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Wirtschaftsausblick | Nigeria

Wirtschaftskrise ist nur mit weitreichenden Reformen zu lösen

Mit einem teuren Konjunkturprogramm will die Regierung die Wirtschaft ankurbeln. Für einen nachhaltigen Aufschwung ist ein weitsichtiger Maßnahmenkatalog notwendig.

Von Corinna Päffgen | Accra

Top-Thema: Druck auf Regierung steigt 

Derzeit kommt es landesweit zu heftigen Protesten, zu denen mehrere zivilgesellschaftliche Organisationen aufgerufen haben. Die Menschen protestieren gegen die hohen Lebenshaltungskosten und die galoppierende Inflation, die im Juni ein 28-Jahres-Hoch von 34 Prozent erreicht hat.

Im Juli konnte sich die Regierung mit den Gewerkschaften auf die Anhebung des seit 2019 bestehenden monatlichen Mindestlohns von 30.000 Naira (entspricht rund 18,80 Euro) auf 70.000 Naira (rund 39,30 Euro) einigen. Gewerkschaften hatten 500.000 Naira monatlich gefordert. 

Ebenfalls im Juli hat Präsident Tinubu zur Abfederung der gestiegenen Lebenshaltungskosten und Stimulierung der Wirtschaft ein 2 Billionen Naira (1,3 Milliarden US-Dollar, US$) schweres Konjunkturprogramm verkündet. Die Mittel sind für die Schlüsselsektoren Landwirtschaft (500 Milliarden Naira) und Energie (500 Milliarden Naira) vorgesehen. Gelder in Höhe von 350 Milliarden Naira sollen in den Bereich Gesundheit und Sozialfürsorge fließen, weitere 650 Milliarden Naira werden zur allgemeinen Unterstützung von Unternehmen bereitgestellt. Das Programm und weitere Ausgaben für Infrastrukturprojekte sollen über einen 4-Milliarden-Nachtragshaushalt finanziert werden, der sich zur Abstimmung im Parlament befindet.

Die Staatsverschuldung steigt seit Jahren kontinuierlich. Nigeria verwendet einen Großteil seiner Staatseinnahmen für den Schuldendienst, auch wenn der Anteil im Jahr 2023 von fast 100 Prozent auf rund 70 Prozent sank. Neue Kredite, unter anderem bei der Weltbank und Afrixem-Bank, sowie die geplante Ausgabe von Eurobonds in diesem Jahr oder 2025 lassen die Verschuldung weiter wachsen. Die Finanzierung von Subventionen und die Bedienung der explodierenden Schulden wird ohne signifikante Einnahmenzuwächse und Ausgabenkürzungen nicht möglich. Das Verhältnis der Steuern zum Bruttoinlandsprodukt liegt nach Angaben der OECD bei 6,7 Prozent (Stand 2021). Damit liegt Nigeria weit unter dem afrikanischen Durchschnitt von 15,6 Prozent.

Wirtschaftsentwicklung: Wachstum bleibt niedrig

Der Internationale Währungsfonds (IWF) prognostiziert für das Jahr 2024 ein reales Wachstum des Bruttoinlandsprodukts (BIP) von 3,1 Prozent. Die Economist Intelligence Unit (EIU) geht von einer Zunahme von 2,9 Prozent aus. Wachstumstreiber sind vor allem die steigenden Öl- und Gasexporte, die durch eine Erhöhung der Fördermengen ermöglicht werden. Die hohe Inflation, der schwache Naira und eine straffere Geldpolitik (Leitzins: 26,25 Prozent) hemmen ein stärkeres Wachstum. Damit kann Präsident Tinubu das in seiner Antrittsrede postulierte Ziel von einem durchschnittlichen Wachstum von 6 Prozent bis 2027 nicht erreichen.

Die hohe Inflation wirkt sich auf den privaten Konsum aus. Die EIU rechnet mit einem Rückgang der Binnennachfrage um 0,9 Prozent, womit der private Konsum zum dritten Mal in Folge schrumpfen dürfte. Erst ab dem kommenden Jahr sollen die privaten Ausgaben bei nachlassender Inflation wieder leicht steigen.

Besser sieht es für Nigerias Außenhandel aus, vor allem für die Exporte. Die EIU erwartet einen Handelsbilanzüberschuss. Durch die Inbetriebnahme der Dangote-Ölraffinerie dürften die Benzinimporte spürbar zurückgehen. Gleichzeitig werden die Öl- und Gasexporte sowie die Ausfuhr von Düngemitteln durch eine Erhöhung der Produktion angekurbelt.

Die kurz- und mittelfristigen Wirtschaftsaussichten hängen von der vollständigen und erfolgreichen Umsetzung der eingeleiteten Reformen sowie weiterer Maßnahmen ab. 

Die Erhöhung des Steueraufkommens und die Steigerung der Rohölproduktion werden unter anderem im Fokus stehen. Bei der angespannten wirtschaftlichen Lage höhere Steuern durchzusetzen dürfte politisch schwierig sein, insofern hängt eine Wiederbelebung der Wirtschaft von der Öl- und Gasindustrie ab. Der Sektor generiert die meisten Devisen und Staatseinnahmen. Von seiner OPEC-Quote von 1,5 Millionen Barrel pro Tag und im Budget 2024 geplanten Produktion von 1,78 Millionen Barrel ist Nigeria derzeit mit einer Produktion von 1,2 Millionen Barrel noch weit entfernt. Im letzten Jahr ist die Produktion sogar unter 1 Million Barrel gefallen. Gründe dafür sind Diebstahl im großen Stil, marode Infrastruktur, Vandalismus und Desinvestitionen großer Ölkonzerne.

Devisenmangel, steigende Lebensmittelpreise und die hohe Importabhängigkeit – zum Beispiel bei Treibstoffen und Nahrungsmitteln - kann langfristig nur mit der Diversifizierung der Wirtschaft und dem Ausbau der lokalen Produktion begegnet werden. Die Dangote-Raffinerie mit einer Kapazität von 650.000 BArrel kann grundsätzlich einen Großteil der lokalen Nachfrage bedienen, hat aber derzeit mit einigen Herausforderungen zu kämpfen. 

Für die Steigerung der lokalen Nahrungsmittelproduktion sind Investitionen und eine abgestimmte Politik nötig. In den letzten Jahren konnten einige Fortschritte erzielt werden, derzeit kämpfen jedoch viele landwirtschaftliche Betriebe ums Überleben. Die größte Bedrohung für die Nahrungsmittelproduktion ist die zunehmende Unsicherheit durch Kriminelle, Entführungen und Terrorismus, vor allem im landwirtschaftlichen Gürtel Nord- und Zentralnigerias. 

Informationen zu aktuellen geberfinanzierten Projekten bietet die GTAI-Länderseite, Rubrik "Ausschreibungen" und "Entwicklungsprojekte". Informationen zu EU-Binnenmarktausschreibungen bietet GTAI auf ihrer Internetseite an.

Deutsche Perspektive: Unsicherer Blick in die Zukunft

Für deutsche Unternehmen ist Nigeria ein wichtiger Absatzmarkt in Subsahara-Afrika und wichtigster Handelspartner in Westafrika. Nach Angaben des Statistischen Bundesamtes exportierte Deutschland 2023 Waren im Wert von 858,2 Millionen Euro. Damit sind die Exporte im gesamten Jahr gegenüber dem Vorjahr (1,1 Milliarden Euro) um mehr als ein Fünftel zurückgegangen. Der Absatz von Maschinen sank um ein Drittel.

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