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Marktchancen
Nach einem konjunkturschwachen Vorjahr stehen die Zeichen für den Bausektor wieder auf Wachstum. Verschiedene Rahmenbedingungen sorgen bei den Investoren noch für Unsicherheiten.
21.08.2025
Von Michael Sauermost | Bonn
Die Aussichten der niederländischen Bauwirtschaft sehen im Jahr 2025 deutlich besser aus als noch im Vorjahr. Dies konstatiert der Verband der europäischen Bauindustrie FIEC. Er erwartet, dass das Volumen der gesamten Bauleistung um etwa 1,5 Prozent gegenüber 2024 wächst. Dabei ist allerdings relativierend zu berücksichtigen, dass es im Vorjahr im Sektor zu einem empfindlichen Einbruch von 3 Prozent kam.
Bauunternehmen gewinnen langsam an Zuversicht
Einer der Gründe für den verhaltenen Optimismus für 2025 ist der Anstieg der erteilten Baugenehmigungen. Höhere allgemeine Löhne und ein etwas niedrigerer Zinssatz haben es den Verbrauchern laut ING ermöglicht, mehr Kredite für den Kauf eines Eigenheims aufzunehmen. Seit 2022 ist die Verteilung zwischen Eigentums- und Mietwohnungsbewilligungen relativ ausgeglichen, während vorher die Eigenheimquote bei etwa zwei Dritteln lag.
betrugen laut FIEC im Jahr 2024 die Gesamtinvestitionen in den niederländischen Bausektor.
Nachhaltige Lösungen als Wachstumstreiber
Erhebliche Investitionen in die Verbesserung der Energieeffizienz von Immobilien und allgemein die Stärkung des Energienetzes sollen mittelfristig als Wachstumstreiber wirken. ABN AMRO erwartet für das Jahr 2025 ein Wachstum der Bauwirtschaft von 1,0 Prozent und für 2026 sogar von 2,5 Prozent.
Von Bedeutung dürfte allerdings die niederländische Politik sein. Dabei geht es um geplante Infrastrukturinvestitionen oder auch den Umgang mit Stickstoffemissionen. Durch das Scheitern der Regierung und den bevorstehenden Neuwahlen im Herbst werden für das Jahr 2025 Verzögerungen bei der Umsetzung öffentlicher Investitionen erwartet.
Aus diesen Gründen bleiben insbesondere auch die Prognosen für den Nichtwohnbau unsicher. Es ist davon auszugehen, dass Unternehmer Investitionen in Gewerbebauten auch aufgrund geopolitischer, durch die US-amerikanische Handelspolitik verursachte Unsicherheiten verschieben.
Staatliches Wohnbauprogramm zu ambitioniert?
Die steigenden Immobilienpreise im Wohnungsbau erhöhen indes den finanziellen Spielraum der Bauherren, mehr Wohnimmobilien zu starten. Obwohl die Zahl der fertiggestellten Wohnungen im Jahr 2025 voraussichtlich steigen wird, dürfte dies nicht ausreichen, um das Ende 2024 formulierte Ziel der Regierung von 100.000 neuen Wohnungen pro Jahr zu erreichen. In den Niederlanden herrscht seit geraumer Zeit eine enorme Wohnungsnot. Im Jahr 2025 fehlen laut Statistikamt CBS rund 400.000 Wohnungen.
Etwa zwei Drittel der Wohneinheiten des Regierungsprogramms sollen zu erschwinglichen Monatsmieten (bis zu 1.156 Euro) oder einem Verkaufspreis von bis zu 39.000 Euro auf den Markt kommen. Die Beträge werden jährlich angepasst. Hinzu kommen bis 2029 rund 30.000 Sozialwohnungen mit Mieten von bis zu 880 Euro zu aktuellen Preisen.
Die Regierung will insgesamt 7,5 Milliarden Euro für die Umsetzung ihrer Wohnungspläne bereitstellen - davon 5 Milliarden Euro für die Konstruktion und weitere 2,5 Milliarden Euro für die erforderliche Infrastruktur. Die Umsetzung stößt an Grenzen: Derzeit gehen Bauunternehmen von jährlich etwa 70.000 realisierten Vorhaben aus.
