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Fachkräfte
In Kanada mangelt es an Hightech-Fachkräften, Handwerkern und Helfern im Industriebereich. Zu den gefragtesten Kompetenzen zählt Big-Data-Analytik.
03.01.2024
Kanada ist eine im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Gründe dafür sind unter anderem äußerst stabile makroökonomische Bedingungen, ein gesundes Finanzsystem, solide staatliche Institutionen sowie ein robuster Arbeitsmarkt mit gut ausgebildeten Arbeitskräften.
Trotz vieler Neueinstellungen ist der Arbeitsmarkt weiter angespannt
Der Arbeitsmarkt ist indes angespannt. Trotz zahlreicher Neueinstellungen wächst die Zahl der Arbeitslosen. Grund ist die hohe Nettozuwanderung: Die Erwerbsbevölkerung wächst dadurch noch schneller als die Zahl der Beschäftigten. Gleichzeitig gibt es in vielen Bereichen einen ernsthaften Mangel an Fachkräften.
Wenn es um den Anteil der Menschen im erwerbsfähigen Alter (25 bis 64 Jahre) geht, die einen Hochschulabschluss besitzen, steht Kanada unter den G7-Ländern an erster Stelle: Fast jede vierte Erwerbsperson hatte 2021 ein College-Zertifikat oder -Diplom oder einen ähnlichen Abschluss. Im Gegensatz dazu sinkt die Zahl der Personen im erwerbsfähigen Alter mit einem Lehrabschluss. So fehlen Fachkräfte im Handwerk, und das verarbeitende Gewerbe sucht händeringend nach qualifizierten Maschinisten, Schweißern und Montagearbeitern. Am stärksten betroffen sind die Bereiche Mechanik/Reparaturtechnik und Präzisionsfertigung, aber auch das Baugewerbe.
Kanadas Bildungssystem zählt global zu den führenden und schneidet in internationalen Studien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) regelmäßig sehr gut ab. In ihrem Digital Readiness Index stellte die OECD dem Land 2019 hinsichtlich der Zahl qualifizierter junger Menschen und der Nutzung digitaler Kompetenzen im Alltag noch ein gutes Zeugnis aus. Doch durch die Coronapandemie hat sich das etwas geändert: Laut dem Future Skills Centre, einem Zentrum für angewandte Forschung und Innovation, geben fast vier Fünftel der kanadischen CEO an, dass sie seither deutlich mehr Mitarbeiter mit IT-Kenntnissen brauchen. Demnach liege das Land nur noch im Mittelfeld, was die Nutzung von technologischen Innovationen zur Steigerung der Produktivität betrifft. Außerdem stehe Kanada vor einem ernsthaften Mangel an Absolventen und Mitarbeitern in den Bereichen Mathematik, Informatik, Naturwissenschaften und Technik (MINT).
Kanada wirbt von den USA Fachkräfte aus Hightech-Bereichen ab
Um mehr Arbeitskräfte aus Hightech-Bereichen anzuziehen, startete Kanada im Sommer 2023 ein Pilotprogramm, bei dem bis zu 10.000 Inhaber eines H-1B-Visums aus den USA (für hochqualifizierte Arbeitnehmer) eine dreijährige offene Arbeitserlaubnis in Kanada beantragen konnten. Das zeigte Wirkung, denn der wirtschaftliche Druck in der Tech-Branche hatte in den USA zuvor zu einer Entlassungswelle geführt: Bis Oktober erteilte Kanada auf diesem Weg bereits mehr als 6.000 Arbeitsgenehmigungen. Dennoch ist die Maßnahme nur ein Tropfen auf den heißen Stein: So schätzt der Rat für Informations- und Kommunikationstechnologie (ICTC), dass Kanada bereits 2023 insgesamt mindestens 218.000 hochqualifizierte IT-Fachkräfte benötigt hätte.
Laut der Anwaltskanzlei Canadim werden vor allem im Gesundheitswesen sowie in Technologie- und wissenschaftlichen Bereichen landesweit neue Arbeitskräfte nachgefragt. Auch in den Bereichen Transport und Lebensmittel erhöht sich die Zahl der Vakanzen. Anpassungsmaßnahmen infolge des Klimawandels und der Transformation hin zu einer grünen Wirtschaft macht das World Economic Forum als die Faktoren aus, die in Kanada künftig branchenübergreifend die stärksten Auswirkungen auf die Schaffung von Arbeitsplätzen in Betrieben haben werden. Zu den gefragtesten technologischen Kompetenzen zählen Big-Data-Analytik, also die Verwendung fortschrittlicher Analysetechniken für große Datenmengen, sowie Know-how im Bereich Verschlüsselung und Cybersicherheit.
Ein duales Ausbildungssystem bietet Kanada nicht. Deshalb müssen sich deutsche Unternehmen darauf einstellen, junge Angestellte anders zu rekrutieren als in der Heimat, und ihre Erwartungen anpassen. Berufsschulabsolventen verfügen oft nur über begrenzte praktische Erfahrungen. Daher kommt vor allem bei Ausbildungsberufen dem "Training on the job" ein höherer Stellenwert zu.
Neben der Anwerbung ist auch die Bindung von Fachkräften eine Herausforderung (mehr dazu in Kapitel 2). Laut einer Untersuchung des Statistikamts sahen hierin 2023 mehr als ein Viertel der befragten Unternehmen ein Hindernis. Im verarbeitenden Gewerbe lag der Anteil sogar bei über einem Drittel.
Mobiles Arbeiten bleibt auch nach der Pandemie im Trend
Nach Analysen des Environics Institute arbeiteten im Frühjahr 2022 – einer Zeit, zu der die Corona-Beschränkungen weitgehend gelockert worden waren – noch rund 46 Prozent der Kanadier von zu Hause. Gegenüber Juni 2021 waren das gerade einmal 4 Prozent weniger. Zudem gaben 2022 fast vier Fünftel der Fernarbeitenden an, diese Arbeitsweise gegenüber der normalen Büroarbeit vorzuziehen. Das waren deutlich mehr als noch im Dezember 2020 (damals unter zwei Drittel). Meinungs- und Sozialforscher gehen davon aus, dass mobiles Arbeiten in Kanada ein dauerhaftes Phänomen wird.
Vor allem Büroangestellte, leitende Angestellte und Manager (jeweils 57 Prozent) arbeiten hybrid, das heißt, sie sind zumindest an einigen Tagen von zu Hause aus tätig. Nach Branchen betrachtet, sind Fernarbeit und hybrides Arbeiten laut einer Umfrage der kanadischen Handelskammer im 3. Quartal 2022 besonders in freiberuflichen Dienstleistungen beliebt (72 Prozent der befragten Unternehmen). Weit verbreitet ist diese Mischform auch in der Immobilienwirtschaft (55 Prozent) und bei Finanzdienstleistungen (53 Prozent). Im Bau- und verarbeitenden Gewerbe liegen die Anteile bei 26 beziehungsweise 21 Prozent.
Kanada im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |