Kanadas Landwirtschaft steht unter Druck: Digitalisierung, Klimawandel und handelspolitische Spannungen fordern Innovation – und eröffnen gleichzeitig neue Exportchancen.
2025 ist ein Jahr der Transformation für die Branche. Digitalisierung, Nachhaltigkeit und geopolitische Herausforderungen prägen die Landwirtschaft – und bieten Chancen für Wachstum und technologische Erneuerung.
Digitalisierung als Schlüssel zur Zukunft
Sensoren, Satelliten, Drohnen und mit künstlicher Intelligenz (KI) gestützte Analysen sind längst Realität auf vielen Farmen. Besonders in den Prärieprovinzen setzen Landwirte auf GPS-gesteuerte Traktoren, automatisierte Bewässerungssysteme und datenbasierte Entscheidungen zur Optimierung von Erträgen und Ressourceneinsatz.
Klimawandel und Wetterextreme als Dauerherausforderung
Extreme Wetterereignisse – von Dürren bis Starkregen – nehmen zu und stellen die Landwirtschaft vor neue Herausforderungen. Zwar sinken die landwirtschaftlichen Emissionen relativ zur Produktionsmenge, doch die Ertragsvolatilität bleibt hoch. In Alberta investierten Landwirte infolge wiederholter Trockenphasen 2023 und 2024 verstärkt in Tröpfchenbewässerung und mobile Beregnungssysteme. Besonders betroffen sind die Prärieprovinzen, wo sich Anbauzyklen verschieben und neue Technologien gefragt sind.
Neben Extremwetterereignissen befeuern volatile Rohstoffpreise und der Arbeitskräftemangel die Nachfrage nach Hightechlösungen. Bis 2030 könnten in der kanadischen Landwirtschaft über 100.000 Stellen unbesetzt bleiben – ein Engpass, der sich aus dem demografischen Wandel, fehlender Nachfolge und saisonalem Arbeitskräftemangel speist. Temporäre Arbeitskräfte und Einwanderung lindern zwar Engpässe. Dennoch bleibt der Fachkräftemangel ein Thema, insbesondere bei der Bedienung komplexer digitaler Systeme.
Kanada unterstützt KI und Automation in der Landwirtschaft
Die Regierung unterstützt gezielt durch Initiativen wie das "Agricultural Clean Technology Program" (CAAIN), das klimafreundliche Technologien in Agrarbetrieben fördert – etwa in den Bereichen Präzisionslandwirtschaft, Energieeffizienz und Bioökonomie. Solche Programme sind technologieoffen und setzen häufig auf internationale Partnerschaften – ein Vorteil für deutsche Unternehmen, die mit innovativen Produkten und Dienstleistungen punkten können. CAAIN zum Beispiel stellt bis zu 2,2 Millionen US-Dollar (US$) pro Projekt bereit – mit einer Förderquote von bis zu 40 Prozent. Voraussetzung ist die Beteiligung kanadischer Firmen, internationale Partner sind jedoch ausdrücklich erwünscht.
Ergänzend dazu vernetzt das "Canadian Agri-Food Automation and Intelligence Network" Akteure aus Wirtschaft und Forschung, um KI-gestützte Lösungen, Automatisierung und datenbasierte Entscheidungsprozesse für die Praxis zu entwickeln und zu testen.
Exportabhängigkeit und neue Märkte
58
Milliarden US$
betrug der landwirtschaftliche Exportwert Kanadas im Jahr 2024.
Kanada zählt zu den weltgrößten Exporteuren von Agrarprodukten und verarbeiteten Lebensmitteln. 2024 lag der Exportwert bei rund 58 Milliarden US$ – gut 10 Prozent der Gesamtexporte. Die Statistik umfasst sowohl Primärprodukte wie Getreide und Fleisch als auch verarbeitete Lebensmittel wie Käse und Backwaren. Grundlage sind internationale Warengruppen, die typischerweise unter den Zollkapiteln 01 bis 24 zusammengefasst werden.
Wichtigste Abnehmer sind die USA, China und Japan. Die EU, besonders Deutschland, gewinnt zwar an Bedeutung – 2024 wurden Agrarwaren im Wert von 411 Millionen Euro nach Deutschland exportiert. Der Begriff "Agrarwaren" meint verarbeitete Lebensmittel pflanzlichen und tierischen Ursprungs und umfasst daher nicht alle Zollkapitel von 01 bis 24.
