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Wirtschaftsausblick | Litauen
Litauen dürfte besser durch die Krise kommen als die anderen beiden baltischen Staaten. Vom Konsum sind 2023 jedoch keine positiven Impulse zu erwarten.
22.12.2022
Von Niklas Becker | Helsinki
Litauen dürfte von allen drei baltischen Staaten am besten durch den Winter 2022/2023 kommen. Zwar verliert das litauische Bruttoinlandsprodukt (BIP) zum Jahresende 2022 an Tempo und wird im 4. Quartal 2022 sowie im 1. Quartal 2023 zurückgehen. Anders als Estland und Lettland wird es Litauen - Prognosen der Europäischen Kommission zufolge - jedoch gelingen, sowohl im Gesamtjahr 2022 als auch im Gesamtjahr 2023 ein BIP-Wachstum zu generieren.
Die Volkswirtschaft des größten baltischen Landes bekommt die Auswirkungen des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine an verschiedenen Stellen zu spüren. Wie das Kreditinstitut Swedbank berichtet, kommt es zum Teil zu erheblichen Unterbrechungen bei der Versorgung mit Vorleistungsgütern. Das Vertrauen der litauischen Konsumenten ist zudem stark gefallen. Und auch der Rückgang der Exporte nach Russland, Belarus und in die Ukraine macht sich wirtschaftlich bemerkbar.
Laut dem Kreditinstitut hat eine beträchtliche Zahl von ukrainischen Geflüchteten Beschäftigung in Litauen gefunden. Das trägt zumindest zu einer leichten Entspannung des litauischen Fachkräftemangels bei. Die Zahl der offenen Stellen bleibt jedoch hoch. In einer von der Europäischen Kommission beauftragten Unternehmensbefragung gab mehr als jedes fünfte Industrieunternehmen an, dass der Mangel an Arbeitskräften die Produktion einschränkt.
Die Stimmung in Litauens Industrie hat sich im Herbst 2022 merklich verschlechtert. Vor allem der Auftragsrückgang trifft die Firmen. Im 4. Quartal 2022 gab jedes zweite Industrieunternehmen an, dass eine niedrigere Nachfrage die eigene Produktion einschränkt. Das macht sich auch in einer geringeren Kapazitätsauslastung bemerkbar. Die litauischen Unternehmen erwarten jedoch einen leichten Anstieg der eigenen Produktion im 1. Quartal 2023.
Indikator | 2020 | 2021 | Vergleichsdaten Deutschland 2021 |
---|---|---|---|
BIP (nominal, Mrd. Euro) | 49,8 | 56,2 | 3.602 |
BIP pro Kopf (Euro) | 17.810 | 20.000 | 43.292 |
Bevölkerung (Mio.) | 2,8 | 2,8 | 83,2 |
Litauen wird 2022 einen Zuwachs der Verbraucherpreise um etwa 19 Prozent verzeichnen. Den Höhepunkt erreichte die Inflation im September 2022 mit einem Anstieg im Jahresvergleich um 22,5 Prozent. 2023 dürften die Verbraucherpreise weiterhin kräftig zulegen. Die Inflationsraten sollen allerdings geringer ausfallen als 2022. So erwartet die Europäische Kommission für das Gesamtjahr 2023 einen Zuwachs um 9,1 Prozent.
Das Interesse litauischer Unternehmen an Investitionen in die eigene Energieeffizienz legt zu. Das Land muss in den kommenden Jahren dringend in den Ausbau der eigenen Energieproduktion investieren. Im 1. Quartal 2022 importierte es 65 Prozent des Strombedarfs. In einigen Jahren will Litauen jedoch Stromexporteur werden. Um den Ausbau der Windenergie zu beschleunigen, hat die Regierung im Sommer 2022 ein umfassendes Gesetzespaket beschlossen. In der zweiten Jahreshälfte 2023 will die Regierung eine erste Offshore-Auktion durchführen.
