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Hochbau: Projekte
Nachholbedarf existiert im Bausektor bei fast allen Projektarten. Ob Wohnungs- oder Gewerbebau, der Markt expandiert allein schon aufgrund der schnell wachsenden Bevölkerung.
27.05.2024
Von Ullrich Umann | Casablanca
Der Wohnungsbau hat 2023 an Fahrt aufgenommen, zeigen Zahlen des Ministeriums für nationale Raumplanung, Städtebau, Wohnungsbau und Stadtpolitik. Demnach wurden 2023 insgesamt 180.000 Wohnungen fertiggestellt sowie der Bau von 200.000 Wohnungen fortgeführt. Etwa 80 Prozent davon sind auf öffentliche Projekte zurückzuführen.
In den Ballungsgebieten bleibt der Bedarf an neuem und vor allem bezahlbarem Wohnraum auf Jahre hinaus ungedeckt. Neben der Binnenmigration aus den strukturarmen ländlichen in urbane Regionen führen auch das hohe Bevölkerungswachstum sowie die Immigration aus afrikanischen und arabischen Ländern zu einem steigenden Wohnraumbedarf. Die Volkszählung (Recencement Général de la Population et de l´Habitat/RGPH) lässt sogar die Schlussfolgerung zu, dass die Urbanisierungsquote von aktuell 66 auf 74 Prozent im Jahr 2050 ansteigen dürfte. Die Bevölkerung wächst laut UN im genannten Zeitraum von derzeit 37 Millionen auf 45 Millionen.
Private Wohnraumprojekte zielen auf Bevölkerungsschichten mit mittleren und gehobenen Einkommen ab. Als Leuchtturmprojekt dafür steht die nördlich von Casablanca entstehende Zenata Eco-cité auf einem Areal von 1.830 Hektar. In ihr sollen einmal 300.000 Menschen leben. Den Plan für das Großprojekt hat das Projektbüro Anteverti aus Barcelona im Auftrag des Projektträgers Societé d'Aménagement de Zenata entworfen. Gebaut werden neben Wohnungen ein Gesundheitszentrum, ein Universitätscampus und ein Einkaufszentrum.
Industriegebäudebau legt zu
Im Rahmen ihrer Stratégie Commerce will das Ministerium für Industrie, Handel, Investitionen und digitale Wirtschaft die Entwicklung des Einzelhandels vorantreiben. Entsprechende Projekte – oft als Kombination aus Wohnungs- und Gewerbebau – sind in Planung. Als Vorbilder gelten die Komplexe Casablanca Marina, Marrakesch Golf City oder das Arribat Center in Rabat.
Industriegebäude entstehen in den Freihandelszonen in den Großräumen Tanger im Norden, Casablanca in der Landesmitte und Agadir im Süden. Impulse gehen insbesondere von ausländischen Investitionen, Erweiterungsvorhaben niedergelassener Firmen sowie vom Ausbau der erneuerbaren Energiegewinnung durch private und öffentliche Geber aus. Die wohl größte Aktivität im Industrieanlagenbau ist auf einem 2.200 Hektar umfassenden Areal in der Nähe von Tanger zu beobachten: Hunderte von chinesischen Unternehmen sollen sich hier einmal niederlassen, was Investitionen aus China von bis zu 1 Milliarde US-Dollar (US$) erwarten lässt. Eine entsprechende Vereinbarung wurde zwischen der China Communications Construction Company (CCCC), der China Road and Bridge Corporation (CRBC), der Tanger Med Special Agency und der Bank of Africa (BMCE) unterzeichnet.
Größere öffentliche Krankenhausprojekte und kleinere private Klinikvorhaben sind gleichfalls in der Entstehungsphase. Der öffentliche Gesundheitsplan Santé 2025 sieht dafür Ausgaben von 1,3 Milliarden Euro vor. Für den Sportstättenbau in Vorbereitung des Africa Cup 2025 und der Fußball-WM 2030 stellt die Nationale Agentur für öffentliche Einrichtungen 2,2 Milliarden Euro zur Verfügung. Mit diesen Mitteln wird der Bau des Stadions Casablanca im Wert von 500 Millionen Euro vorangetrieben, ebenfalls der Ausbau des Sportkomplexes Prinz Moulay Abdellah nebst Umfeld, des Stadions Al Barid sowie der Bau eines neuen Hauptsitzes für den Königlich-Marokkanischen Leichtathletikverband, den Königlich-Marokkanischen Karateverband sowie verwandte Disziplinen (400 Millionen Euro). Hinzu kommt die Modernisierung des Stadions Tanger, des Sportkomplexes Fes, des Stadions Marrakesch, des Sportkomplexes Mohammed V in Casablanca und des Stadions Agadir (zusammen 200 Millionen Euro).
