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Kasachstan will mehr Lebensmittel produzieren und exportieren
Trotz seines großen landwirtschaftlichen Potenzials ist Kasachstan in nahezu allen Lebensmittelkategorien von Importen abhängig. Die Regierung schafft Anreize, um das zu ändern.
03.09.2025
Von Viktor Ebel | Almaty
Kasachstan hat aufgrund seiner beachtlichen Größe und klimatischen Bedingungen ein enormes landwirtschaftliches Potenzial. Dennoch reichte es im Global Food Security Index der Economist Intelligence Unit von 2022 nur für Rang 32 unter insgesamt 116 betrachten Ländern. Zwar konnte sich der zentralasiatische Flächenstaat gegenüber früheren Erhebungen verbessern – vor allem dank einer besseren Verfügbarkeit von Lebensmitteln –, doch bestehen weiterhin deutliche Schwächen. Insbesondere importierte Produkte sind teuer und unterliegen starken Preisschwankungen. Auch bei der Qualität und Vielfalt des Lebensmittelangebots gibt es noch erheblichen Verbesserungsbedarf.
Aus diesem Grund will die kasachische Regierung die Verarbeitung von Agrarerzeugnissen im Land in den nächsten Jahren deutlich ausweiten. Der durchschnittliche Verarbeitungsgrad soll zwischen 2024 und 2028 von 40 auf 70 Prozent steigen. Um das zu erreichen, winkt die Regierung der Branche mit umfangreicher Unterstützung. Das lockt auch ausländische Investoren ins Land. Neben der Sicherung der Eigenversorgung soll die Lebensmittelbranche zukünftig auch stärker auf Exporte setzen.
Mehr Wurst, Käse und Geflügel "made in Kazakhstan"
Ein Blick in die Außenhandelsstatistik offenbart, wie abhängig Kasachstan von Lebensmittelimporten ist. Besonders groß war das Handelsdefizit 2024 bei tierischen Produkten, Zucker und Süßwaren, Zubereitungen aus Fleisch, Gemüse und Getreide sowie Fertigprodukten. Lediglich bei Fetten und Ölen verzeichnete Kasachstan Handelsüberschüsse.
Die spürbaren Produktionssteigerungen sollen ermöglichen, dass das Land sich in mehreren dieser Lebensmittelkategorien bereits in naher Zukunft selbst versorgen kann. Eine hundertprozentige Selbstversorgungsquote strebt Kasachstan bis 2028 beispielsweise bei Wursterzeugnissen (2023: 63 Prozent), Käse und Quark (59 Prozent) sowie Geflügelfleisch (75 Prozent) an. Für Zucker wird bis 2028 eine Steigerung der Quote von 55 auf 83 Prozent angestrebt.
Doch Kasachstans Geografie macht das Vorhaben schwierig. Die großen Städte liegen im Norden, nahe der Grenze zu Russland, einem Schwergewicht in der Landwirtschaft. Im Süden grenzt das Land an Usbekistan und Kirgisistan – auch dort spielt die Agrarwirtschaft eine zentrale Rolle. Wegen der kurzen Wege und günstigen Preise dürften Lebensmittel aus den Nachbarländern auch langfristig nach Kasachstan importiert werden.
Kredite und Vergünstigungen für Nahrungsmitteproduzenten
betrug der Anteil der Nahrungsmittel- und Getränkeindustrie am verarbeitenden Gewerbe im Jahr 2024.
Die Lebensmittel- und Getränkeproduktion ist der drittwichtigste Zweig des verarbeitenden Gewerbes in Kasachstan, nach der Metallurgie und dem stark vom Fahrzeugbau geprägten Maschinenbau. Zu den Faktoren, die die Entwicklung hemmen, zählten in der Vergangenheit ein Mangel an günstigen Krediten, der hohe Verschleiß der Anlagen, eine unzureichende Transport- und Lagerinfrastruktur und unausgelastete Produktionskapazitäten, da Agrargüter oftmals in Rohform exportiert werden. Viele dieser Baustellen will die Regierung mit ihrem Programm zur Entwicklung der Nahrungsmittelindustrie in den Jahren 2024 bis 2028 angehen.
So sollen beispielsweise einheimische Produzenten durch Subventionen und Exportbeschränkungen einen verbesserten Zugang zu agrarischen Rohstoffen erhalten. Um neue Maschinen für die Verarbeitung und Verpackung sowie Betriebsmittel anzuschaffen, gewährt die Regierung Vorzugskredite und Zuschüsse für Investitionsausgaben. Die Wettbewerbsfähigkeit auf dem kasachischen Markt sollen wiederum Einfuhrbeschränkungen stärken.
Internationale Investoren planen mehrere Großprojekte
Die Produktion von Nahrungsmitteln und Getränken ist zwischen 2020 und 2024 auf Basis der Landeswährung um 75 Prozent gestiegen, so Zahlen des kasachischen Statistikamts Qazstat. Der Ausstoß erreichte 2024 bei Nahrungsmitteln umgerechnet 7 Milliarden US-Dollar (US$) und bei Getränken knapp 2 Milliarden US$. Die Bruttoanlageinvestitionen in die Branche betrugen in diesem Jahr etwa 500 Millionen US$. Damit schnitt die Nahrungsmittel- und Getränkeproduktion im Vergleich zu anderen Zweigen des verarbeitenden Gewerbes unterdurchschnittlich ab, sowohl was das Wachstum der Investitionen angeht als auch den absoluten Wert, der die Größe des Sektors unzureichend widerspiegelt.
