Branche kompakt | Nigeria | Kfz-Industrie
Zwischen Krise und Innovation
Der Automobilmarkt steht unter Druck, bietet aber mittelfristig großes Potenzial. Entscheidend sind die rechtlichen Rahmenbedingungen und Investitionen.
21.08.2025
Von Corinna Päffgen | Accra
Ausblick der Kfz-Branche in Nigeria
Bewertung:
- Die Branche kämpft mit hoher Abhängigkeit von Importen und Gebrauchtwagen sowie schwächelnder Nachfrage nach Neuwagen.
- Internationale Investoren halten sich aufgrund eines fehlenden gesetzlichen Rahmens zurück.
- Großer politischer Wille zum Ausbau der lokalen Fertigung und zum Aufbau einer Zulieferindustrie.
Anmerkung: Einschätzung der Autorin für die kommenden zwölf Monate auf Grundlage von prognostiziertem Umsatz- und Produktionswachstum, Investitionen, Beschäftigungsstand, Auftragseingängen, Konjunkturindizes etc.; Einschätzungen sind subjektiv und ohne Gewähr; Stand: August 2025.
Markttrends
Nigeria zählt zu den dynamischsten und gleichzeitig herausforderndsten Märkten Afrikas. Mit über 230 Millionen Einwohnern, einer wachsenden Mittelschicht und einem geringen Motorisierungsgrad von etwa 51 Fahrzeugen pro 1.000 Personen (Stand 2020: 214 Millionen Einwohner) weist Nigerias Automobilbranche ein enormes Potenzial auf.
Dominiert wird der Markt von importierten Gebrauchtwagen. Insgesamt werden jährlich zwischen 400.000 und 720.000 Autos verkauft, davon sind rund 70 Prozent Gebrauchte. Mit 9.000 bis 14.000 Einheiten pro Jahr werden weniger als 5 Prozent der verkauften Fahrzeuge lokal gefertigt, der Rest wird vor allem aus den USA, VAE, Italien und Japan importiert.
Nach Angaben des Marktforschungsunternehmens CEIC gibt es in Nigeria etwa 11,6 Millionen registrierte Fahrzeuge (Stand 2020). Die genaue Größe des nigerianischen Fahrzeugmarktes lässt sich jedoch nur schwer bestimmen, unter anderem wegen fehlender aktueller und verlässlicher Daten, Grauimporten und Fahrzeugschmuggel.
Nachfrage leidet unter schwieriger Wirtschaftslage
Die Aussichten für die Branche für das Jahr 2025 sind aufgrund einer geringen Nachfrage schlecht. Lokale Hersteller haben Medienberichten zufolge im 1. Halbjahr Einbrüche von fast 20 Prozent erlitten. Zudem sind die Fahrzeugimporte im Jahr 2024 um mehr als 50 Prozent zurück gegangen. Branchenkenner rechnen aufgrund der schwierigen wirtschaftlichen Rahmenbedingungen mit hoher Inflation und hohen Zinsen mit einem weiteren Rückgang für das laufende Jahr.
Mittelfristig sind die Aussichten aufgrund der langsamen Stabilisierung der Wirtschaft deutlich besser. Branchenkenner halten den Verkauf von 1 Million Fahrzeugen und eine lokale Produktion von 200.000 bis 300.000 Einheiten pro Jahr für realistisch. Zum Vergleich: Im Jahr 2017 wurden 350.000 Fahrzeuge lokal gefertigt.
Regierung hat große Pläne für Elektromobilität
Obwohl E-Fahrzeuge in Nigeria seit 2018 am Markt erhältlich sind, beträgt der Marktanteil mit 15.000 bis 20.000 Fahrzeugen weniger als ein Prozent (Stand 2025). Die geringe Nachfrage liegt vor allem an hohen Anschaffungskosten, einer unzureichenden Ladeinfrastruktur und unzuverlässiger Energieversorgung.
Die lokale Fertigung hat nur einen geringen Anteil, so produziert Hyundai den Hyundai Kona Electric und die lokalen Hersteller Innoson und Jet Motor Company ihre eigenen Elektroauto-Marken. Beliebt sind vor allem die Modelle Tesla Model 3, Hyundai Kona Electric, Nissan Leaf und BMW i4.
Mit dem National Action Plan for the Development of Electric Vehicles (EVDP) legt die Regierung ehrgeizige Ziele für die Entwicklung der Elektromobilität fest. Bis 2032 soll der Anteil von E-Autos an den lokal produzierten Fahrzeugen 30 Prozent betragen. Der Energy Transition Plan (ETP) sieht zur Senkung der Treibhausemissionen und zur Erreichung der Klimaneutralität bis 2060 einen Anteil von Elektrofahrzeugen von 60 Prozent bis 2050 und bis 2060 von 100 Prozent an den Gesamtverkäufen (neu und gebraucht) vor.
Korrespondierend ist der landesweite Ausbau der Ladeinfrastruktur vorgesehen. Bis Ende des Jahres 2025 sollen 1.000 vorwiegend solarbetriebene Ladestationen entstehen, wobei der Fokus auf urbanen Zentren wie Lagos, Abuja und Port Hartcourt liegt.
