Branche kompakt | Marokko | Energiewirtschaft
Branchenstruktur
Die Energiewirtschaft wird durch Stromerzeuger und Netzbetreiber dominiert. Die geringe Herstellerzahl wächst aber infolge ausländischer Direktinvestitionen.
Von Ullrich Umann | Casablanca
Drei zentrale staatliche Institutionen prägen den marokkanischen Energiemarkt, dessen Rollen sich im Zuge der Liberalisierung und des Ausbaus der erneuerbaren Energien stetig weiterentwickeln.
MASEN agiert als zentraler Akteur und „One-Stop-Shop“ für die Entwicklung von Großprojekten im Bereich der erneuerbaren Energien. Die Agentur initiiert Projekte, führt Ausschreibungen durch, stellt Land bereit und strukturiert die Finanzierung, oft unter Einbindung internationaler Finanzinstitutionen. Indem MASEN Entwicklungsrisiken übernimmt und Staatsgarantien bereitstellt, schafft sie ein investitionsfreundliches Umfeld und beteiligt sich zudem häufig als Gesellschafter an den Projektgesellschaften.
ONEE, der traditionelle staatliche Energie- und Wasserversorger, durchläuft einen Restrukturierungsprozess. Während die Stromerzeugung zunehmend in den Privatsektor übergeht, entwickelt sich ONEE primär zum Übertragungsnetzbetreiber (TSO). Damit fungiert ONEE als Hauptabnehmer für den Strom aus den von MASEN entwickelten Anlagen. Die Berufung des ehemaligen MASEN-Chefs an die Spitze des ONEE unterstreicht die engere Abstimmung beider Akteure und soll die Energiewende beschleunigen.
Die nationale Regulierungsbehörde Autorité Nationale de Régulation de l'Electricité (ANRE) regelt den Netzzugang, gewährleistet die Stabilität des Stromsystems und überwacht den liberalisierten Markt. Jüngste Gesetzesreformen stärken die ANRE gezielt, um den Wettbewerb zu fördern und privaten Akteuren den Marktzugang zu erleichtern. Ein bedeutender politischer Wandel öffnet nun erstmals das Stromnetz für private Investitionen, was einen völlig neuen Geschäftsbereich für Infrastrukturinvestoren und spezialisierte EPC-Unternehmen schafft.
Parallel zum Markt staatlicher Ausschreibungen entwickelt sich ein Markt, der von industriellen Großabnehmern angetrieben wird. Führende Industrieunternehmen forcieren aus Gründen der Kostensenkung, Versorgungssicherheit und Dekarbonisierung ihre eigene Energiewende, insbesondere im Hinblick auf den EU-Kohlenstoffgrenzausgleichsmechanismus CBAM. Der staatliche Phosphat- und Düngemittelkonzern OCP Group, als größter industrieller Energieverbraucher, agiert hier als zentraler Nachfragetreiber. Mit einem 13-Milliarden-US-Dollar-Investitionsprogramm will OCP seinen Energiebedarf bis 2027 aus regenerierbaren Quellen decken, was die Installation von 5 Gigawatt an dedizierter EE-Leistung und die Produktion von einer Million Tonnen grünem Ammoniak erfordert.
Finanzierung entscheidet zunehmend über Geschäftserfolg
Marokko möchte seine hohe Importabhängigkeit bei Technologiegütern durch die Ansiedlung ausländischer Technologiehersteller schrittweise abbauen. Zweifellos verfügt das Land aber auch über eigene Kompetenzen in der Projektentwicklung, angeführt von nationalen Champions wie Nareva, sowie bei EPC-Dienstleistungen und der Anlageninstallation, für die sich ein Ökosystem aus hunderten KMU gebildet hat. Auch im Betrieb und der Wartung (O&M) erbringen lokale Firmen Dienstleistungen.