Energieeffizienz wird für die Projektplanung wichtig
Die Themen Energieeffizienz und Umweltschutz üben einen zunehmenden Einfluss auf die Projektplanungen im Bausektor aus. Dabei geht es unter anderem um die Verwendung von Dämm- und Isoliermaterial, die Kühlung und Beheizung von Gebäuden und die Montage solarthermischer Anlagen. Auch Themen wie Aktiv- und Passivhäuser rücken in den Fokus der Projektentwickler. Die für 2024 erwartete Verabschiedung nagelneuer Normen und Standards für energieeffizientes Bauen sollen vorerst aber nur für Neuvorhaben gelten, bevor in den Folgejahren ein Auditsystem für Bestandsbauten nachgereicht wird.
Projektbezeichnung | Investitionssumme | Projektstand | Anmerkung |
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Reparatur und Wiedererrichtung von Gebäuden im Atlasgebirge und in Marrakesch nach dem Erdbeben vom September 2023 | 1.000 (Kredit der European Investment Bank vom Oktober 2023) | Durchführungsphase (unter Aufsicht der Kommunalverwaltungen) | 4.232 Wohnungen werden komplett neu gebaut, 22.560 repariert, 155 Herbergen und Hotels, 1.709 Schulen und 42 Gesundheitszentren werden repariert |
Bau der Staumauer Tassa Ouirigane (Provinz Al Haouz) | 39 | Durchführungsphase mit einer Verspätung von 30 Monaten im November 2023 gestartet | Generalauftragnehmer ist die Baufirma Mojazine |
Bau einer Aufarbeitungsanlage für Kobaltsulfat zur Herstellung von Akkukathoden | k.A. | Vertragsunterzeichnung im November 2023 | Auftraggeber ist die China Electronics Corporation, Auftragnehmer ist Reminex (Tochterfirma des Bergbaukonzerns Menagem) |
Bau eines Theatergebäudes für 500 Zuschauer in Sidi Moumen (Casablanca) | 3 | Vorstudien, Architekturausschreibung | Bürgermeisteramt von Casablanca ist Auftraggeber |
Bau des Gebäudes für das Timitar Museum (Agadir) | 1,4 | Architekturwettbewerb haben Zakariae El Moudden et Rajae Agoumi gewonnen, Realisierung wird vorbereitet | Auftraggeber ist die Société Agadir Souss-Massa Aménagement |
Bau des Bahnhofs Hay Riad (Rabat) und Fertigstellung des Bahnhofs Rabat-Ville | k.A. | Baustart Hay Riad, Neuprojektierung von Rabat-Ville | Bahngesellschaft ONCF ist Auftraggeber, Rabat-Ville erhält eine modifizierte Außenfassade |
Bau von 33 Kleinanlagen zur Meerwasserentsalzung (Casablanca-Settat) | 43 | Ausschreibung | Auftraggeber sind die Gemeinde Casablanca-Settat sowie das Innenministerium |
Bau von 3 Anlagen zur Meerwasserentsalzung | 185 | Realisierung | Auftraggeber ist der Phosphatkonzern OCP |
Bau eines zweiten Flughafens in Sidi Zouine (Marrakesch) | k.A. | Planung, Fertigstellung zur Fußball-WM 2030 | Stadtverwaltung ist Auftraggeber |
Bau einer Fachschule für die Pharmaindustrie in Nouaceur (Casablanca) | 9 | Realisierung | Bildungsressort der Gemeinde Casablanca ist Auftraggeber |
Weitere Informationen zu Projekten finden Sie in der GTAI-Datenbank "Entwicklungsprojekte".