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Wirtschaftsumfeld | Mexiko | Nearshoring

Ausländische Direktinvestitionen in Mexiko steigen um 48 Prozent

Zahlreiche Unternehmen verstärken ihre Investitionen in Mexiko. Allein in der Automobilindustrie sind Projekte im Umfang von bis zu 30 Milliarden US-Dollar geplant. 

Von Edwin Schuh | Mexiko-Stadt

Mexiko steht bei ausländischen Investoren hoch im Kurs. Rund 18,6 Milliarden US-Dollar (US$) flossen im 1. Quartal 2023 in das nordamerikanische Land. Das entspricht einem Zuwachs von 48 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Auf diesen Vergleich kommt man, wenn zwei Sonderfälle im Jahr 2022 ausgeklammert werden, nämlich die Fusion der Rundfunksender Televisa und Univisión sowie die Restrukturierung der Fluggesellschaft Aeroméxico. 

Die ausländischen Direktinvestitionen haben bereits 2022 kräftig zugenommen. Nach Angaben des Wirtschaftsministeriums investierten Unternehmen 35,3 Milliarden US$ in Mexiko. Das ist der dritthöchste gemessene Wert nach 2013 und 2015.

Automobilbranche rüstet auf Elektroautos um

Allein in der Automobilbranche sollen zwischen 20 und 30 Milliarden US$ investiert werden. Tesla will in den kommenden Jahren rund 5 Milliarden US$ für ein Werk in Mexiko ausgeben. Im März 2023 kündigte das US-Unternehmen den Bau einer Gigafabrik für Elektroautos im Bundesstaat Nuevo León an. Nach Fertigstellung könnte es laut Tesla die weltweit größte Produktionsstätte von Elektroautos werden. General Motors will bereits ab 2024 E-Fahrzeuge in Mexiko fertigen und rüstet dafür sein Werk in Coahuila für 1 Milliarde US$ um.

Auch deutsche Unternehmen investieren in Mexiko kräftig in Elektromobilität. Autobauer BMW kündigte Anfang 2023 an, in den kommenden Jahren rund 860 Millionen US$ in das Werk im zentral gelegenen Bundesstaat San Luis Potosí zu investieren. Ab 2027 sollen dort Elektroautos vom Band rollen und Hochvoltbatterien gefertigt werden. Der Automobilzulieferer ZF Friedrichshafen investiert über einen Zeitraum von vier Jahren rund 1 Milliarde US$ im Land. Landesweit verfügt das Unternehmen über 21 Werke, in denen Autoteile für Pkw und Nutzfahrzeuge hergestellt werden. Mit 25.000 Angestellten ist ZF Friedrichshafen der größte deutsche Arbeitgeber in Mexiko.

"Inzwischen werden Industrieflächen knapp"

Im Interview mit Germany Trade & Invest (GTAI) spricht Alberto de Icaza, Head of External Affairs Mexico bei der ZF Friedrichshafen AG über aktuelle Investitionen des Unternehmens in Mexiko und darüber, was den Standort attraktiv macht.


Alberto de Icaza, Head of External Affairs, ZF Friedrichshafen AG Dies ist ein eingebettetes Bild | © ZF Friedrichshafen AG

Herr de Icaza, warum fließen aktuell so viele Investitionen nach Mexiko?

Der Konflikt zwischen den USA und China hat sich in den letzten Jahren verschärft. Hinzu kommen steigende Lohnkosten in China und die Probleme in den Lieferketten während der Pandemie. Viele Unternehmen wollen ihre Produktion diversifizieren und kommen nach Mexiko. Zudem schreibt das USMCA-Handelsabkommen in der Automobilbranche einen Mindestanteil von 75 Prozent an lokaler Wertschöpfung vor, um die Zollvorteile zu erhalten. Bei ZF Friedrichshafen streben wir 80 Prozent an und ermuntern auch unsere Zulieferer, in Mexiko zu produzieren. Unser jährlicher Umsatz im Land in Höhe von rund 5 Milliarden US$ dürfte demzufolge zukünftig steigen.


Und welche Investitionen stehen bei Ihnen an?

Über einen Zeitraum von etwa vier Jahren investieren wir in Mexiko rund 1 Milliarde US$. Dazu zählen ein neuer Komplex in Monterrey mit einem Forschungs- und Entwicklungszentrum für selbstfahrende Autos, ein neues Werk in Ciudad Juárez für Elektromobilität sowie der Ausbau verschiedener Werke. Ein zentraler Punkt ist der Umstieg von Autos mit Verbrennungsmotor auf Elektrofahrzeuge. In Saltillo etwa wollen wir zukünftig keine Kupplungen für Verbrennerautos mehr herstellen, sondern elektrische Wechselrichter für Elektroautos.


Welche Risiken müssen Unternehmen in Mexiko beachten?

