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Wirtschaftsumfeld | Ostasien | Verschuldung

Was bedeutet die hohe Verschuldung für Ostasiens Entwicklung?

Trotz hoher Schuldenstände in Ostasien bleiben Experten weitgehend entspannt. Unternehmen sollten die langfristige Entwicklung für ihre Strategie im Blick behalten.

Von Christina Otte | Bonn

Im April 2025 kamen Zentralbänker unter der Ägide der Weltbank und der Vereinten Nationen im japanischen Chiba zusammen – ihre Sorge galt der wachsenden Verschuldung in der Region Ostasien und Pazifik. Ostasien ist wirtschaftlich hoch dynamisch und von geopolitischer Bedeutung. Gleichzeitig investieren die Länder massiv in den Umbau ihrer Wirtschaft, in Forschung und Entwicklung und haben eine rasch alternde Bevölkerung, sodass auch Gesundheitsausgaben steigen. 

Die Verschuldung einzelner Länder birgt ein potenzielles Risiko für die gesamtwirtschaftliche Stabilität. Während Japan die höchste Verschuldung der Region aufweist, bereiten in China der rasche Anstieg und die Intransparenz besondere Sorgen. Für Unternehmen sind strategische Weichenstellungen der Regierungen wichtig, zum Beispiel wenn ausufernde Schulden im chinesischen Immobilienmarkt bereinigt werden und Investitionen daraufhin einbrechen. Auf der anderen Seite kann ein verändertes Wirtschaftsmodell mit mehr sozialer Sicherung und höhere Altenpflegeausgaben Chancen für neue Produkte bieten. 

Japan mit Rekordverschuldung

Japan weist mit Abstand die höchste Staatsverschuldung weltweit unter Industrie- und Schwellenländern auf. Laut aktuellen Angaben des Internationalen Währungsfonds von 2025 lag die staatliche Schuldenquote Japans im Jahr 2024 bei 236 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP). Damit übertrifft Japan nicht nur seine ostasiatischen Nachbarn, sondern auch die USA (122 Prozent des BIP) und Deutschland (circa 63 Prozent) deutlich. 

Die Ursachen für Japans hohe Verschuldung sind vielfältig: Jahrzehntelange Konjunkturprogramme, eine alternde Bevölkerung mit hohen Sozialausgaben und eine expansive Geldpolitik haben zu einem strukturellen Defizit geführt. Trotz der enormen Schuldenlast gilt Japan aufgrund seiner stabilen Finanzmärkte bislang nicht als akut gefährdet. Außerdem wird ein Großteil der Schulden inländisch gehalten. 

"Sowohl China als auch Japan weisen hohe Verschuldungsquoten auf, unterscheiden sich aber deutlich im Umgang damit."

Gleichzeitig warnte der ehemalige Premierminister Shigeru Ishiba im Mai 2025 vor der schlechten Staatsfinanzlage des eigenen Landes. Zwar ist Japans Schuldenquote im Vergleich zu den Höchstständen während und vor der Coronapandemie zurückgegangen. Der Hauptgrund ist die Rückkehr der Inflation. Langfristige Druckfaktoren wie höhere Zinszahlungen, wachsende altersbedingte Kosten sowie erhöhte Ausgaben für Verteidigung dürften den Trend nicht umkehren. Manche warnen, dass Japans schrumpfende und alternde Bevölkerung nicht auf Dauer als Stabilitätsanker für die Staatsschulden fungieren kann. 

Gesamtverschuldung in China schwer zu fassen

In China liegt die offizielle Staatsverschuldung mit 88 Prozent am BIP deutlich unter der Japans. Allerdings ist die tatsächliche Quote schwer zu beziffern, da viele Schulden auf subnationale Ebenen wie Provinzen und Kommunen verteilt sind und über sogenannte "Local Government Financing Vehicles" (LGFV) verschleiert werden. Der IWF beziffert die erweiterte Staatsschuldenquote Chinas inklusive der LGFVs mit 129 Prozent am BIP im Jahr 2024.

