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Mexikos Pharmabranche entwickelt sich dynamisch
Mexiko ist der zehntgrößte Pharmaproduzent der Welt. Die Branche wächst dynamisch, ringt aber mit Regularien. Vom US-Markt hängt sie nur geringfügig ab. (Stand: Mai 2025)
Von Björn Lisker | Mexiko-Stadt
Ausblick der Pharmaindustrie in Mexiko
Bewertung:
- Der heimische Markt mit 130 Millionen Konsumenten treibt das Wachstum weiter an.
Die geringe Abhängigkeit vom US-Markt erweist sich infolge der neuen US-Handelspolitik als Stärke.
Großes Potenzial für Forschung und Entwicklung, wenn die Regulierungsbehörde Bearbeitungszeiten verkürzt und flexibler agiert.
Anmerkung: Einschätzung des Autors für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Mai 2025.
Markttrends
In Lateinamerika ist Mexiko nach Brasilien der zweitgrößte Hersteller von Arzneimitteln. Die Produktion der im Land ansässigen Pharmaunternehmen konzentriert sich auf die Deckung des nationalen Bedarfs: Rund 97 Prozent sind für die heimische Nachfrage bestimmt. Der Export spielt mit 3 Prozent eine eher untergeordnete Rolle. Dennoch ist Mexiko in Lateinamerika der größte Pharmaexporteur.
Die Gesamtverkäufe der mexikanischen Pharmaindustrie beliefen sich 2022 nach letztverfügbaren Zahlen des Statistikamtes INEGI auf 536,5 Milliarden Mexikanische Pesos - das entspricht rund 26,7 Milliarden US-Dollar (US$). Etwa 70 Prozent entfielen auf Arzneimittel der Humanmedizin, 8 Prozent auf Veterinärpräparate und 22 Prozent auf Medizinprodukte. Das geht aus der 2024 von INEGI und dem Dachverband der Pharmaindustrie CANIFARMA vorgestellten Erhebung zur Pharmaindustrie ENIFARM 2023 hervor.
Starker privater Gesundheitsmarkt
Der Großteil des Arzneimittelabsatzes im Wert von umgerechnet 18,3 Milliarden US$ entfällt mit 78,5 Prozent auf den privaten Gesundheitssektor. Auf den staatlichen kommen 21,5 Prozent.
Das staatliche Beschaffungssystem wurde mehrfach reformiert. Aktuell ist die Behörde Birmex mit der Beschaffung und Bestandsgarantie in den öffentlichen Krankenhäusern befasst. Sie ist aus den früher auf die Herstellung von Impfstoffen spezialisierten "Laboratorios de Biológicos y Reactivos de México" hervorgegangen. Die Industrie bewertet das neue System positiv, doch nach Korruptionsfällen im April 2025 ist unklar, ob es erneut verändert werden wird.
Kaum große Investitionsvorhaben bekannt
Die Unternehmen haben in den vergangenen Jahren kräftig investiert. Von 2019 bis 2022 beliefen sich die Ausgaben auf umgerechnet knapp 4,5 Milliarden US$. Dabei floss in dem genannten Zeitraum fast die Hälfte der Investitionen in Maschinen und Anlagen, 37 Prozent in die Modernisierung und den Ausbau der Produktionsstätten, 7 Prozent in IT und 6 Prozent in Forschung und Entwicklung.
Derzeit sind kaum größere Investitionsvorhaben angekündigt. Eine Ausnahme ist der britisch-schwedische Konzern AstraZeneca. Er teilte im Mai 2025 mit, für 30 Millionen US$ im Bundesstaat Jalisco ein Innovations- und Technologiezentrum zu errichten.
Laufende Projekte deutscher Niederlassungen
Laut einer Abfrage von Germany Trade & Invest (GTAI) unter deutschen Herstellern in Mexiko investiert Bayer bis 2030 umgerechnet 56 Millionen US$ in die Erweiterung seiner Produktionsstätte Lerma, 50 Kilometer westlich von Mexiko-Stadt. Der im Süden der Hauptstadt ansässige Hersteller Boehringer Ingelheim plant in den nächsten vier Jahren umgerechnet rund 95 Millionen US$ in Solarpanels, die Modernisierung der Labore und der Produktion zu stecken. Bei Schwabe Pharma México, das eine Produktionsstätte im Bundesstaat Morelos hat, fließen jährlich zwischen 1 Million und 2 Millionen US$ in die Modernisierung der Anlagen und die nachhaltige Entwicklung.
