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Wirtschaftsumfeld | Kanada | Lieferketten

Deutsche Autokonzerne wollen kanadische Rohstoffe

Über Direktinvestitionen und Partnerschaften sollen deutsche Unternehmen künftig eng in die kanadische Wertschöpfungskette für Elektromobilität eingebunden werden.

Von Daniel Lenkeit | Toronto

Deutsche Automobilhersteller beabsichtigen kritische Batteriemineralien wie Nickel, Kobalt, Lithium und Graphit zukünftig stärker aus Kanada zu beschaffen. Mercedes-Benz und Volkswagen (VW) unterzeichneten dafür zuletzt Absichtserklärungen mit der kanadischen Regierung. Vor allem Ontario und Quebec haben reiche Vorkommen an den benötigten Rohstoffen für die Elektromobilität.

Erklärtes Regierungsziel ist der Aufbau einer kompletten Wertschöpfungskette für die Elektromobilität. Kanada hat alle Voraussetzungen, um zukünftig von der steigenden globalen Nachfrage nach Rohstoffen für die Energiewende und die Elektrifizierung des Verkehrs zu profitieren. Das Land verfügt unter anderem über Vorkommen an wichtigen Batteriemineralien wie Lithium und Kobalt und baut bereits in großem Umfang Kupfer, Nickel und Graphit ab. Doch mehr Investitionen sind nötig.

Der Fokus der kanadischen Bergbauoperationen liegt heute wertmäßig auf Gold, Pottasche, Kohle und Eisenerz. Darüber hinaus zählt das Land mit seinen 200 Minen und über 6.000 Steinbrüchen zu den wichtigen Diamanten-, Platin, Uran und Aluminiumproduzenten der Welt.

Chancen für deutsche Firmen beim Aufbau der Batterielieferkette steigen

Um ein Global Player in der Elektromobilität zu werden, benötigt Kanada Investitionen in alle Tiefen der Wertschöpfungskette - von der Exploration über den Abbau bis hin zur Aufbereitung der Rohstoffe sowie in die Batteriezellenproduktion. Für diesen Schritt braucht das Land auch ausländisches Engagement. Deutsche Zulieferer in den Bereichen Infrastruktur, Bergbaumaschinen oder Batterietechnik sollten die Entwicklungen rund um die Absichtserklärungen zwischen Deutschland und Kanada genau beobachten.

Potenzielle Investitionen, unter anderem in kanadische Bergbauunternehmen, sollen den deutschen Automobilkonzernen vorrangigen Zugang zu den kritischen Rohstoffen ermöglichen. Ebenso loten VW und Mercedes aus, inwieweit Potenzial für zukünftige Raffinerieprojekte sowie für Batteriezellen- und Kathodenproduktion besteht. "Es geht nicht allein darum, Mineralien auszubuddeln", sagt der Ressourcenminister Jonathan Wilkinson. Vielmehr stehe für Kanada in den Abkommen mit den deutschen Erstausrüstern der Aufbau einer lokalen Wertschöpfungskette im Mittelpunkt, so Wilkinson.

Kanada hat lokale Wertschöpfung im Visier

Der Vorzugszugang zu kritischen Mineralien wird also nicht bedingungslos gewährt. Unterstützung für einen reinen Rohstoffexport wird es nur begrenzt geben.

Regierungspolitiker betonen deswegen den Wunsch nach deutschen Direktinvestitionen in Kanada. Dabei erhoffen sich die Kanadier unter anderem eine vertikale Integration der Autokonzerne - Investitionen etwa in kanadische Bergbauunternehmen, so dass diese mit langfristigen Abnehmern Abbauprojekte nachhaltig planen können.

Direktinvestitionen in weit vorgelagerte Produktionsstufen zur eigenen Rohstoffsicherung sind Neuland für deutsche Autokonzerne. Doch der globale Trend ist unverkennbar. Vorreiter wie Tesla oder Stellantis schlossen bereits Abnahmeverträge oder beteiligen sich direkt an Bergbaufirmen und Raffinerien, um ihren zukünftigen Bedarf an Batterierohstoffen zu sichern. 

Wilkinson drängt deutsche Autokonzerne aber vor allem darauf, Fertigungskapazitäten in Kanada aufzubauen. Die Regierung möchte damit die Automobilindustrie und den Produktionsstandort wieder stärken.

Für Deutschland steht Rohstoffsicherheit im Mittelpunkt

Mercedes-Benz betonte im Rahmen der unterschriebenen Absichtserklärungen, die Kooperation mit Kanada über Rohstoffe hinaus gestalten zu wollen. Der Konzern plane demnach mit kanadischen Partnern die nächste Batteriegeneration sowie weitere Komponenten für Elektrofahrzeuge zu entwickeln. 

Auch Volkswagen und sein kürzlich gegründetes Batterieunternehmen PowerCo verfolgen den Ausbau einer nachhaltigen Batterielieferkette in Kanada. Unter anderem soll die Produktion von Kathodenmaterial für Batteriesysteme anlaufen. In Kanada will VW kanadische Zulieferer für Rohstoffe und Raffinerieprodukte gewinnen.

Trotz der Bekenntnisse zu Kooperationen in der Entwicklung von Elektrofahrzeugen und Zulieferprodukten dürfte von deutscher Seite das Hauptinteresse den kanadischen Rohstoffen gelten. Bereits vor 10 Jahren gab es mit der später gescheiterten deutschen Rohstoffallianz Versuche, sich aus Beschaffungsabhängigkeiten auf dem Weltmarkt zu lösen und unter anderem Kanada als Partner zu gewinnen.

Die dortigen Vorkommen sind seit Jahrzehnten bekannt. Ebenso bekannt ist die oft mangelhafte Infrastruktur zur Bergung der abgelegenen Rohstoffe, die bisher fehlende Wirtschaftlichkeit und hohen finanziellen und regulatorischen Hürden für solche Projekte. 

Nun ist aber eine neue Dynamik spürbar. Diese geht auf eine Reihe an jüngeren Entwicklungen zurück. Zum einen drängen viele Staaten auf die Elektrifizierung von Verkehr und Industrie im Rahmen des globalen Klimaschutzes. Weiter haben sowohl die Pandemie als auch der Ukrainekrieg und die zunehmenden geopolitischen Spannungen mit Rohstofflieferanten wie unter anderem China etablierte Lieferketten massiv beeinträchtigt. Dazu kommen Lieferkettensorgfaltspflichten, die eine strategische Neuausrichtung vieler Unternehmen erfordern.

Darum ist die Absichtserklärung zwischen den deutschen Konzernen und dem kanadischen Staat ein absolutes Novum. Es gäbe keine Präzedenzfälle für so eine Kooperation, sagt Flavio Volpe, Präsident des Automobilzulieferverbands APMA. Gleichzeitig sende die Erklärung ein Zeichen an andere Autobauer, dass Ontario und Quebec wichtige Beschaffungsmärkte für Batteriemineralien werden, ist sich Volpe sicher.

Gerade mit Blick auf die lokalen Wertschöpfungsauflagen neuen Steueranreize für E-Auto-Käufer in den USA ist es notwendig, einen Großteil der kritischen Rohstoffe die in den Elektroautos und deren Batterien verbaut werden in Nordamerika zu beschaffen.

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