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Nigerias Bauwirtschaft ist weiter auf Wachstumskurs
Die Baubranche entwickelt sich vielversprechend, trotz vieler Herausforderungen. Der Markt bietet großes Potenzial für innovatives und kosteneffizientes Bauen.
06.11.2025
Von Corinna Päffgen | Accra
Ausblick der Bauwirtschaft in Nigeria
Bewertung:
- Großes Defizit bei bezahlbarem Wohnraum und Infrastruktur.
- Bevölkerungswachstum und Urbanisierung sorgen für stetige Nachfrage.
- Zunehmende staatliche Mittel, wenn auch auf niedrigem Niveau.
- Großteil der Baumaterialien und -maschinen wird importiert.
Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: Oktober 2025
Markttrends
Die Bauwirtschaft trägt rund 4,5 Prozent zum Bruttoinlandsprodukt Nigerias bei und verzeichnet - trotz Herausforderungen wie Währungsabwertung und hoher Inflation - seit Jahren ein stabiles Wachstum. Steigende staatliche Mittel sowie zusätzliche private Investitionen kurbeln die Branche an.
Die fortschreitende Urbanisierung und das Bevölkerungswachstum sorgen für einen stetigen Bedarf an Wohnraum und Infrastruktur. Darüber hinaus wächst die Nachfrage nach Büroflächen, Einkaufszentren und gemischt genutzten Immobilien, insbesondere in urbanen Zentren wie Lagos und Abuja.
Im Jahr 2024 wuchs die Bauwirtschaft nach Angaben des National Bureau of Statistics um 4,2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr und gehörte damit zu den schnell wachsenden Branchen des Landes. Branchenkenner gehen aufgrund der sich erholenden Wirtschaft von einem durchschnittlichen Wachstum von 4 bis 5 Prozent pro Jahr bis 2029 aus. In den ersten beiden Quartalen 2025 wuchs der Bausektor um 6,2 Prozent beziehungsweise 5,3 Prozent und schneidet damit etwas besser ab, als erwartet.
Bis 2050 hat Nigeria 400 Millionen Einwohner
Die Bevölkerung Nigerias wächst rasant. Die Vereinten Nationen gehen von 400 Millionen Einwohnern bis zum Jahr 2050 aus, womit Nigeria hinter China und Indien zum drittbevölkerungsreichsten Land der Welt werden würde. Die Urbanisierungsrate betrug nach Angaben von UN-Habitat im Jahr 2020 bereits über 50 Prozent und dürfte bis 2050 auf 70 Prozent steigen. Der Bedarf an bezahlbarem Wohnraum ist groß und wird weiter steigen, bereits jetzt wird das Defizit auf mehr als 20 Millionen Wohneinheiten geschätzt. Gleiches gilt für sämtliche Infrastrukturbereiche. Im Budget für das Jahr 2025 sind für Infrastrukturprojekte 3,7 Milliarden US-Dollar (US$) vorgesehen. Daneben fließen Mittel aus dem Infrastructure Corporation of Nigeria, einem öffentlich-privaten Infrastrukturfonds, der im Jahr 2022 gegründet wurde.
Schnelles und kostengünstiges Bauen ist gefragt
Die Kosten für Bauprojekte sind in den letzten beiden Jahren stark gestiegen. Die mehrmalige Abwertung der lokalen Währung Naira hat Importe wie Baustoffe und Maschinen verteuert. Etwa 90 Prozent der Baumaterialien, mit Ausnahme von Zement, werden importiert. Daneben machen hohe Finanzierungskosten – der Leitzins liegt bei 27 Prozent – private Bauprojekte teuer. Gleichzeitig besteht ein großer Mangel an Infrastruktur und erschwinglichem Wohnraum.
Vor diesem Hintergrund gewinnen effiziente Bauweisen zunehmend an Bedeutung. Der Einsatz lokal verfügbarer Materialien wie Laterit, Lehm oder Bambus kann die Baukosten deutlich senken. Geforscht wird zudem zu alternativen Baustoffen wie Reishülsen, die als Dämmstoff oder Holzersatz verwendet werden können, sowie Reishülsenasche als Zementersatz.
Auch modulares und vorgefertigtes Bauen entwickelt sich zu einem wachsenden Markt. Bereits heute kommt es im Wohnungsbau sowie beim Bau von Bildungs- und Gesundheitseinrichtungen zum Einsatz. Studien zufolge können auf diese Weise Bauprojekte um etwa 30 bis 50 Prozent schneller abgeschlossen und dadurch Kosten von bis zu 20 Prozent eingespart werden.
