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Branchen | Norwegen | Medizintechnik

Marktentwicklungen und -trends

Die großangelegten Krankenhausinvestitionen erhalten zusätzliche Mittel. Auch andere Baustellen bedürfen Zuwendung: Hausarztmangel, Psychologie oder Effizienz.

Von Michał Woźniak | Stockholm

Der norwegische Markt für Medizintechnik hat ein geschätztes Volumen von jährlich etwa 3 Milliarden Euro. Nahezu die Hälfte des Bedarfs wird dabei von Importen gedeckt. Diese könnten 2022 nochmal sichtlich zulegen. Nach den ersten zehn Monaten des Jahres ergab sich gegenüber dem gleichen Zeitraum 2021 ein Zuwachs von etwa 10 Prozent. Zu den wichtigsten Lieferanten zählen neben Deutschland auch China, die USA, Schweden sowie das Vereinigte Königreich.

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Die Bedürfnisse steigen stetig

„Wir wollen eine Gesellschaft, in der möglichst viele Menschen eine gute Lebensqualität erfahren. Eine Strategie für Lebensqualität gibt uns die Grundlage für wirksame Maßnahmen, die den Bedürfnissen der Bürgerinnen und Bürger entsprechen“, sagt Ministerin für Gesundheit und Pflege Ingvild Kjerkol. Diese sollen besser erfasst werden und darauf aufbauend „politische Maßnahmen entwickelt werden, die darauf ausgerichtet sind, was die Bewohner als wichtig für ihre Lebensqualität erachten“, so die Ministerin. Im Sinne der Gesundheitspolitik werden dabei voraussichtlich Präventionsmaßnahmen sowie eine weitere Angleichung des Dienstleistungsportfolios und der -qualität landesweit im Vordergrund stehen. Die Strategie, die von einer Arbeitsgruppe erstellt wird, die aus Vertretern der nationalen Gesundheitsbehörde des Volksgesundheitsinstituts sowie des Statistikamtes SSB besteht, soll im Spätfrühling 2023 vorgelegt werden.

Zusätzliche Mittel werden 2023 auch für Krankenhäuser zur Verfügung gestellt. Neben zusätzlicher etwa 240 Millionen Euro für Behandlungen, wurden mit knapp 1 Milliarde Euro im Jahresvergleich etwa ein Drittel mehr Mittel für Investitionen veranschlagt. Laut Angaben der Regierung werden aktuell 22 Investitionsvorhaben durchgeführt, deren gesamter Kostenrahmen auf nahezu 7 Milliarden Euro geschätzt wird. Die Spanne reicht dabei von einer neuen Psychiatrieabteilung in Sørlandet für etwa 60 Millionen Euro bis zum Megaprojekt des Universitätskrankenhauses in Oslo für knapp 3 Milliarden Euro.

Mangel an Fachkräften ist groß

Wie in den meisten Ländern hat sich auch in Norwegen der Fachkräftemangel in den gesundheitsrelevanten Sektoren in den letzten Jahren deutlich zugespitzt. Das Gesundheits- und Pflegewesen wies in den ersten drei Quartalen 2022 laut SSB durchschnittlich knapp 17.500 unbesetzte Stellen auf. Das waren um ein Fünftel mehr als 2021 und fast um die Hälfte mehr als im Durchschnitt der 2010er Jahre. Erst im Oktober dieses Jahres publizierte die Gesundheitsbehörde Daten, nach denen sich die Wartezeiten auf einen Facharzttermin deutlich verlängert haben. Zwischen April und Juni lagen sie mit durchschnittlich 66 Tagen etwa 6 Tage über dem Wert aus dem gleichen Zeitraum 2021.

Um die Engpässe zumindest teilweise abzubauen, verlängerte die Regierung abermals die zu Beginn der Coronapandemie etablierten Ausnahmen für bestimmte Kompetenzanforderungen für Allgemeinmediziner. So können für solche Funktionen bis Ende 2023 und nur, falls keine geeigneten Kandidaten verfügbar sind, auch Personen eingestellt werden, die keine Fachärzte für Allgemeinmedizin sind oder sich noch in der entsprechenden Weiterbildung (LIS1) befinden.

Zusätzlich wird 2023 die Förderung des ALIS-Ausbildungssystems für Hausärzte auf 40 Millionen Euro verdoppelt. Die Hoffnung ist, mit besserer Langzeitplanung mehr Fachkräfte für die Spezialisierung gewinnen zu können. Weitere knapp 50 Millionen Euro sollen zusätzlich ab dem 1. Mai 2023 für die Finanzierung der Hausarztpraxen zur Verfügung stehen. Die Mittel sollen vor allem dafür verwendet werden, dem Einzelpatienten mehr Zeit zu widmen - entweder durch höhere Einzelerstattung oder Mittel für die Einstellung zusätzlicher Mitarbeiter. Dem vorausgehen wird eine Nachjustierung des Hausarztsystems, die die Regierung zusammen mit dem Regionenverband KS sowie der Ärztekammer abstimmen will. Auch hier steht der gleiche Zugang für alle im Vordergrund, wie Ministerin Kjerkol erklärt: „Wir akzeptieren keine Entwicklung, bei der die Zahlungsbereitschaft des Einzelnen zunehmend Vorteile wie eine schnellere oder bessere Gesundheitsversorgung mit sich bringt. Ein tragfähiges Hausarzt-System ist wichtig, um weitere Privatisierungen zu verhindern“.