Hinzu kommen hohe Unternehmensschulden. Die Bank of International Settlements (BIS) schätzt die Gesamtverschuldung – inklusive Haushalten und Unternehmen – zum Ende des 1. Quartals 2025 auf 292 Prozent am BIP. Dies stellt eine Verdopplung gegenüber der globalen Finanzkrise 2008 dar. 

Der Kollaps des größten Immobilienentwicklers Evergrande löste 2021 die bis dato größte Schuldenkrise des Landes aus. Zu ihrer Bewältigung seien jedoch strukturelle Reformen notwendig, stellt Gero Kunath in einer Studie des IW Köln vom Juli 2025 fest. Die Reformen müssten die Abdeckung und den Umfang der öffentlichen Sozialleistungen sowie die Bereitstellung von Finanzinstrumenten für die private Absicherung verbessern.

"Kurz- und mittelfristig stellen die hohen Schuldenstände in Japan und China kein akutes systemisches Risiko dar."

Außerdem steht die Regierung immer stärker vor der Herausforderung, einerseits so umfangreich wie wohl kein anderes Industrieland Zukunftstechnologien zu fördern und andererseits die soziale Absicherung der rasch alternden Bevölkerung zu finanzieren. Laut einem Bericht der chinesischen Zentralbank vom August 2025 stand im Jahr 2016 der Immobilien- und Infrastruktursektor noch für 60 Prozent der Neuverschuldung. Mittlerweile entfallen 70 Prozent der Neukredite auf die fünf Sektoren Technologie, grüne Entwicklung, Altersversorgung, Digitalwirtschaft und Finanzwirtschaft. 

Zuletzt tritt China selbst immer stärker als Gläubiger auf und mobilisiert Milliarden für seine Initiativen der Neuen Seidentraße und Global Governance. Auf dem Gipfeltreffen der Shanghaier Organisation für Zusammenarbeit (SOC) gab China bekannt, eine neue Entwicklungsbank zu gründen und stellte den Mitgliedstaaten umgerechnet 1,3 Milliarden Euro an Krediten in Aussicht. Inzwischen ist China der größte staatliche Kreditgeber für ärmere Länder.

"Für China ist die Verschuldung wahrscheinlich kritischer – Japan hat die volle geldpolitische Souveränität"

Hanns Günther Hilpert Hanns Günther Hilpert | © Hanns Günther Hilpert

Die Staatsverschuldung in Ostasien ist in den vergangenen Jahren stark gestiegen und sorgt international für Diskussionen. Im Interview erläutert Hanns Günther Hilpert, Gastwissenschaftler zu Asien bei der Stiftung Wissenschaft und Politik (SWP), die Unterschiede zwischen China und Japan im Umgang mit ihren Schulden, beleuchtet die Risiken für die wirtschaftliche Stabilität der Region und gibt Hinweise, worauf Unternehmen bei Investitionen achten sollten.

Wie unterscheiden sich China und Japan im Umgang mit ihrer Staatsverschuldung?

Sowohl China als auch Japan weisen hohe Verschuldungsquoten auf, unterscheiden sich aber deutlich im Umgang damit. Beide Länder haben ein ähnliches Kreditrating (A+), geringe Auslandsverschuldung, hohe Bestände an Währungsreserven und Auslandsvermögen, doch ein wesentlicher Unterschied liegt in der Transparenz: In Japan sind die Schuldenstrukturen offen und nachvollziehbar, während in China die tatsächliche Verschuldung – insbesondere auf lokaler Ebene – schwer zu beziffern ist. Zudem sind in China die lokalen Körperschaften und viele Staatsunternehmen besonders verschuldet, während in Japan die Verschuldung fast ausschließlich auf nationaler Ebene stattfindet.

Welche Risiken ergeben sich aus der Verschuldung für die wirtschaftliche Stabilität in Ostasien?