Branchenstruktur und Rahmenbedingungen
Für die Entwicklung des Sektors hat die Regierung im Jahr 2014 den Nigerian Automotive Industry Development Plan (NAIDP) verabschiedet und im Jahr 2023 an geänderte Rahmenbedingungen wie die panafrikanische Freihandelszone und Elektromobilität angepasst. Verantwortlich für die Umsetzung der Auto-Policy ist das National Automotive Design and Development Council (NADDC). Zentrale Ziele sind die Steigerung der lokalen Produktion, der Ausbau der lokalen Komponentenfertigung und die Förderung der Elektromobilität.
Zentrales Ziel | Beschreibung | Maßnahmen |
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Ausbau der Produktion | Aufbau einer Produktionskapazität von 200.000 Fahrzeugen jährlich |
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Local-Content (lokaler Wertschöpfungsanteil) | Erhöhung des Anteils lokal produzierter Komponenten auf mindestens 40 Prozent; local-content ist Voraussetzung für Ursprungsregeln unter der AfCFTA |
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Elektromobilität | 30 Prozent der lokal produzierten Fahrzeuge sollen bis 2032 elektrisch sein |
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Industrieinfrastruktur | Entwicklung von Automotive Industrial Parks, Testzentren und Schulungszentren zur Unterstützung der lokalen Fertigung |
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Technologietransfer | Förderung technischer Kompetenz und Wertschöpfung im Land |
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Investitionsförderung | Schaffung eines stabilen regulatorischen Rahmens zur Anziehung ausländischer und lokaler Investoren |
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Nachhaltigkeit und Innovation | Integration von grüner Technologie, Förderung von Forschung und Entwicklung |
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Viele ungenutzte Produktionskapazitäten
Es gibt über 30 unter dem NAIDP lizenzierte Autohersteller in Nigeria, davon mit Toyota, Honda, Hyundai, Tata und Sinotruck jedoch nur wenige OEMs. Die meisten Unternehmen montieren für ausländische Hersteller wie Peugeot, Ford und KIA importierte SKD-Bausätze (semi knocked down) vor Ort. Hersteller der wenigen lokalen Marken sind beispielsweise Innoson, Proforce und Jet Motor Company. Die installierten Kapazitäten der Montagewerke betragen fast 300.000 Einheiten pro Jahr, sind aber mit einer jährlichen Produktion von 9.000 bis 14.000 Einheiten nur zu rund 5 Prozent ausgelastet.
Internationale Investoren warten auf einen gesetzlichen Rahmen
Internationale OEMs haben schon lange Interesse am nigerianischen Automobilmarkt, halten sich jedoch mit großen Investitionen meistens zurück. Die Gründe dafür sind vielfältig, als Hauptgrund wird jedoch oft der fehlende gesetzliche Rahmen angeführt. So hat Volkswagen in diesem Jahr Medienberichten zufolge sein Interesse an Nigeria erneut bekräftigt. Der Aufbau einer eigenen Produktion hängt allerdings für VW und weitere OEMs davon ab, dass es eine gesetzlich verankerte Auto-Policy gibt. Nur so kann es ausreichende Stabilität und Planungssicherheit für Investitionen geben.
Lokale Zulieferindustrie steckt noch in den Kinderschuhen
Nigeria bezieht den Großteil der benötigten Autoteile aus dem Ausland. Im Jahr 2024 wurden KfZ-Teile (HS-Code 8708) für 590 Millionen US-Dollar importiert. Nur wenige Komponenten werden lokal gefertigt, so produziert Nord Automobiles eigene Kunststoffteile für Karosserie und Innenraum. Großes Potenzial bietet die Produktion von Reifen. Seit der Schließung der Werke der Unternehmen Dunlop und Michelin in den Jahren 2006 und 2008 und dem Rückzug weiterer Unternehmen existiert praktisch keine lokale Produktion mehr. Der Bedarf wird vom NADDC auf rund 6 Millionen Reifen pro Jahr geschätzt. Im Aufbau befindet sich zudem die Produktion von Batterien. Die dafür relevanten Rohstoffe wie Kautschuk, Kupfer, Mangan und Lithium sind lokal verfügbar.
Hersteller | Standort | Produkte | Anmerkungen |
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Innoson Vehicle Production (IVM) | Nnewi, Anambra State | Busse, Pick-ups, Pkw, SUV, Trikes | erster lokaler Hersteller |
Nord Automobiles | Lagos | Pkw, Pick-ups, SUV | Montage für Jiangsu Joylong und Boaneng |
Dangote Peugeot | Kaduna | Pkw | Dangote hat 2022 Anteile an Peugeot übernommen |
Jet Motor Company | Epe, Lagos State | Elektro-Busse, Krankenwagen und Transporter | Fokus auf Elektromobilität; Kooperation mit GIG Logistics |
Proforce | Ishara, Lagos State | Gepanzerte Fahrzeuge (Mine Resistance Armored Protected Vehicles, MRAPs); Patrouillenboote | Zulieferer für nigerianisches Militär; exportiert in Länder in Westafrika |
Phoenix Renewables | Maiduguri, Borno State; Abuja | Solarbetriebende Fahrzeuge | Nachhaltige Mobilitätslösungen |
OMAA | Igbo-Ukwu, Anambra State | Minibusse mit Benzin, Erdgas (CNG), Dual-Fuel | Fokus auf alternative Antriebe |
Stallion Group | Lagos | Pkw, Trucks, Minibusse, SUV | Montage für Nissan, Honda, Changan u.a. |