Daraus folgt die Abschaffung der Möglichkeit der sogenannten freien Behandlungswahl (FBV). Das System der durch die norwegische Gesundheitswirtschaftsadministration Helfo zugelassenen Privatunternehmen zur Erbringung spezialisierter Gesundheitsleistungen, die aus Staatsmitteln bezahlt werden, hat die formulierten Ziele nicht erreicht. So konnten weder Wartezeiten verkürzt, noch die Effizienz gesteigert werden, heißt es von offizieller Seite. Ganz im Gegenteil, die Kosten seien seit der Einführung exponentiell gestiegen – zwischen 2016 und 2021 nahezu um das zehnfache. „Die Beendigung des Anerkennungsverfahrens bedeutet nicht, dass weniger Ressourcen für den Fachärztlichen Dienst zur Verfügung stehen, sondern dass die regionalen Gesundheitsorganisationen den Ressourceneinsatz besser steuern können. Gleichzeitig bleiben private Dienstleistungen weiterhin wichtiger Bestandteil unseres Gesundheitsdienstes. Zukünftig wird die Zusammenarbeit aber durch langfristige Vereinbarungen geregelt“, unterstrich die Gesundheitsministerin Ende Oktober.

Kampf gegen die psychische Belastung

Neben des zu Corona-Zeiten noch akuter gewordenen Fachkräftemangels wurden Maßnahmen zur Beschaffung von Impfstoffen und Hilfsmitteln ergriffen. So wurden alleine im Staatshaushalt 2023 knapp 20 Millionen Euro für den Kauf von Vakzinen bewilligt. Ferner beteiligt sich das Land sowohl an der nordischen Initiative zur Entwicklung und Herstellung von Impfstoffen, als auch an ähnlichen Vorhaben der Europäischen Union (EU).

Nicht zuletzt durch die Coronapandemie ist auch die psychische Gesundheit noch stärker ins Augenmerk gerückt. Entsprechend sollen Maßnahmen vor allem für Kinder und Jugendliche, aber auch für schwerwiegende Fälle und Drogenabhängige verstärkt werden. Im Jahr 2023 werden zusätzliche jeweils etwa 15 Millionen Euro für entsprechende Versorgung in Gesundheitszentren und Schulen sowie in Krankenhäuser fließen. Bereits seit Mitte 2022 läuft in diesem Zusammenhang die Kampagne „ABC für psychische Gesundheit“ (das ABC steht für: Act, Belong, Commit, also Handeln, Dazugehören, Engagieren). Zusätzlich soll im Laufe 2023 ein Aktionsplan für psychische Gesundheit vorgestellt werden. „Jeder muss Zugang zu gleich guten Dienstleistungen haben, unabhängig von Adresse und Geldbeutel. Hilfe muss zugänglicher und näher an den Menschen werden“, umriss die Gesundheitsministerin Kjerkol die Hauptziele. Für die Sicherstellung der Ziele werden die Kommunen verantwortlich sein.

Kunde Staat ist König

Der Aufbau des norwegischen Gesundheitssystems gestaltet sich analog zu den beiden skandinavischen Nachbarn. Durch das Sozialversicherungsgesetz haben alle Einwohner das Anrecht auf eine kostenlose Gesundheitsversorgung. Diese wird über Steuern sowie entsprechende Abgaben der Arbeitnehmer und -geber finanziert. Auf zentraler Ebene werden die Gesundheitspolitik gestaltet, Mittel verteilt sowie die Krankenhäuser verwaltet. Die spezialisierte Gesundheitsversorgung obliegt vier sogenannten Regionalen Gesundheitsbehörden (RHF), die diese über 27 Gesundheitsbetriebe gewährleisten. Für die Organisation der Grundversorgung, Pflege, psychologischen Behandlung sowie Prävention sind auf ihrem Gebiet wiederum die 356 Kommunen zuständig.

Entsprechend ist der Staat auch der größte Auftraggeber. In seinem Budget sind für 2023 etwa 26 Milliarden Euro für die Gesundheitspflege festgeschrieben. Von den RHF ist die Region Süd-Ost mit Oslo der größte Nutznießer, 7 Milliarden Euro. Die restlichen drei Gesundheitsbehörden erhalten zwischen etwa 1,6 Milliarden Euro und 2,5 Milliarden Euro.

