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Das politisch stabile Marokko ist nicht nur im Maghreb, sondern weltweit einer der Lieblinge der internationalen Geber. Die Mittel nutzt das Land für große Infrastrukturprojekte.
09.10.2020
Von Laura Sundermann | Bonn
Der Löwenanteil der Official Development Assistance (ODA) in Höhe von etwa 462 Millionen Euro kam 2018 von EU-Institutionen, gefolgt von Mitteln aus Frankreich über 386 Millionen Euro und aus Deutschland in Höhe von 307 Millionen Euro. Kein anderes afrikanisches Land erhielt 2018 von Deutschland höhere Summen an bilateraler ODA als Marokko. Die Zusagen der Entwicklungsbanken, die meistens nicht unter ODA fallen, sind ebenfalls beachtlich. Die Summe der Weltbank beläuft sich 2019 auf rund 1,75 Milliarden Euro. Bei der Afrikanischen Entwicklungsbank (AfDB) steht Marokko afrikaweit an erster Stelle und erhielt 2019 Zusagen über etwa 990 Millionen Euro. Die zweite Position im afrikanischen Vergleich nimmt Marokko bei der Europäischen Investitionsbank (EIB) ein, die dort 2019 Projekte mit einer Summe von 306 Millionen Euro finanzierte. Die Kreditanstalt für Wiederaufbau (KfW) machte im Jahr 2019 Neuzusagen in Höhe von 140 Millionen Euro. In Afrika erhielten von der deutschen Entwicklungsbank nur Ägypten und Tansania mehr.
Ein wichtiger Grund für Marokkos Beliebtheit dürfte sein relativ stabiles politisches System mit einem unumstrittenen König an der Spitze sein. Obwohl die europäische Entwicklungszusammenarbeit eigentlich einen "more-for-more"-Ansatz verfolgt, der politische Reformen und eine Annäherung an europäische Werte und Normen entsprechend honoriert, ist dies im Fall Marokko nicht zu beobachten. Auch wenn in den Monitoring-Berichten der EU immer wieder auf die Defizite bei Demokratie und Menschenrechten hingewiesen wird, mindert dies die zur Verfügung gestellten Mittel nicht. Eine Erklärung hierfür könnte bei Migration und Sicherheit liegen. Der 2005 mit Marokko unterzeichnete Aktionsplan beispielsweise klammerte Reformen des politischen Systems komplett aus, enthielt aber schon damals eine Bandbreite an Maßnahmen zu Migrationspolitik und Kooperationen im Sicherheitsbereich. Die EU hat ein Interesse daran, dass Marokko sowohl seine Landgrenzen zu den spanischen Exklaven Melilla und Ceuta als auch die Seegrenzen sichert und irreguläre Migration nach Europa verhindert. Das Land ist zudem ein wichtiger Handelspartner Europas, was seine Verhandlungsposition ebenfalls stärkt. In der Coronakrise erweist sich das jedoch als besonders problematisch. Etwa zwei Drittel der marokkanischen Exporte gehen nach Europa. Die wichtigsten Güter sind Fahrzeuge - Renault und Peugeot fertigen im Land - und Kabel. Für beide brach der europäische Markt drastisch ein, was Marokko direkt zu spüren bekam. Der zudem verhängte harte Lockdown verschärfte die bereits bestehenden großen sozialen Ungleichheiten.
Gleichzeitig hat das Land große Ambitionen, seine Infrastruktur auszubauen. Hierdurch gibt es in Marokko ein gutes Angebot an förderbaren Projekten, was ebenfalls zur hohen Summe an ODA und Kreditzusagen beitragen dürfte. Ein Beispiel ist der Bau der Hochgeschwindigkeitszugstrecke zwischen Tanger und Kenitra, die 2018 in Betrieb genommen wurde. Sie wurde von einer Vielzahl internationaler Geber, etwa von der Französischen Entwicklungsagentur (AFD), kofinanziert. Ein weiteres international gefördertes Großprojekt ist die Errichtung des Solarkraftwerks Noor bei Ouarzazate, dessen erste drei Teile zwischen 2016 und 2018 fertiggestellt wurden. Eine vierte Anlage ist geplant. Hier stellte unter anderem die KfW die Finanzierung bereit. Im Energiesektor ist darüber hinaus die Produktion von "grünem" Wasserstoff vorgesehen. Dieser soll klimaneutral mit Hilfe von Solarstrom erzeugt werden. Das Projekt wird unter anderem durch die KfW gefördert und ist Teil der Nationalen Wasserstoffstrategie (NWS) Deutschlands. In diesem Rahmen soll in Zukunft auch über internationale Partnerschaften der deutsche Wasserstoffbedarf gedeckt werden.
Für Unternehmen, die sich an Ausschreibungen beteiligen möchten, lohnt es sich daher, Marokko in den Blick zu nehmen. Die diversen Geber finanzieren Projekte in vielen verschiedenen Branchen. Potenziale für deutsche Unternehmen bieten unter anderem die Sektoren Wasser, Energie und Medizintechnik.
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