In naher Zukunft ist mit mehr Dynamik zu rechnen. Vor allem im Bereich Getreideverarbeitung haben internationale Investoren, allen voran aus China, angekündigt, dreistellige Millionenbeträge zu investieren. Kasachstan ist einer der führenden Weizenproduzenten der Welt, verarbeitet aber nur einen geringen Teil davon selbst.
Projekt | Investitionssumme (in Mio. US$) | Projektstand | Anmerkungen |
---|---|---|---|
Produktionskomplex zur Verarbeitung von Getreide; Gebiet Akmola | 1. Phase: 650; weitere Phasen: 1.000 | Vorbereitung | Dalian Hesheng Holdings (China) |
Werk zur Verarbeitung von Weizen; Gebiet Kostanai | 1.100 | Vorbereitung | CITIC Construction (China) |
Bau eines Industrieparks zur Maisverarbeitung; Gebiet Schambyl | 800 | 1. Phase: Ende 2025; volle Kapazität: 2026 | Fufeng Group (China) |
Werk zur Verarbeitung von Mais und Weizen; Gebiet Almaty | 500 | Vorbereitung | Yili Chuanning Biological (China) |
Werk zur Verarbeitung von Getreide und Erbsen; Astana | 320 | Vorbereitung | Tiryaki Agro (Türkei); Hassad Food (Katar) |
Fabrik zur Herstellung von Kartoffelchips; Gebiet Almaty | 1. Phase: 160; 2. Phase: 200 | Start im Frühjahr 2026; Vollbetrieb 2028 | PepsiCo (USA) |
Integrierter Fleischverarbeitungskomplex; Gebiet Akmola | 132 | Ankündigung 2025 | BigFarm (Kasachstan); Agrocephalus (Portugal) |
Verarbeitungskomplex zur Produktion von Lysin, Gluten, Bioethanol, Kohlendioxid; Gebiet Kostanai | 109 | Inbetriebnahme: 2027 | Qostanai Grain Industry |
Maisverarbeitungswerk; Gebiet Turkestan | 57 | Inbetriebnahme 2026 | Kazkrachmal |
Im Bereich Milchverarbeitung ist mehr europäisches Engagement zu verzeichnen. Der französische Konzern Danone investiert zwischen 2025 und 2026 rund 7 Millionen US$ in den Ausbau seiner Fertigung in Almaty. Die kasachische Agro Holding Bayan will in die Herstellung von Milchpulver einsteigen und setzt dabei auf Ausrüstung des kroatischen Unternehmens Sinitech Industries und Verpackungen von Ecolean aus Schweden.
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Deutsche und zentralasiatische Unternehmen kommen zusammen
Vom 26. bis 31. Oktober 2025 organisiert Bayern International eine Leistungsschau, bei der bayerische Anbieter von Maschinen für die Produktion von Molkereiprodukten auf Entscheidungsträger der Milchwirtschaft aus den beiden zentralasiatischen Republiken Kasachstan und Usbekistan treffen werden. Diese können im Vorfeld möglicher Anschaffungen eigene Produktlösungen einbringen.
Kasachstan will Lebensmittelexporte in Nachbarländer steigern
Sowohl die Projekte zur Getreide- als auch zur Milchverarbeitung sind darauf ausgerichtet, ihren Ausstoß auch zu exportieren. Die kasachischen Ausfuhren von Lebensmitteln und Getränken verdreifachten sich zwischen 2019 und 2024 nahezu auf über 1,7 Milliarden US$. Besonders starke Zuwächse gab es bei Ölen und Fetten, Getränken, Fertigprodukten und Süßwaren. Nahezu alle Lebensmittelexporte gehen in die Nachbarländer Zentralasiens sowie nach Russland und China.
Die zentralasiatische Region mit ihrem starken Wirtschafts- und Bevölkerungswachstum sowie einer sich verbessernden Verkehrs- und Lagerinfrastruktur verfügt über ein erhebliches Potenzial für die Steigerung von Lebensmittelexporten. Bereits jetzt ist Kasachstan der wichtigste Weizenlieferant für die Länder in der Region. Die Investitionsagentur Kazakh Invest schätzt das Exportpotenzial für Getreide auf 3,7 Milliarden US$, für Mehl verarbeitete Getreideerzeugnissen auf 6,1 Milliarden US$.
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Wichtige Messen der Nahrungsmittelindustrie in Kasachstan
Die FoodExpo Qazakhstan (12. bis 14. November 2025 in Almaty) und die InterFood Astana (Mai 2026 in Astana) sind internationale Messen, die sich neben Lebensmitteln und Getränken auch als wichtiger Branchentreff für Anbieter von Nahrungsmittel- und Verpackungsmaschinen etabliert haben. Sie bieten die Möglichkeit, neueste Trends und Entwicklungen zu erkunden, potenzielle Geschäftspartner zu identifizieren und sich über den regionalen Markt zu informieren.