Kurz- und mittelfristig stellen die hohen Schuldenstände in Japan und China kein akutes systemisches Risiko dar. Japan profitiert von währungspolitischer Souveränität und kann im Notfall Staatsanleihen durch die Zentralbank aufkaufen. In China ist die Situation komplexer: Die starke Verflechtung von Staat und Privatwirtschaft sowie die geldpolitische Abhängigkeit vom US-Dollar bergen Risiken, insbesondere bei externen Schocks oder geopolitischen Krisen. Insgesamt ist Asien weniger als systemisches Risiko einzustufen als etwa die USA oder Europa.

Was sollten deutsche Unternehmen bei Investitionen in Ostasien beachten?

Das Schuldenrisiko ist ein wichtiger Teil des Wirtschaftsumfelds, sollte aber immer im Gesamtbild der Investitions- und Standortfaktoren betrachtet werden. Für Unternehmen ist es entscheidend, die spezifischen Rahmenbedingungen und die Transparenz der Finanzsysteme vor Ort zu analysieren. In China etwa können politische und wirtschaftliche Entwicklungen die Investitionssicherheit beeinflussen. Grundsätzlich gilt: Eine sorgfältige Beobachtung der Verschuldungssituation und eine breite Risikobetrachtung sind für erfolgreiche Investitionen unerlässlich.

Demografischer Wandel belastet Südkoreas Staatshaushalt

Südkorea nimmt eine Zwischenposition ein. Die Staatsverschuldung lag 2024 bei etwa 50 Prozent des BIP und ist damit vergleichsweise moderat. Die neue koreanische Regierung von Lee Jae-myung verfolgt jedoch eine lockerere Fiskalpolitik, sodass die Staatsverschuldung in den nächsten Jahren steiler ansteigen könnte. Südkorea steht zudem vor Herausforderungen: Die demografische Entwicklung, steigende Rentenverpflichtungen und geopolitische Unsicherheiten in der Region könnten den fiskalischen Spielraum künftig einschränken.

Hinzu kommt eine hohe Verschuldung der Haushalte, in Asien ist sie die höchste mit rund 90 Prozent des BIP, so IWF-Angaben von 2024. Für die hohe Kaution bei Wohnungsmieten müssen in Südkorea viele Menschen einen Kredit aufnehmen. Dieses System hat in den letzten Jahren allerdings an Bedeutung verloren. Dafür nutzen die Menschen häufig Kreditkarten und es besteht ein sozialer Druck, Wohlstand zu zeigen und teure Bildungsangebote zu nutzen. So ist das Verhältnis von Schuldenlast zu verfügbarem Einkommen von 130 Prozent im Jahr 2008 auf 186 Prozent im Jahr 2023 gestiegen. Würden diese Kredite ausfallen, wäre eine wirtschaftliche Krise vorgezeichnet. 

Risiko der Handelsverflechtungen 

Für die wirtschaftliche Stabilität Ostasiens ergeben sich daraus mehrere Implikationen. Zwar ist die Gesamtverschuldung in Ostasien in den letzten Jahren stark gestiegen, aber sie bleibt regional begrenzt, da die Schulden mehrheitlich inländisch finanziert sind. Die Intransparenz der Schuldensituation in China birgt jedoch Risiken. Auch als Handelspartner ist das Land tief in Wertschöpfungsketten integriert, ein De-Risking von China steht erst am Anfang. Außerdem schränken hohe Schulden die Fähigkeit der Staaten ein, auf zukünftige Krisen flexibel zu reagieren und in Zukunftstechnologien zu investieren. 

Auch der Chefökonom der Weltbank, Indermit Gill, wies im April 2025 in Japan darauf hin, dass die Schuldentragfähigkeit und Transparenz von entscheidender Bedeutung sei. Die Weltbank unterstützt Länder dabei, sich für eine Verbesserung der Schuldensituation zu bemühen.

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