Seit August 2025 belasten pauschale US-Strafzölle von 35 Prozent auf kanadische Importe das Verhältnis zu den USA. Besonders betroffen sind Agrarprodukte außerhalb der USMCA-Ausnahmen, etwa Milch, Rindfleisch und Getreide. Trumps Zollpolitik richtet sich gezielt gegen das kanadische Supply Management-System, das durch staatlich regulierte Produktionsmengen und hohe Importzölle die heimische Milch-, Eier- und Geflügelwirtschaft vor Preisdruck schützt. Kritiker sehen darin ein Handelshemmnis, Befürworter ein Instrument zur Einkommenssicherung. Kanada reagierte mit Gegenzöllen auf US-Produkte, darunter Maschinen und Lebensmittel, was auch die Produktionskosten in der Agrarwirtschaft erhöht.
Das Supply Management-System wird flankiert von Investitionen in Forschung, CO₂-Reduktion und Infrastruktur. So sollen etwa die Treibhausgasemissionen aus Düngemittelproduktion bis 2030 um 30 Prozent gesenkt werden. Denn allein die Landwirtschaft trägt gut zehn Prozent zum Treibhausgasausstoß des Landes bei; die Düngemittelproduktion einbezogen, ist der CO₂-Fußabdruck noch größer. Auch Technologien wie Carbon Capture and Storage (CCUS) und anaerobe Vergärung kommen daher verstärkt zum Einsatz – wenn auch bislang vor allem in größeren Betrieben, wie beispielsweise bei der Düngemittelfabrik von Nutrien in Redwater, Alberta.
Diversifizierung als Antwort auf Trumps Zollpolitik
Vor dem Hintergrund Trumps aggressiver Handelspolitik gewinnt die Diversifizierung der Absatzmärkte an Bedeutung. Das Freihandelsabkommen CETA (Comprehensive Economic and Trade Agreement) erleichtert den Zugang zur EU: Rund 94 Prozent der Zölle im Agrar- und Lebensmittelbereich wurden abgeschafft, deutsche Agrarprodukte – mit Ausnahme von Milch, Eiern und Geflügel – können weitgehend zollfrei gehandelt werden.
Besonders gefragt – sowohl im Inland als auch auf internationalen Märkten – sind pflanzliche Proteine, Bio-Produkte und verarbeitete Lebensmittel mit hoher Wertschöpfung. Eine zentrale Rolle bei deren Entwicklung und Vermarktung spielt das Innovationsnetzwerk "Protein Industries Canada" (PIC). Als staatlich gefördertes Supercluster bringt PIC Akteure entlang der Agrarwertschöpfungskette zusammen und unterstützt Projekte zur Entwicklung nachhaltiger, hochwertiger Lebensmittel für den internationalen Markt – insbesondere in den Bereichen Genetik, Verarbeitung und Produktinnovation. Solche Netzwerke verändern nicht nur die Produktlandschaft, sondern auch die Struktur und Dynamik der Branche – mit Chancen für internationale Technologieanbieter.
Ausgewählte staatliche Förderprogramme in Kanadas LandwirtschaftIn Milliarden US$*)Projekt / Programm | Fördervolumen | Fokus / Zielsetzung | Region / Träger | Status |
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Sustainable Canadian Agricultural Partnership | 2,6 (gesamt, bis 2028) | Breites Förderprogramm für Innovation, Nachhaltigkeit, Wettbewerbsfähigkeit | Bund und Provinzen / Agriculture and Agri-Food Canada | Laufend |
Capital for AgTech Innovation | 1,5 | Finanzierung von Start-ups und Technologien im Agrarbereich | Bundesweit / Farm Credit Canada (FCC) | Laufend |
Agricultural Clean Technology Program | 0,229 | Finanzierung für die Entwicklung und Einführung der neuesten sauberen Technologien zur Reduzierung der Treibhausgasemissionen | Bundesweit / Agriculture and Agri-Food Canada | Laufend |
* umgerechnet nach Durchschnittskurs 2024: 1 US$ = 1,37 CAN$.Quelle: Recherchen von Germany Trade and Invest 2025
Von Heiko Steinacher
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Toronto