Auch vom im Norden der Metropolregion angesiedelten Unternehmen Merck hieß es, über die normalen Investitionen zur Modernisierung der Anlagen hinaus seien aktuell keine größeren Projekte geplant. Diese Zurückhaltung sei aber nur eine Momentaufnahme, erklärt der Geschäftsführer von Merck México, Christian Schulz Hausmann: "Der als Plan México bekannte Infrastrukturplan der mexikanischen Regierung hat das Potenzial, den Pharmaproduktionsstandort weiter zu stärken und neue Investitionen anzuziehen“, sagte er gegenüber GTAI.
Der im Januar 2025 von Mexikos Staatspräsidentin Claudia Sheinbaum verkündete "Plan México“ soll das Land unter die zehn größten Volkswirtschaften bringen. Aktuell liegt Mexiko auf Rang 13. Erreichen will die Regierung dies unter anderem durch einen Ausbau der Infrastruktur und Investitionsanreize. Viele Details sind aber noch nicht bekannt.
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Geht es nach der Erhebung ENIFARM 2023, ist der Großteil der rund 2.000 Unternehmen des Pharmasektors in mehrheitlich mexikanischer Hand. Bei 121 Unternehmen besteht ein US-Hintergrund, 100 weitere gehören mehrheitlich anderen ausländischen Investoren.
Arzneimittelsegment | Anteil an den Verkäufen in Prozent |
---|---|
Antibiotika | 15,0 |
Arzneimittel gegen Magenbeschwerden und Stoffwechselerkrankungen | 10,5 |
Arzneimittel zur Behandlung des Nervensystems | 9,6 |
Vitaminpräparate | 8,7 |
Arzneimittel zur Behandlung von Herzerkrankungen | 6,4 |
Kochsalzlösungen | 5,3 |
Schmerzmittel | 5,3 |
Lokale Produktion wird künftig bei der Beschaffung begünstigt
Neuansiedlungen will die Regierung über ein Dekret anstoßen, das am 29. Mai 2025 vorgestellt wurde: Demnach werden ab 2026 jene Pharmahersteller bei Ausschreibungen des staatlichen Gesundheitswesens bevorzugt, die über eine eigene Produktion im Land verfügen. Mit diesem "aggressiven Konzept”, hieß es aus der Regierung, wolle man den Produktionsstandort weiter stärken. Zudem wolle man unabhängiger von Importen werden und die nationale Versorgung sicherstellen.
Große Hoffnung setzt der Plan México auf Investitionen des Pharmasektors in Forschung und Entwicklung. Aktuell sind es nur 200 Millionen US$ im Jahr (zum Vergleich: in Argentinien sind es 500 Millionen US$). "Um Mexiko wettbewerbsfähig zu machen, braucht das Gesundheitssystem mehr Geld – das gilt auch für die staatliche Zulassungs- und Regulierungsbehörde für den Gesundheitssektor COFEPRIS", sagt Larry Rubin, Präsident des Dachverbandes der Forschenden Pharmaunternehmen AMIIF. Im Haushalt 2025 aber seien die Gesundheitsausgaben um 11 Prozent zurückgefahren worden auf aktuell 2,5 Prozent des BIP, kritisiert er. Das liege weit unter den 6 Prozent, die die Weltgesundheitsorganisation empfiehlt. Das Budget der COFEPRIS ist laut Rubin 2025 gar um 15,2 Prozent reduziert worden.
Trumps Zölle machen kaum Sorgen
Unter den Exportmärkten liegt die USA vorn. Weitere wichtige Märkte sind Lateinamerika und Europa. Durch die geringe Abhängigkeit vom US-Markt reagierten nur wenige Unternehmen in Mexiko besorgt auf die Ankündigung von US-Präsident Donald Trump, Zölle auf pharmazeutische Produkte zu erheben. Auch das am 11. Mai 2025 verkündete US-Dekret, das die Arzneimittelpreise in den USA drastisch senken soll, wird nur für einen kleinen Teil der Hersteller in Mexiko Folgen haben.
