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Nigeria steht in der Wasserstoffwirtschaft noch ganz am Anfang

Die Produktion von blauem Wasserstoff könnte in Nigeria Potenzial haben. Die grüne Variante fällt bei Experten aber durch. Anfang September kommt eine nigerianische Wasserstoffdelegation.

Von Ulrich Binkert | Bonn

Die Wasserstoffwirtschaft ist Thema für eine Delegation aus Nigeria, die in der 1. Septemberwoche 2023 Deutschland besucht. Unter den knapp 20 vertretenen Institutionen finden sich unter anderem der regionale Stromversorger Ibadan und die Firma Aqua Infrastructure Investment. Der Veranstalter der vom Bundeswirtschaftsministerium geförderten Informationsreise verweist unter anderem auf Pläne der Regierung Nigerias, die den Aufbau von Kapazitäten zur Herstellung von Wasserstoff vorsehen.

Bislang hat das Land noch keine nennenswerten Investitionen in der Wasserstoffwirtschaft angestoßen, wie eine aktuelle Studie der Deutschen Gesellschaft für Internationale Zusammenarbeit (GIZ) feststellt. Die Studie, die der GTAI vorliegt, wurde von der Hamburger GFA Consulting verfasst und beschäftigt sich mit den politischen und regulatorischen Rahmen für eine Wasserstoffwirtschaft in Nigeria. Außerdem werden detaillierte Pläne und relevante Institutionen in dem westafrikanischen Land vorgestellt.

Technikanbieter kennen keine H2-Projekte in Nigeria

Auch Christopher Frank kennt bislang keine Vorhaben oder konkrete Investitionsinteressen privater Firmen in Nigerias Wasserstoffsektor. Frank, der beim Anlagenbauer Thyssenkrupp Uhde die Geschäfte in Asien und Afrika entwickelt, sieht in Afrikas größter Volkswirtschaft trotzdem Potenzial zur Erzeugung von blauem Wasserstoff, und zwar in Form von exportfähigem Ammoniak. Grundlage dieser Version des Energieträgers ist Erdgas, das in Nigeria reichlich vorhanden ist. Thyssenkrupp Uhde in Dortmund baut Anlagen für die Produktion sowohl von Ammoniak als auch von Folgeprodukten daraus.

Deutlicher wird in Nigerias Wirtschaftsmetropole Lagos ein Technikanbieter, der in anderen Ländern auch bei Wasserstoffprojekten mitmischt. Er kennt in Afrikas größter Volkswirtschaft ebenfalls kein Vorhaben in dem Bereich. "Die teure Produktion von Wasserstoff ergibt überhaupt keinen Sinn in einem Land, das viel Öl und Gas hat und wo es keine Energiesicherheit gibt", sagt der Manager, der auf die unsichere Stromversorgung im Land anspielt.

Keine Grundlage für grünen Wasserstoff

Für grünen, also aus Wind- oder Solarstrom erzeugten Wasserstoff, sieht auch Christopher Frank von Thyssenkrupp Uhde keinerlei Basis in Nigeria. Und dies nicht nur wegen der Konkurrenz durch das vorhandene Erdgas. "In Südnigeria hat man eher Streulicht, im Norden ist die Sicherheit ein Problem. Und in Windatlanten schneidet das ganze Land recht schlecht ab." Marokko, Mauretanien, Ägypten, Südafrika oder Namibia seien hierfür deutlich besser positioniert.

Auch Thyssenkrupp Nucera hat keine Hinweise auf Projekte oder Investitionen für grünen Wasserstoff in Nigeria. Die Abspaltung des Ruhrkonzerns sieht sich als größter deutscher Anbieter von Elektrolyseuren, den Anlagen also, die Strom in Wasserstoff umwandeln. Thyssenkrupp Nucera zählt sich allerdings auch nicht zu den Unternehmen, die Wasserstoffprojekte entwickeln. Die Dortmunder bieten sich vielmehr bei bestehenden Vorhaben als Techniklieferant an.

