Wirtschaftsausblick I Marokko
Marokkos Wachstumstreiber für 2026 sind Großprojekte
Marokkos Wirtschaft wird 2026 nach Schätzungen des IWF um mindestens 3,5 Prozent wachsen mit dem Fokus auf Infrastruktur, Gesundheit und Bildung. Parlamentswahlen stellen Weichen.
26.11.2025
Von Ullrich Umann | Casablanca
Top-Themen: WM 2030 treibt Infrastrukturausbau voran
Die Wirtschaftsentwicklung wird 2026 durch eine Kombination aus erhöhten öffentlichen Investitionen, strukturellen Herausforderungen sowie steigenden Sozialausgaben geprägt. Gleichzeitig schmälern fiskalische Engpässe jedoch den Handlungsspielraum der Regierung. Im Zentrum steht der Infrastrukturausbau im Vorfeld zur Fußball-Weltmeisterschaft 2030. Die WM treibt Investitionen in Flughäfen, Bahnlinien, Stadien und touristische Einrichtungen voran und stimuliert die Bauwirtschaft, den Dienstleistungssektor und den Tourismus, der 2025 Rekordzahlen verzeichnet.
Gleichzeitig profitiert das Land von Nearshoring-Trends, die sowohl europäische Hersteller als auch finanz- und technologiestarke Unternehmen aus China nach Marokko führen, um von hier aus die naheliegenden europäischen Märkte unter Nutzung von Lohnkostenvorteilen zu beliefern. Die Automobilindustrie bleibt mit über einem Drittel der Exporte das industrielle Rückgrat. Es folgen die Luftfahrt- und Düngemittelbranchen.
Wirtschaftliche Impulse ergeben sich über die zweite Mittelmeer-Initiative der EU, die im Frühjahr 2025 gestartet wurde. Diese Initiative erleichtert unter anderem den Zugang zu EU-Finanzierungsinstrumenten für Public-Private-Partnerships in Nordafrika. Weiterhin werden Normen und Zertifizierungen in Marokko schneller an EU-Standards angepasst sowie Plattformen für gemeinsame europäisch-marokkanische Ausschreibungen geschaffen. Im Fokus stehen erneuerbare Energien (Solarenergie, Windkraft und grüner Wasserstoff) für den Export nach Europa.
Parlamentswahlen im Jahr 2026 führen bereits zu einer Fokussierung staatlicher Maßnahmen für mehr Beschäftigung, zur Erhöhung der Kaufkraft und Investitionen in die Infrastruktur im Kontext der Fußball-WM 2030.
Gleichzeitig ist der öffentliche Druck, Sozialausgaben zu erhöhen und neue Stellen zu schaffen, hoch: Die Steigerung der staatlichen Gesundheits- und Bildungsausgaben ist nicht zuletzt auf Massenproteste unter der Bezeichnung GenZ 212 zurückzuführen, die Ende September/Anfang Oktober 2025 für weltweite Furore sorgte. Obgleich die Proteste recht schnell abflauten, haben sie doch die unterschwellig vorhandene Unzufriedenheit mit den sozialen Verhältnissen und beruflichen Zukunftschancen offengelegt, die insbesondere in der heranwachsenden Generation anzutreffen ist.
Wirtschaftsentwicklung: Investitionen und leichte Konsumsteigerungen zu erwarten
Marokkos Wirtschaft wird im Jahr 2026 voraussichtlich ein Wachstum im Zielkorridor von 3,5 bis 4,5 Prozent verzeichnen, getragen von einer besseren Getreideernte, moderaten Konsumsteigerungen in den Privathaushalten und einem erhöhten öffentlichen Investitionsprogramm, wie es im verabschiedeten Haushaltsgesetz "PLF 2026" verankert wurde. Konkrete Effekte sind eine Belebung der Bau- und Dienstleistungssektoren sowie des verarbeitenden Gewerbes.
Gleichzeitig kann eine Importabhängigkeit bei Technologiegütern, Vorprodukten zur Lohnveredlung, hochwertigen Konsumwaren sowie bei Getreide und anderen Agrarprodukten nicht signifikant abgebaut werden. Somit bleibt das Defizit im Außenhandel bestehen; es wird weiterhin notgedrungen - obgleich erfolgreich - ausgeglichen durch ausländische Direktinvestitionen, Tourismuseinnahmen und Überweisungen der marokkanischen Diaspora im Ausland.
Wasserknappheit bleibt 2026 eine Herausforderung. Die Regierung steuert seit Jahren mit einem Investitionsplan von über 10 Milliarden Euro für Dämme, Entsalzungsanlagen und Wassertransfersysteme gegen, um die Versorgungssicherheit zu gewährleisten. Dies insbesondere für die Landwirtschaft, die sich 2025 zwar leicht erholt hat, aber weiterhin unter der Klimaerwärmung leidet.
Die Düngemittelindustrie realisiert eigene Projekte zur Meerwasserentsalzung, um grünen Wasserstoff und anschließend Ammoniak produzieren zu können, der für grünes Monoammoniumphosphat (MAP) und grünes Diammoniumphosphat (DAP) als Rohstoff benötigt wird. Exportorientierte Unternehmen aus anderen Branchen bleiben in ihren Erwartungen für 2026 verhalten, ausgehend von der anhaltenden Konjunkturschwäche in ihren mehrheitlich europäischen Zielmärkten.
Die private Konsumnachfrage dürfte 2026 insgesamt robust bleiben, gestützt durch höhere verfügbare Einkommen infolge sozialpolitischer Maßnahmen und durch Beschäftigungseffekte aus Investitionsprojekten.
Deutsche Perspektive: Staatliche Programme eröffnen 2026 Geschäftsfelder
Neue Geschäftschancen ergeben sich für die deutsche Wirtschaft aus den öffentlichen Vorhaben im Rahmen des Haushaltsplans 2026 (Infrastruktur, Gesundheit, Bildung), aus der EU-Mittelmeerinitiative sowie aus der staatlichen Förderung wertschöpfungsstarker Branchen (Automobilindustrie, Luftfahrt, erneuerbare Energien). Deutsche Hersteller können sowohl Investitionsgüter (Maschinen, Turbinen, Elektrolyseure, Komponenten) als auch Ingenieur‑ und Serviceleistungen (Engineering, Bau, Wartung, Ausbildung) liefern und sich durch Ko‑Investitionen oder Joint‑Ventures in der lokalen Produktion positionieren.
Deutsche Unternehmen exportieren vorrangig Maschinen, Fahrzeuge, Ersatzteile und chemische Erzeugnisse. Die Hauptanteile des deutschen Imports entfallen auf Pkw und Teile, Elektronik und Agrarprodukte. Marokko belegte 2024 in der Rangliste der Handelspartner Deutschlands Platz 52 und zählt zu den schnell wachsenden Märkten. Der Wettbewerb der deutschen Außenwirtschaft - insbesondere mit Spanien, Frankreich, China, Italien und den USA - bleibt in Marokko aber stark.
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