Nachhaltiges Bauen steckt noch in den Kinderschuhen
Grünes Bauen ist bislang ein Nischenmarkt, gewinnt jedoch vor allem in städtischen Gebieten zunehmend an Bedeutung. Dabei sind die Kosten die größten Herausforderungen. Die Verwendung umweltfreundlicher Materialien ist Branchenkennern zufolge im Schnitt 15 bis 30 Prozent teurer als Standardmaterialien. Nähere Informationen zum Thema bietet unser Artikel "Hohe Anfälligkeit für den Klimawandel".
| Projekt | Investitionssumme | Projektstand | Projektträger |
|---|---|---|---|
| Planstadt Eko Atlantic, Lagos | Mehrere Milliarden | Im Bau | Verschiedene |
| Mambilla Hydroelectric Power Station, Taraba State | 5.600 | In Planung | Konsortium aus Gezhouba Group, Sinohydro, und CGCOC Group |
| Badagry Tiefseehafen, Lagos State | 2.500 | In Planung | Konsortium unter Leitung Badagry Port Development |
| U.S. Konsulat in Lagos | 537 | Im Bau | Pernix |
| Lagos-Ibadan Expressway Dualization | 250 | Im Bau | Julius Berger (Phase I) und Reynold Construction (Phase II) |
| Gusau International Airport, Zamfara State | 40 | Im Bau | Triacta |
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Die Unternehmenslandschaft in der nigerianischen Bauindustrie ist vielfältig. Sie umfasst eine breite Palette von Akteuren, die in unterschiedlichen Marktsegmenten tätig sind. Zu den führenden Unternehmen zählt das Bauunternehmen Julius Berger, das große Infrastrukturprojekte realisiert und lange Zeit Marktführer war. Inzwischen sehen Branchenkenner jedoch die China Civil Engineering Construction Corporation als das dominierende Unternehmen im Markt. Zudem bauen libanesische Unternehmen ihre Marktstellung aus. Weitere große Player sind Arab Contractors (Ägyptisch), Reynolds Construction (USA), Setraco (Libanesisch), Bouygues (Französisch) und Cappa d´Alberto (Italienisch).
Vor allem der Infrastrukturbau wird von wenigen großen und internationalen Akteuren dominiert. Gleiches gilt im Hochpreissegment bei Wohnungen und Gewerbeimmobilien. Ansonsten ist der Wohnungsbau stark fragmentiert und von vielen kleinen Anbietern geprägt.
Deutsche Unternehmen wie Knauf und Heidelberg Materials sind vor Ort vor allem im Bereich Baustoffe tätig. Geschäftschancen können sich für deutsche Firmen des Weiteren bei Ingenieurs- und Architekturdienstleistungen und als Zulieferer von Baumaschinen und Werkzeugen ergeben.
Bürokratie und informelle Praktiken sind größte Herausforderungen
Als zentrale Herausforderungen der Branche nennen Unternehmen oft aufwendige und langwierige Genehmigungsverfahren. Teilweise sollen informelle Zahlungen zur Beschleunigung von Genehmigungsverfahren erforderlich sein. Zudem existieren unterschiedliche Regularien in den jeweiligen Bundesstaaten, was die Standardisierung erschwert und regionale Rechtskenntnisse erfordert. Aber auch Fachkräftemangel ist eine Herausforderung für Unternehmen. Es fehlt an qualifiziertem Personal für moderne Bauverfahren und technische Planung.
Alternative Finanzierungsmodelle gefragt
Der Hypothekenmarkt ist kaum entwickelt. Gerade einmal 0,5 Prozent der Nigerianer hatten im Jahr 2021 ein Hypothekendarlehen. Hohe Zinssätze (10 bis 22 Prozent je nach Anbieter und Bonität), geringe Einkommen und regulatorische Hürden erschweren den Zugang zu langfristiger Immobilienfinanzierung. Für Menschen mit geringem Einkommen oder Beschäftigte im informellen Sektor braucht es daher innovative Finanzierungsmodelle. Hier sind Mikrofinanzierungs-, rent-to-own oder gemeinschaftsbasierte Modelle wie kooperative Wohnbaugesellschaften gefragt.