Litauens Industrieunternehmen kündigen in einer Unternehmensumfrage vom Oktober und November 2022 einen Anstieg ihrer Investitionsausgaben für 2023 an. Positive Impulse sind unter anderem von der Nahrungsmittelindustrie, der Metall- und Holzbranche (ausgenommen Möbelhersteller) sowie dem Maschinenbau zu erwarten. Litauens Chemie- und Kfz-Branche sowie die Hersteller elektrischer Ausrüstung wollen ihre Investitionsausgaben 2023 hingegen verringern.
Projektbezeichnung | Investitionssumme (in Euro) | Projektstand | Projektträger, Anmerkungen |
---|---|---|---|
7 Mrd. | Baubeginn erfolgt; weitere Ausschreibungen laufen | ||
Rückbau Atomkraftwerk Ignalina | 950 Mio. | Planungen, laufende Arbeiten | Rekultivierung ab 2038 angestrebt; Ignalina |
„Teltonika High-Tech Hill“ Labor- und Bürokomplex, sowie ein Elektronikwerk mit 700 Arbeitsplätzen | 220 Mio. | Planung | |
100 Mio. | Planung | ||
“Teltonika High-Tech Hill” Fabrik in Vilnius (PCB -Printed circuit boards) | 100 Mio. | Planung | |
Bau des Abflugterminals und Umbau des Flughafens Vilnius | 41,5 Mio. | Planung | Vilnius Airport |
Forschungs- und Laborgebäude der BOD Group | 22 Mio. | Im Bau | |
Steinmehlfabrik in Klaipeda | 20 Mio. | Planung | Finegri |
Erweiterung der Fabrik in Ukmergė | 15 Mio. | Im Bau | |
Erweiterung der Fabrik in Panevezys | 15 Mio. | Planung |
Öffentliche Ausschreibungen veröffentlicht Litauen auf der staatlichen Internetplattform CVPP in litauischer Sprache.
Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.
Litauens Haushalte haben ihre Ausgaben nach dem 1. Quartal 2022 merklich zurückgefahren. Während in den ersten drei Monaten 2022 noch ein realer Zuwachs des Privatkonsums um 6,3 Prozent im Jahresvergleich gemeldet wurde, waren es im 2. Quartal nur noch 0,4 Prozent. Zwischen Juli und September 2022 gaben die Haushalte sogar 1,4 Prozent weniger aus als im Vorjahr.
Unter anderem aufgrund staatlicher Unterstützungsprogramme hat sich das Konsumentenvertrauen im November 2022 zwar wieder etwas gefangen, liegt aber weiterhin deutlich im negativen Bereich. Nach Einschätzung der Europäischen Kommission werden die Konsumausgaben der litauischen Haushalte 2023 niedriger ausfallen als 2022.
Trotz der abkühlenden Weltwirtschaft und der wirtschaftlichen Auswirkungen des russischen Angriffskrieges vermeldete die litauische Volkswirtschaft einen realen Zuwachs ihres Warenhandels in den ersten drei Quartalen 2022. Die Warenexporte legten zwischen Januar und September 2022 im Jahresvergleich um fast 19 Prozent zu. Bei den Warenimporten waren es rund 14 Prozent. Eine weitere wirtschaftliche Verlangsamung der wichtigsten Handelspartner Litauens könnte sich 2023 allerdings in den Ausfuhren bemerkbar machen. Die höheren Preise könnten sich wiederum negativ auf die litauischen Einfuhren auswirken.
Litauen ist eine kleine und sehr offene Volkswirtschaft. 2021 lag die Außenhandelsquote des Landes bei 130 Prozent. Eine besondere Bedeutung kommt dem Ostseeraum zu. Dessen Anrainerstaaten haben 2021 zusammen 56 Prozent aller Wareneinfuhren geliefert und im Gegenzug fast 50 Prozent aller Warenausfuhren abgenommen. Auf Russland allein entfiel ein Importanteil von knapp 12 Prozent und ein Exportanteil von etwa 11 Prozent. Der litauisch-russische Warenaustausch ist in den ersten neun Monaten 2022 allerdings stark rückläufig.
2020 | 2021 | Veränderung 2021/2020 | |
---|---|---|---|
Importe | 25.940 | 34.544 | 33,2 |
Exporte | 25.536 | 31.648 | 23,9 |