Grüner Wasserstoff bis zu sechsmal teurer als blauer

Hinsichtlich der Produktionskosten zeigt das in Nigeria ansässige Clean Technology Hub auf Daten des H2-Atlas. Demnach ist grüner Wasserstoff in dem westafrikanischen Land bis zu sechsmal teurer als blauer Wasserstoff. Die Organisation sieht dies auch als Grund, warum der staatliche Nigerian Energy Transition Plan der grünen Variante erst ab 2030 eine Rolle zuweise.

Christopher Frank verweist auf generell deutlich höhere Investitionskosten grüner gegenüber blauer Vorhaben. Der Manager von Thyssenkrupp Uhde vergleicht dabei das Neom Green Hydrogen-Projekt in Saudi-Arabien mit blauen Projekten in den Fracking-Gebieten der USA. Die Ausbringungsmenge sei bei 3.000 gegenüber 3.500 Tonnen Ammoniak pro Tag vergleichbar. Die Kosten unterscheiden sich dagegen stark: 8,4 Milliarden US-Dollar (US$) versus 2,5 bis 3 Milliarden US$.

Projektkosten blau versus grau

Laut Christopher Frank sind die Projektzusatzkosten bei blauem gegenüber grauem Wasserstoff nicht groß. Und er verweist auf Faktoren, die "graue" Vorhaben verteuern würden. So seien Finanziers für solche klimaschädlichen Produktionen schon jetzt nur noch schwer zu finden. Außerdem erwartet der Uhde-Manager längerfristig Maßnahmen der Politik, die - Stichwort Greenhouse Footprint von Endprodukten - grauen Wasserstoff zusätzlich verteuern beziehungsweise die anderen Varianten verbilligen.

Als Voraussetzung für den relativ geringen Kostenunterschied von "blauen" zu "grauen" Projekten nennt Frank allerdings die Existenz von Lagerstätten, um das CO2 entsorgen zu können. Höhere Kosten ergäben sich bei der blauen Variante außerdem dann, wenn man Rohre und andere Infrastruktur zur Abtrennung und Entsorgung des CO2 installieren müsste. Ob diese geologischen Voraussetzungen in Nigeria gegeben sind, ist Frank nicht bekannt. Dies müsse sicherlich noch näher untersucht werden.

Zu grünem Wasserstoff hat es in den letzten Jahren weltweit einige Projektankündigungen gegeben. Für zum Teil gigantisch anmutende Projekte in Kenia und Dschibuti hat beispielsweise das australische Unternehmen Fortescue (FFI) Absichtserklärungen unterzeichnet. Für Nigeria ist von solchen Absichten seitens FFI nichts bekannt.

Deutschland hat mit Nigeria seit 2008 eine Energiepartnerschaft. Im Jahr 2021 wurde in der Hauptstadt Abuja ein "Hydrogen Diplomacy Office" eingerichtet, das Know-how und Analysen bereitstellen sowie Beteiligte vernetzen soll. Die GIZ betreibt das Büro in Nigerias Hauptstadt inzwischen unter dem Namen German-Nigerian Hydrogen Office.

"Graues" und "blaues" Ammoniak als Wasserstoffträger

Integrale Bestandteile von Ammoniak sind Wasserstoff und Stickstoff. Bei "grauem" und "blauem" Ammoniak wird Methan, aus dem Erdgas meist überwiegend besteht, in Wasserstoff, Kohlenmonoxid und Kohlendioxid aufgespalten. Da sich Kohlenmonoxid nicht wirtschaftlich abtrennen lässt, wird es zunächst in Kohlendioxid umgewandelt und dann annähernd komplett abgetrennt.

Bei "blauem" Ammoniak trennt man auch das Kohlendioxid ab, das bei der Verbrennung in erdgasbefeuerten Öfen wie dem sogenannten Steam Reformer entsteht. In einem weiteren Schritt verpressen die Hersteller das Klimagas in ausgedienten Öl- oder Gaslagerstätten oder entsorgen es anderweitig klimaunschädlich.

Ammoniak dient derzeit überwiegend der Gewinnung von Düngemitteln. Es dürfte aber als gut zu transportierender Wasserstoffträger künftig eine bedeutende Rolle als Transportmedium für Energie und als Schiffstreibstoff spielen. Der in Ammoniak enthaltene Wasserstoff kann in den Abnehmermärkten bei der Produktion von Stahl und einer Vielzahl anderer Prozesse eingesetzt werden.


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