"Die Abhängigkeit vom US-Markt ist gering"

Rafael Gual Cosío ist Geschäftsführer des Dachverbandes der mexikanischen Pharmaindustrie CANIFARMA, der 176 Unternehmen vertritt. Das Interview zu den Aussichten für die Branche führte GTAI am 7. Mai 2025.
Wie sehen Sie das Panorama der mexikanischen Pharmaindustrie in den nächsten zwölf Monaten?
Die Lage ist kompliziert und vielversprechend zugleich. Kurzfristig kompliziert, weil die Handelspolitik der US-Regierung auch der Pharmaindustrie keine Planungssicherheit ermöglicht. Gerade sind mögliche US-Zölle auch auf Pharmaka im Gespräch. Allerdings produzieren Hersteller in Mexiko primär für den heimischen Markt. In den Export geht nur ein geringer Anteil, und davon wiederum nur rund ein Drittel in die USA. Die Abhängigkeit vom US-Markt ist also gering – wobei es einige internationale Anbieter gibt, die solche Zölle durchaus vor Probleme stellen könnten. Jenseits dieser aktuellen Lage sind die Strategien der Unternehmen langfristig angelegt, und da bin ich optimistisch. Die Industrie ist exzellent aufgestellt, erzielt gute Erträge und hat in Mexiko selbst einen attraktiven Markt mit einer großen, alternden Bevölkerung.
Wie schätzen Sie die Investitionsneigung der in Mexiko aktiven Unternehmen ein?
Wir haben 2024 unsere 176 Mitgliedsunternehmen gefragt: Wie hoch wären eure realen Investitionsabsichten, wenn die Bedingungen im Land perfekt wären? Wenn es also beispielsweise weniger Regulierungen gäbe, Anträge zügiger bearbeitet würden und der Zoll reibungslos funktionierte. Die Antwort: insgesamt 15 Milliarden US$ bis zum Jahr 2030, also 3 Milliarden US$ pro Jahr. Die Regierung muss jetzt ihre Hausaufgaben machen, um dieses Potenzial abzuschöpfen.
Die Branche kritisiert immer wieder, dass sich Genehmigungen für klinische Studien verzögern. Gäbe es nicht auch hier ein immenses Potenzial?
Ja, das Potenzial ist da, wird aktuell aber nicht genutzt. In Argentinien bekommen die Firmen durchschnittlich nach einem Monat einen Bescheid der Regulierungsbehörde, in Mexiko dauert es sechs Monate. In der Regierung hat man das Problem erkannt und angekündigt, dass die Behörde COFEPRIS künftig in zehn Tagen über Anträge entscheiden wird. Warten wir mal ab.
Kritik gibt es auch bei Beschaffungen für das staatliche Gesundheitswesen.
Was wir hier brauchen, ist Transparenz, Rechtssicherheit und realistische Zeitvorgaben. Es gibt keinen Spotmarkt für Medikamente; von einem Tag auf den nächsten kann niemand liefern, auch wenn die Regierung sich das wünschen mag. Zudem ist die Verteilung der Medikamente ein Problem. Die Vorgängerregierung hatte das Verteilsystem abgeschafft, die Pharmaindustrie ist aber nicht in der Lage, die Logistik zu stemmen.
Die Industrie in Mexiko ist, wie in vielen anderen Ländern auch, auf den Import von Wirkstoffen vor allem aus China und Indien angewiesen. Gibt es Überlegungen, diese Abhängigkeit zu verringern?
Im Austausch mit der Vorgängerregierung von Donald Trump waren wir weit fortgeschritten bei Überlegungen, Mexiko zum Produktionsstandort für 50 wichtige Wirkstoffe für die Pharmaindustrie in Nordamerika zu machen. Leider hat sich das nicht konkretisiert, aktuell ist das natürlich kein Thema.