in Québec entwickelte 3D-gedruckte Unterkieferplatte für Gesichtsrekonstruktionen, hergestellt mit hochpräzisen Verfahren wie Laser-Pulverbettfusion und Elektronenstrahlschmelzen.
CMTS zeigt Serienreife der additiven Fertigung
Auf der "Canadian Manufacturing Technology Show" (CMTS) in Toronto betonte Andrew Carter von Stratasys Direct, additive Fertigung sei längst über die Prototypenphase hinausgewachsen. Unternehmen setzen sie zunehmend strategisch ein – nicht als Ersatz, sondern als Ergänzung zu konventionellen Verfahren, um komplexe Fertigungsprobleme zu lösen. Die Messe im Herbst 2025 zeigte eindrucksvoll, wie AM-Technologien in Schlüsselbranchen wie Medizintechnik, Luftfahrt und Automobilindustrie serienreif eingesetzt werden.
Kanada treibt skalierbare additive Fertigung voran
Die kanadische Regierung unterstützt die Digitalisierung der Fertigung gezielt über Programme wie den Strategic Innovation Fund (SIF). Dieser fördert Großprojekte von Unternehmen wie Teledyne und Linamar, die in additive Verfahren investieren – etwa zur Herstellung leichter Fahrzeugkomponenten oder hochpräziser Bauteile für Halbleiter und Bioproduktion. Unternehmen wie STEMCELL Technologies setzen ebenfalls auf additive Verfahren, profitieren jedoch von unterschiedlichen Förderinstrumenten.
Dabei zeigt sich: Kanada fokussiert sich zunehmend auf skalierbare industrielle Anwendungen – über die Forschung hinaus. Ein gutes Beispiel hierfür ist das Unternehmen Agile Manufacturing, das Halterungen, Gehäuse, dentaltechnische Teile und flexible Silikonelemente in Kleinserien für Kunden aus Luftfahrt, Medizintechnik und Automobilindustrie fertigt.
3D-Druck stärkt Versorgungssicherheit
Additive Fertigung trägt zur lokalen Produktion bei und reduziert Abhängigkeiten von globalen Lieferketten. In abgelegenen Regionen wie Nordkanada, wo der Transport teuer und wetterabhängig ist, erlaubt AM die bedarfsgerechte Vor-Ort-Produktion von Ersatzteilen.
Auch im Bauwesen wird das Potenzial dieser Technologie erkannt: Die Denkfabrik "Conference Board of Canada" empfiehlt den Test von 3D-gedruckten Häusern in abgelegenen Gemeinden. Unternehmen wie voestalpine HPM Canada setzen zudem auf digitale Ersatzteillager mit Vor-Ort-Produktion.
Additive Fertigung: Kanada öffnet Türen für deutsche KMU
Deutsche Firmen mit Know-how in Materialentwicklung, Drucksystemen, Produktionssoftware und nachhaltiger Fertigung finden in Kanada einen innovationsfreundlichen Markt mit hoher Kooperationsbereitschaft. Chancen ergeben sich etwa als Technologiepartner, Zulieferer oder Lizenznehmer. Besonders gefragt sind Lösungen für:
- Leichtbau in der Luftfahrt
- biokompatible Implantate in der Medizintechnik
- lokale Ersatzteilproduktion in abgelegenen Regionen
- nachhaltige Werkstoffe und digitale Produktionssteuerung
Die bilaterale Zusammenarbeit wird durch Programme wie das Zentrale Innovationsprogramm Mittelstand (ZIM) und das kanadische NRC-IRAP unterstützt, die regelmäßig deutsch-kanadische Projekte in Forschung und Entwicklung (FuE) fördern. Darüber hinaus steht deutschen Unternehmen mit EUREKA das weltweit größte Netzwerk für industrielle FuE offen.
AI-SLAM und "Canada Makes" vernetzen Akteure der additiven Fertigung
Ein Beispiel für die erfolgreiche bilaterale Forschungsförderung ist das inzwischen abgeschlossene AI-SLAM-Projekt, das vom Fraunhofer ILT und dem National Research Council of Canada (NRC) geleitet wurde. Ziel war die Entwicklung KI-gestützter Software zur Automatisierung von Laserprozessen für die Reparatur und Beschichtung von Metallteilen. Die Ergebnisse – darunter die Softwareplattform OpenARMS – werden derzeit für die industrielle Anwendung vorbereitet.
Darüber hinaus fördern Netzwerke wie "Canada Makes" und NGen (Next Generation Manufacturing Canada) gezielt die Einführung und Skalierung von AM-Technologien. "Canada Makes" vernetzt Industrie, Forschung sowie Start-ups und bietet Zugang zu technischen Ressourcen, Schulungen und Projektpartnerschaften. NGen investiert in kollaborative Innovationsprojekte und unterstützt die Integration von KI in die Fertigung.
Kanada positioniert sich zunehmend als strategischer Partner für industrielle AM. Die Kombination aus staatlicher Förderung, Nachfrage seitens der Industrie und offener Kooperationskultur bietet deutschen KMU ein attraktives Umfeld für den Markteintritt. Die CMTS 2025 hat gezeigt: Additive Fertigung ist in Kanada keine Zukunftsvision mehr, sondern gelebte Realität – mit Potenzial für neue transatlantische Partnerschaften.