Es ist teilweise schwer, Strom aus erneuerbaren Quellen zu erhalten. Häufig ist man bei der Stromversorgung an den Staatskonzern CFE gebunden. Auch die Versorgung mit Wasser kann kritisch sein, gerade im Norden Mexikos herrscht häufig Trockenheit. Inzwischen werden auch die Industrieflächen knapp. Für unser neues Werk in Ciudad Juárez haben wir die letzte noch verfügbare Fläche mit Stromanschluss erhalten.


Wie steht es um das Thema Fachkräfte?

Das Angebot an qualifizierten Arbeitskräften ist begrenzt und der Zustrom an ausländischen Unternehmen verschärft den Wettbewerb zusätzlich. Wir kooperieren daher mit verschiedenen Universitäten, um Ingenieure auszubilden. Gemeinsam mit der AHK Mexiko bieten wir auch eine duale Ausbildung an unseren Werken in Saltillo und Querétaro an. Zudem müssen Firmen beachten, dass die Löhne in Mexiko zuletzt gestiegen sind, nachdem die Regierung den Mindestlohn in den letzten fünf Jahren jährlich um rund 20 Prozent angehoben hat. Zusammen mit dem starken Peso haben sich unsere Lohnkosten daher erhöht.

Auch chinesische Firmen verlagern Produktion nach Mexiko

Aufgrund der wachsenden Handelsstreitigkeiten zwischen den USA und China nutzen auch chinesische Unternehmen zunehmend Mexiko als Produktionsstandort für den US-Markt. Zwischen Januar 2021 und Juni 2023 haben sie Projekte für über 1,5 Milliarden US$ angekündigt. Der chinesische Elektronikkonzern Hisense errichtet aktuell für 250 Millionen US$ seine zweite Fabrik in Mexiko, im an Texas angrenzenden Bundesstaat Nuevo León. Das Unternehmen will dort zukünftig Kühlschränke, Waschmaschinen, Backöfen und Klimaanlagen produzieren. Weitere Beispiele für aktuelle Investitionen aus China sind die Kfz-Zulieferer Ningbo Xusheng Group und Citic Dicastal sowie die beiden Möbelhersteller Man Wah und Kuka Home.

Jährliche Direktinvestitionen von 60 Milliarden US$ möglich

Die wachsende Beliebtheit des Standorts Mexiko ist eine Folge des Nearshoring-Trends. Um die Risiken in den Lieferketten zu minimieren, verlagern Unternehmen zunehmend ihre Produktionskapazitäten nach Mexiko, um von dort aus für den riesigen US-Markt zu produzieren. Oder sie bauen bestehende Fabriken aus. Die Beratungsgesellschaft Deloitte erwartet, dass mittelfristig jährlich bis zu 60 Milliarden US$ an ausländischen Investitionen nach Mexiko fließen werden. Mit dem weiteren Ausbau der Industrieproduktion könnte Mexiko in den kommenden Jahren China als wichtigstes Lieferland der USA ablösen.

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Norden und Zentrum Mexikos besonders beliebt

Bei ausländischen Unternehmen besonders beliebt sind die an die USA angrenzenden Bundesstaaten Nuevo León, Coahuila und Chihuahua. Ein attraktiver Standort ist wegen der starken Industriebasis auch die zentrale Bajío-Region um die Bundesstaaten Aguascalientes, Querétaro, Guanajuato, Jalisco und San Luis Potosí. Auch in der Hauptstadt Mexiko-Stadt und den umliegenden Bundesstaaten Estado de México und Puebla im Landeszentrum siedeln sich ausländische Unternehmen bevorzugt an. Der Think-Tank IMCO (Instituto Mexicano para la Competitividad) prognostiziert, dass im Jahr 2023 etwa 47 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen in den Norden, 42 Prozent in die Landesmitte und 11 Prozent in den Süden Mexikos gelangen.

Diese Faktoren begünstigen den Nearshoring-Trend

Der größte Standortvorteil Mexikos ist seine Nähe zu den USA. Das lateinamerikanische Land grenzt direkt an den größten Markt der Welt und hat ein Freihandelsabkommen mit den USA und Kanada. Da die Löhne in Mexiko deutlich niedriger sind, produzieren viele Unternehmen in Mexiko und nicht direkt in den USA. In keinem anderen lateinamerikanischen Land spielt die verarbeitende Industrie eine so große Rolle wie in Mexiko. Das spiegelt sich auch im Export wider: Zu den wichtigsten Ausfuhrgütern gehören Fahrzeuge, Autoteile und Elektronik.

Das Handelsabkommen USMCA trat 2020 in Kraft und löste damit das alte NAFTA-Abkommen ab. Um ihre Waren zollfrei in ein anderes USMCA-Partnerland ausführen zu können, müssen Unternehmen aus der Automobilindustrie einen höheren lokalen Wertschöpfungsanteil erfüllen. So gilt etwa für Pkw und leichte Nutzfahrzeuge ab dem 1. Juli 2023 ein regionaler Wertschöpfungsanteil von mindestens 75 Prozent, gegenüber 62,5 Prozent unter dem alten NAFTA-Vertrag.

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