Bei einigen Produktgruppern ist die Importabhängigkeit besonders hoch. Dazu gehören Gondeln und Getriebe für Windkraftanlagen, hocheffiziente PV-Zellen, komplexe Wechselrichter, CSP-Schlüsseltechnologien sowie Netzleittechnik und vorerst auch noch Batteriespeicher. Der Aufbau einer Wasserstoffwirtschaft schafft zudem einen massiven neuen Bedarf an Elektrolyseuren und Power-to-X-Komponenten.
Um den Aufbau einer heimischen Industrie voranzutreiben, nutzen Staatsunternehmen ihre Position als öffentlicher Auftraggeber gezielt und konditionieren die Zuschlagserteilung in Ausschreibungen an Loklisierungsverpflichtungen der ausländischen Bieter. Diese Strategie lenkt ausländische Investitionen nicht nur in Kraftwerke, sondern auch in lokale Produktionsstätten. Finanzierung entscheidet zunehmend über Geschäftserfolg
Eine dynamische internationale Wettbewerbsarena
Der Wettbewerb auf dem Markt für Energietechnik wird von ausländischen Branchenfirmen und wenigen marokkanischen Firmen geprägt. An der Spitze der marokkanischen Akteure steht die Nareva Holding, eine Tochter der königlichen Holding Al Mada. Als führender privater Projektentwickler und Energieerzeuger positioniert sich Nareva als Partner für internationale Investoren. Daneben existiert ein wachsendes Ökosystem kleinerer marokkanischer Firmen, die als Subunternehmer oder Joint-Venture-Partner für internationale EPC-Unternehmen agieren.
Unternehmen | Herkunft | Tätigkeitsfeld in Marokko |
---|---|---|
OCP Group | Marokko | Staatlicher Phosphatkonzern, Investor in grünen Wasserstoff |
Nareva Holding | Marokko | Tochtergesellschaft der Al Mada Gruppe, entwickelt und betreibt Energieprojekte |
JESA | Marokko | Joint Venture zwischen OCP und Worley, EPC-Dienstleister |
Engie | Frankreich | Betrieb von Kraftwerken, u.a. Safi-Kohlekraftwerk |
ACWA Power | Saudi-Arabien | Entwickler und Betreiber der Noor-Solar-Komplexe |
Enel Green Power | Italien | Entwicklung von Windparks |
Vestas | Dänemark | Lieferung von Windturbinen |
Goldwind | China | Lieferung von Windturbinen |
Fichtner | Deutschland | Ingenieur- und Beratungsdienstleistungen |
Siemens Energy | Deutschland | Lieferung von Turbinen und anderen Kraftwerkskomponenten |
Auf internationaler Ebene haben traditionell europäische Firmen aus Frankreich (Engie, TotalEnergies), Spanien (Acciona) und Deutschland (Siemens Energy, Nordex) eine starke Stellung. Akteure aus den Golfstaaten, insbesondere aus Saudi-Arabien (ACWA Power) und den VAE (TAQA), gewinnen jedoch massiv an Einfluss. Sie bringen nicht nur Kapital, sondern auch umfangreiche Projekterfahrung mit. Gleichzeitig treten chinesische Unternehmen (Power China) als EPC-Dienstleister und Investoren auf.
Finanzierung entscheidet zunehmend über Geschäftserfolg
Der Energiesektor zog bereits einen signifikanten Anteil ausländischer Direktinvestitionen an, ein Anteil, der angesichts der gigantischen Investitionspläne exponentiell steigen wird. Das Wettbewerbsumfeld entwickelt sich von einem rein technologiegetriebenen zu einem finanz- und partnerschaftsgetriebenen Modell. Während deutsche Technologie hohes Ansehen genießt, erfordert der Erfolg in Marokko zunehmend wettbewerbsfähige Finanzierungslösungen und starke lokale Partnerschaften. Erfolgreiche Konsortien kombinieren daher typischerweise Kapital aus den Golfstaaten, Technologie aus Europa und die lokale Präsenz marokkanischer Partner.