Zeitgleich wurden zusätzliche Mittel in Höhe von knapp 250 Millionen Euro für das Krankenhaussystem für 2022 zugeteilt. Die in die Verluste geratenen Einrichtungen kündigten angesichts der Finanzlage im September Investitionsverzögerungen und -aufschübe an. Die Regierung hofft, dass die Sonderzahlung bei der planmäßigen Realisierung helfen wird.

Aktuelle Investitionsvorhaben im Gesundheitssektor in Norwegen (Investitionssumme in Millionen Euro)

Projekt

Investitionssumme

Anmerkung

Internetadresse

Ausbau Neues Landeskrankenhaus in Oslo

1.905

100.000 qm Nutzfläche; Projektbewilligung wird am 16.12.2022 erwartet

Helse Sør-Øst

Ausbau Krankenhaus Nye Aker

1.424

35.000 qm Nutzfläche; Projektbewilligung wird am 16.12.2022 erwartet

Helse Sør-Øst

Neubau Klinik für psychische Gesundheit und Suchterkrankungen, Åsgård

224

18.900 qm, 128 Betten; Konzept wartet auf Bewilligung von Helse Nord

Universitätskrankenhaus Nord-Norwegen

C-Flügel des Krankenhauses in Breivika

k.A.

Konzeptphase im Herbst 2022 gestartet

Universitätskrankenhaus Nord-Norwegen

Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest

Gesundheitswesen soll effizienter werden

Die Entwicklung des norwegischen Gesundheitssektors folgt mehrjährigen Strategiedokumenten der Regierung. Dazu zählen maßgeblich der Nationale Gesundheits- und Krankenhausplan 2020-2023 sowie die Nationale E-Health-Strategie 2017-2022. Eigentlich sollte die letztere längst eine Neufassung erhalten haben, die ab 2023 gelten würde. Nach dem Ende der öffentlichen Konsultationen Anfang Oktober dauert das Feintuning allerdings noch an.

In der Zwischenzeit waren allerdings weitere Projekte vorgestellt, die aktuelle Probleme im Gesundheitssystem angehen sollen. Dazu zählt eine Ende August 2022 von der Regierung beauftragte Organisationsuntersuchung. Demnach sollen Aufgaben und Zuständigkeiten zentraler Institutionen des Gesundheitswesens - der nationalen Gesundheitsbehörde, des Volksgesundheitsinstituts, der Arzneimittelbehörde, der E-Health-Behörde sowie der Atomsicherheitsbehörde - überprüft werden. „Basierend auf einem Mapping wird das Projekt beurteilen, ob Änderungen in der Organisation, Rollen und Verantwortlichkeiten erforderlich sind, um Doppelarbeit zu vermeiden“, erklärte Gesundheitsministerin Ingvild Kjerkol. Besonders im Fokus sollen die Themenbereiche Vorsorge und Digitalisierung stehen. Nach der für spätestens Mitte Februar 2023 geplanten Fertigstellung des Berichts könnte eine Reorganisierung folgen.

Ein weiterer Ausschuss soll die staatliche zahnärztliche Versorgung unter die Lupe nehmen. „Die Regierung will einen schrittweisen Ausbau des öffentlichen zahnmedizinischen Dienstes mit dem Ziel, ihn mit anderen Gesundheitsdiensten anzugleichen“, so Kjerkol. Möglich seien beispielsweise der Ausbau des kommunalen Zahnarztdienstes, Leistungen für zahnärztliche Behandlungen über die gesetzliche Krankenversicherung oder in den fachärztlichen Dienst integrierte zahnärztliche Dienste.

Rahmendaten zum Gesundheitssystem in Norwegen

Indikator

Wert

Einwohnerzahl (1.1.2022 in Mio.)

5,4

Bevölkerungswachstum (2021 in % p.a.)

0,6

Altersstruktur der Bevölkerung (2021)

  Anteil der unter 15-Jährigen (in %)

17

  Anteil der über 64-Jährigen (in %)

18

Durchschnittliche Lebenserwartung bei Geburt (2021 in Jahren)

83,2

Durchschnittseinkommen (2021 in Euro, Bruttomonatslohn)*

4.997

Gesundheitsausgaben pro Kopf (2021 in Euro)*

7.600

Anteil der Gesundheitsausgaben am BIP (2021 in %)

10,1

Ärzte/100.000 Einwohner (2021)

518

Zahnärzte/100.000 Einwohner (2021)

93

Krankenhausbetten/100.000 Einwohner (2020), davon

340

  privat

81

  öffentlich

263

* EZB-Umrechnungskurs 2021: 1 Euro = 10,1633 nkrQuelle: Norwegisches Statistikamt SSB 2022; OECD 2022

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