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Fachkräfte
In Kanada mangelt es an Hightech-Experten, Handwerkern und Mitarbeitern im Industriebereich. Die Lage am Arbeitsmarkt verbessert sich, bleibt aber angespannt.
20.06.2025
Kanada ist eine im internationalen Vergleich sehr wettbewerbsfähige Volkswirtschaft. Gründe dafür sind unter anderem stabile makroökonomische Bedingungen, ein gesundes Finanzsystem, solide staatliche Institutionen sowie ein robuster Arbeitsmarkt mit gut ausgebildeten Arbeitskräften.
Aktuell ist die Lage am Arbeitsmarkt aber angespannt. Denn trotz zahlreicher Neueinstellungen wächst die Zahl der Arbeitslosen. Laut dem Statistikamt Statistics Canada lag die Arbeitslosenquote im Mai 2025 bei 7 Prozent, der höchste Wert seit 16 Jahren.
Grund ist die hohe Nettozuwanderung: Die Erwerbsbevölkerung wächst dadurch noch schneller als die Zahl der Beschäftigten. Mehr als eine halbe Million Teilzeitbeschäftigte waren 2024 auf der Suche nach einem Vollzeitjob, gleichzeitig blieben viele Vollzeitstellen unbesetzt. Das deutet auf ein Missverhältnis zwischen geforderten und vorhandenen Qualifikationen hin.
Viele Hochqualifizierte, aber Mangel an Personal im Produktionsbereich
Beim Anteil der Menschen mit Hochschulabschluss steht Kanada unter den G7-Ländern an erster Stelle: Fast jede vierte Erwerbsperson im Alter von 25 bis 64 Jahren hatte 2023 ein College-Zertifikat oder -Diplom beziehungsweise einen ähnlichen Abschluss. Dagegen sinkt die Zahl der Erwerbsfähigen mit Lehrausbildung. So fehlen Fachkräfte im Handwerk, und das verarbeitende Gewerbe sucht händeringend nach qualifizierten Maschinisten, Schweißern und Montagearbeitern. Am stärksten betroffen sind die Bereiche Mechanik/Reparaturtechnik und Präzisionsfertigung. Auch das Baugewerbe klagt: Dort fehlen Elektriker, Klempner und Zimmerer.
Laut der Anwaltskanzlei Canadim werden vor allem im Gesundheitswesen, in Technologiebereichen sowie im Bausektor und Handwerk händeringend Arbeitskräfte gesucht. Im High-Tech- und IT-Bereich zählen Big-Data-Analytik, Cloud Computing sowie Know-how im Bereich Verschlüsselung und Cybersicherheit zu den gefragtesten Kompetenzen.
Kanadas Bildungssystem zählt global zu den führenden und schneidet in internationalen Studien der Organisation für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (OECD) regelmäßig sehr gut ab. Ein duales Ausbildungssystem bietet das Land aber nicht. Deshalb müssen sich deutsche Unternehmen darauf einstellen, junge Angestellte anders zu rekrutieren als in der Heimat und ihre Erwartungen anpassen. Berufsschulabsolventen verfügen oft nur über begrenzte praktische Erfahrungen. Daher kommt vor allem bei Ausbildungsberufen dem Training "on the job" ein höherer Stellenwert zu.
Neben der Anwerbung ist auch die Bindung von Fachkräften eine Herausforderung. Laut einer Untersuchung des Statistikamts sah hierin im 4. Quartal 2024 fast ein Fünftel der Unternehmen ein Hindernis. Im verarbeitenden Gewerbe war es sogar rund ein Drittel.
Kanada benötigt 250.000 hochqualifizierte IT-Experten
Viele Unternehmen in Kanada haben Schwierigkeiten, den Bedarf an IT-Fachkräften zu decken. Mit dem Boom der künstlichen Intelligenz (KI) ist die Nachfrage nach KI-Fähigkeiten branchenübergreifend gestiegen. So wächst zum Beispiel das Interesse an "Promptern", also Fachkräften, die Eingaben formulieren können, um eine KI zu steuern und gewünschte Antworten oder Aktionen zu erzeugen. Viele Stellenausschreibungen für Ingenieure für maschinelles Lernen und Datenwissenschaftler beziehen sich inzwischen speziell auf generative KI.
Außerdem steht Kanada vor einem ernsthaften Mangel an "MINT"-Fachkräften, die neben fachlichem Wissen auch über ausreichend mathematische, naturwissenschaftliche und technische Fähigkeiten verfügen.
Um mehr Arbeitskräfte aus Hightech-Bereichen anzuziehen, startete Kanada im Sommer 2023 ein Pilotprogramm, bei dem bis zu 10.000 Inhaber eines H-1B-Visums aus den USA (für hochqualifizierte Arbeitnehmer) eine dreijährige offene Arbeitserlaubnis in Kanada beantragen konnten. Trotz hoher Nachfrage am Anfang kamen im ersten Jahr des Bestehens des Programms nur gut 1.200 Interessenten nach Kanada. Die Maßnahme blieb ein Tropfen auf dem heißen Stein: So schätzt der Rat für Informations- und Kommunikationstechnologie (ICTC), dass Kanada 2025 etwa eine Viertelmillion hochqualifizierte IT-Fachkräfte benötigt.
Arbeitgeber gehen nach der Pandemie zu hybriden Arbeitsmodellen über
Laut einer Studie von Zoom setzen fast zwei Drittel der kanadischen Unternehmen inzwischen eine Form von Hybridmodellen ein. Dieser Ansatz zielt darauf ab, Produktivität und Zusammenarbeit aufrechtzuerhalten und gleichzeitig Flexibilität zu bieten. Vor allem Büroangestellte, leitende Angestellte und Manager arbeiten hybrid, das heißt, sie sind zumindest an einigen Tagen von zu Hause aus tätig.
Hybride Arbeitsmodelle sind besonders in der Technologiebranche verbreitet. Aber auch Beratungs- und Rechtsdienstleistungen sowie der Finanz- und Versicherungssektor nutzen intensiv Hybridmodelle.
Kanada im weltweiten VergleichDiese Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Übersicht aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |