Wirtschaftsausblick I Marokko
Ausländische Direktinvestitionen nach Marokko steigen rasant
Marokkos Wirtschaft wächst 2025 stärker als erwartet. Die Importe, insbesondere von Investitionsgütern, ziehen an. Risiken bleiben jedoch bestehen.
01.08.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Top-Thema: Starkes Wachstum gepaart mit Risiken
Die aktuellen makroökonomischen Prognosen gehen für 2025 von einem Wachstum des marokkanischen Bruttoinlandsprodukts (BIP) zwischen 3,6 und 4,6 Prozent aus. Die robuste Binnennachfrage und die Erholung der Auslandsnachfrage sind maßgeblich für diese positive Entwicklung verantwortlich. Gleichzeitig treiben die Bemühungen Marokkos, seine Wirtschaft zu diversifizieren, die hohen Investitionen in die Infrastruktur und der boomende Tourismus das Wachstum an.
Die Landwirtschaft wird laut IWF 2025, abhängig von den Niederschlagsmengen, ein Wachstum zwischen 4,2 und 5 Prozent erreichen. Zwar ist Marokko bemüht, seine Abhängigkeit vom Agrarsektor zu reduzieren und sich damit widerstandsfähiger gegenüber Klimaschocks zu machen. Dennoch kämpft die Landwirtschaft weiterhin mit der strukturellen Wasserknappheit und einem traditionellen Agrarmodell. In der Industrie bleibt die Automobilbranche die tragende Säule; aber auch die Luftfahrtindustrie verzeichnet dynamisches Wachstum. Im Bergbau und in der Agrarchemie profitiert vor allem Marokkos Phosphatsektor von der weltweit steigenden Nachfrage nach diesem Rohstoff.
Die Dienstleistungen werden vom Tourismus dominiert. Dieser erreichte von Januar bis Mai 2025 mit 7,2 Millionen Besuchern einen historischen Höchststand. Großereignisse wie der Afrika-Cup und die bevorstehende Fußball-WM 2030 sowie umfangreiche Infrastrukturprojekte fördern den Sektor zusätzlich.
Die Inflation wird sich voraussichtlich bei 2,1 bis 2,2 Prozent stabilisieren, was der Zentralbank geldpolitischen Spielraum verschafft. Die Regierung hat eine Senkung des Haushaltsdefizits auf rund 3,9 Prozent des BIP sowie eine Stabilisierung der Staatsverschuldung bei 67 bis 69 Prozent angekündigt. Ausländische Direktinvestitionen tragen zum Ausgleich des Leistungsbilanzdefizits von etwa 2 Prozent bei. Zudem verfügt Marokko über komfortable Devisenreserven, was das Vertrauen internationaler Institutionen sowie die Attraktivität für Investoren stärkt.
Zu den Wachstumsrisiken gehört, neben der Wasserknappheit, die zunehmende Abhängigkeit der Exportwirtschaft von der Konjunktur in der EU; ebenso der starre Arbeitsmarkt und die Arbeitslosigkeit, die mit 13,3 Prozent (Stand: 2. Quartal 2025) auf einem hohen Niveau verharrt. Unter Jugendlichen, Frauen und Hochschulabsolventen fällt der Wert sogar noch deutlich höher aus. Der soziale Frieden könnte dadurch Schaden nehmen, mit Folgen für die Innenpolitik und die 2026 anstehenden Parlamentswahlen.
Wirtschaftsentwicklung: Investitionen übertreffen die Erwartungen
Die Investitionen werden 2025 die vom IWF prognostizierte Zuwachsrate von 2,4 Prozent wahrscheinlich übersteigen. Darauf weist das Devisenamt (Office des Changes) hin, das hohe Direktinvestitionen aus dem Ausland registriert: Ende April 2025 erreichte der Nettozufluss 1,05 Milliarden Euro und verzeichnete damit einen Anstieg von 37,2 Prozent im Vergleich zum gleichen Zeitraum 2024. In- und ausländische Unternehmen investieren gezielt in Schlüsselbereiche wie erneuerbare Energien (Solar-, Wind- und Wasserstoff), Industrie (Automobil- und Luftfahrtbranchen mit Fokus auf qualitative Aufwertung), Informations- und Kommunikationstechnologie (Digitalisierung von Staat und Wirtschaft), Landwirtschaft (höhere Wertschöpfung) sowie Infrastruktur und Logistik (Marokko als Drehscheibe).
Die anhaltende politische und makroökonomische Stabilität, die geografische Nähe zu Europa, Freihandelszonen und verbesserte Verwaltungsverfahren fördern die Investitionen. Administrative Trägheit, der schwierige Zugang zu Grundstücken sowie die Abhängigkeit von klimatischen Bedingungen erweisen sich dagegen als hinderlich.
Der Konsum privater Haushalte zieht 2025 leicht an, nachdem die Preise für Grundnahrungsmittel und Kraftstoffe in den Sommermonaten nachgeben. Im Konsumverhalten gibt es jedoch deutliche Unterschiede zwischen Stadt und Land sowie nach Einkommensgruppen.
Deutsche Perspektive: Lieferungen von Investitionsgütern nehmen zu
Mehr als 300 niedergelassene Unternehmen mit deutscher Kapitalbeteiligung beschäftigen gemeinsam 35.000 Arbeitskräfte in Marokko. Der bilaterale Handel verzeichnet ein rasantes Wachstum und unterstreicht die Stärke der Wirtschaftsbeziehungen.
Deutsche Unternehmen exportierten 2024 Waren im Wert von 3,49 Milliarden Euro nach Marokko, hauptsächlich Maschinen, Fahrzeuge, Ersatzteile und chemische Erzeugnisse. Der Import von Gütern aus Marokko belief sich im vergangenen Jahr auf 3,23 Milliarden Euro. Die Hauptanteile des Imports entfielen auf die Branchen Automobilindustrie, Elektronik und Landwirtschaft. Marokko belegt in der Rangliste der Handelspartner Deutschlands Platz 52 und zählt zu den schnell wachsenden Märkten, obgleich der Wettbewerb - insbesondere mit Spanien, Frankreich, China, der Türkei und den USA - intensiv bleibt.
Im Jahr 2024 eröffneten zehn deutsche Firmen Niederlassungen in Marokko, unter anderem im Flugzeug- und Fahrzeugbau, in der IT und im Einzelhandel. Im laufenden Jahr liegt der Fokus auf dem Fahrzeugbau, wie die aktuellen Ansiedlungen von ZF Lifetec und Fränkische Industrial Pipes zeigen. Aber auch im Bereich erneuerbare Energien, unter anderem bei der Elektrolyse grünen Wasserstoffs, treiben deutsche Unternehmen Kooperationen voran. Darüber hinaus steigt das deutsche Interesse an Projekten zur Vorbereitung der Fußball-Weltmeisterschaft 2030.
Unternehmen | Branche | Standort in Marokko | Aktivität 2024/2025 |
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Böllhoff Group | Verbindungstechnik | Casablanca (Midparc) | Produktions- und Logistikstandort eröffnet |
Leoni | Automobilzulieferer | Agadir | Niederlassung eröffnet |
Benteler | Automobilzulieferer | Kenitra | Niederlassung eröffnet |
Kostal | Automobilzulieferer | Tanger | Niederlassung eröffnet |
Hirschmann Automotive | Automobilzulieferer | Oujda | Niederlassung eröffnet |
Hahn Software | Industrielle IT-Lösungen | Rabat | Repräsentanz eröffnet |
Weiss Chemie + Technik | Bauchemie/Baustoffe | Standortsuche | Investitionsabsichten, Standortsuche |
Hornetsecurity | Cybersicherheit | Geplant | Ausbau der Aktivitäten in Afrika |
Masterflex Group | Schläuche/Verbindungssysteme | Casablanca (Midparc) | Bau einer Niederlassung |
Puma Group | Einzelhandel | Rabat | Flagship-Store eröffnet |
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