Kategorie | 2024 | Veränderung 2024/23 | Veränderung 2025/24 * |
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Wert der Bauinvestitionen insgesamt | 96.750 | -2,9 | 1,6 |
Gebäude | 74.525 | -3,4 | 1,7 |
Wohnungsbau, darunter | 42.231 | -2,4 | 2,6 |
Neubau | 19.931 | -4,9 | 4,9 |
Sanierung, Renovierung | 22.300 | 0,0 | 0,6 |
Gewerbebau | 32.294 | -4,7 | 0,5 |
Tiefbau (Civil Engineering) | 22.225 | -1,2 | 1,5 |
Arbeitskräfte und weitere Herausforderungen
Die Baustoffpreise sind im vergangenen Jahr zwar leicht gesunken, aber die steigenden Arbeitskosten bleiben eine Herausforderung. Sie legten 2024 im Vergleich zum Vorjahr um 9 Prozent zu. Trotz der Kosten bleiben die Gewinne in der Branche stabil. Unternehmen müssen allerdings laut ING weiterhin in Digitalisierung, Nachhaltigkeit und attraktive Arbeitsbedingungen investieren, um wettbewerbsfähig zu bleiben.
Die niederländische Bauindustrie kämpft mit strukturellen Engpässen, wie zum Beispiel dem Mangel an Bauland, langwierigen und komplexen Entwicklungsprozessen, rechtlichen Verzögerungen sowie Netzengpässen. Aufgrund der Überlastung der Stromnetze verzögern sich viele Bauvorhaben erheblich. Die Netzbetreiber haben daher mit dem Bau von mehr als 50.000 Umspannwerken, 120.000 Kilometern Erdkabeln und 70 Kilometern Hochspannungsnetzen einen sehr ambitionierten Plan vorgelegt. Darüber hinaus werden Großbatterien zur Energiespeicherung eingesetzt.
Vor allem im Infrastrukturbereich haben die Unternehmen mit der Stickstoffproblematik zu kämpfen. Arbeitskräftemangel schränkt zudem die Kapazitäten vieler Bauunternehmen ein. Im Jahr 2024 waren nicht weniger als 26.000 Stellen im Baugewerbe vakant. Die alternde Erwerbsbevölkerung sowie der begrenzte Zuwachs junger Arbeitskräfte sorgen für Engpässe.
Digitale Problemlösungen gesucht
Steigende Baukosten und die Anspannung auf dem Arbeitsmarkt zwingen den Sektor, nach Alternativen zur Produktivitätssteigerung zu suchen. Laut dem Beratungsunternehmen Turner & Townsend könnten digitale Lösungen die Auswirkungen des Arbeitskräftemangels verringern. Dazu gehören beispielsweise Building Information Models (BIM). Diese ermöglichen es, Konstruktionen frühzeitig zu testen, potenzielle Probleme zu erkennen und die Planung zu optimieren. BIM kann auch die Kommunikation zwischen verschiedenen Parteien verbessern. Allerdings seien diese Lösungen mit erheblichen Investitionen verknüpft. Darüber hinaus müssten dafür Mitarbeiter umgeschult werden.
Inzwischen setzen Unternehmen wie Daiwa house, Dijkstra Draisma, Heijmans, Modular Europe, Van Wijnen und Plegt-Vos auf Automatisierung der Bauprozesse und setzen Industrialisierung, Digitalisierung, Modul- und Fertigteilbau ein. Teilweise verfügen Bauunternehmen über Tochtergesellschaften, die ganz auf den industriellen Wohnungsbau ausgerichtet sind. Für VolkerWessels ist dies beispielsweise MorgenWonen. Trotzdem ist bei Instandhaltung und Renovierung oft eine individuelle Anpassung notwendig.
Vorhaben | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
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Straßenbau (landesweit) | 25 | Planung, teilweise bereits im Bau | Realisierung bis 2028; Rijksoverheid |
Offshore-Windparks | bis zu 20 | Planung | Von 2022 bis 2029 werden 7,5 Gigawatt errichtet; Tennet |
Landesweiter Ausbau der Bahninfrastruktur | 18 | Planung, teilweise bereits im Bau | Realisierung bis 2040; NS Procurement |
Ausbau von Wasserstraßen, Hochwasserschutz, Entwässerungs- und Kläranlagen | 18 | Planung, teilweise bereits im Bau | Schrittweise Realisierung von 2021 bis 2034 geplant; Deltafonds |
Ausbau Hafen Rotterdam | 5 bis 6,5 | Planung, teilweise bereits im Bau | Vor allem Infrastruktur- und Energieprojekte, Realisierung bis 2025; Hafen Rotterdam |
Ausbau U-Bahn in der Region Amsterdam | rund 5 | Planung (mögliche Umsetzung 2026 bis 2037 anvisiert) | Verlängerung der Linie 52 nach Hoofdorp über Flughafen Schipol; GVB |
Bioraffinerie von Neste in Rotterdam | 2,5 | Fertigstellung 2026 geplant | Neben nachhaltigen Kraftstoffen sollen auch Rohstoffe für die Chemieindustrie erzeugt werden; Neste |