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Wirtschaftsumfeld | Ostasien | De-Risking

De-Risking von China: Wie kann es gelingen?

China bleibt für Deutschland ein wichtiger Handelspartner, kritische Abhängigkeiten sollen aber reduziert werden - durch De-Risking. GTAI hat Strategien anderer Länder analysiert. 

Risikomanagement ist das Gebot der Stunde, das haben die Coronapandemie, der russische Angriffskrieg auf die Ukraine und der US-China Handelskonflikt gelehrt. Insbesondere die Abhängigkeit von China beäugen viele Länder vor dem Hintergrund einer möglichen Eskalation des Taiwan-Konflikts zunehmend kritisch. Daher hat Germany Trade & Invest (GTAI) im Folgenden die Verflechtungen mit China im Überblick dargestellt und die De-Risking-Strategien wichtiger Länder analysiert. 

Japan, Südkorea, Taiwan und die USA verfügen alle über eine mit Deutschland vergleichbare starke Industrie und haben zum Teil früher als Deutschland damit begonnen, ihre Abhängigkeit mit China zu überprüfen. Ihre Strategien zum De-Risking sind teilweise individuell. So hat Japan sehr weitgehende Institutionen mit einem Minister für wirtschaftliche Sicherheit und einer weitreichenden Rohstoffagentur geschaffen. Hingegen gehen die USA besonders drastisch vor, mit hohen Strafzöllen, Technologieboykotten und massiven Investitionsförderprogrammen.

Aber einige gemeinsame Herangehensweisen kristallisieren sich heraus: 

  • Alle untersuchten Länder haben es bereits mehr oder minder erfolgreich geschafft, den Anteil Chinas an Im- und Exporten sowie an Auslandsinvestitionen zu senken. 
  • Südostasien und Indien bilden neue Wachstumszentren für Beschaffung und Investitionen. Aktivitäten dort werden zum Teil mit Regierungsgeldern gefördert. 
  • Kritische Abhängigkeiten bestehen vor allem beim Import von Rohstoffen, Pharmazeutika und Elektronik. Die Rohstoffdiversifizierung unterstützen die Länder häufig staatlich.
  • Ein weiterer Baustein ist die Förderung von heimischen Investitionen insbesondere in strategischen Schlüsselbranchen wie Halbleiter, Batterien oder Pharmazeutika.

Deutschland wird von den untersuchten Ländern als wichtiger Wirtschaftspartner in Bezug auf das De-Risking wahrgenommen.

  • So abhängig ist Deutschland von China

    Deutschland ist auf Zulieferungen aus China angewiesen, der chinesische Markt ist für deutsche Kernbranchen zentral. Wo sind die Abhängigkeiten besonders hoch?

    Die Wirtschaft müsse die Lieferketten diversifizieren, um ihre Abhängigkeit von China zu reduzieren - ist in einer Coface-Pressemeldung zu lesen. "Wenn wir in 15 oder 20 Jahren zurückschauen, werden wir sagen, dass Anfang der 2020er die entscheidenden Jahre waren, in denen für viele Unternehmen aber auch gesamtwirtschaftlich die Weichen gestellt wurden", sagte Marcel Fratzscher, Präsident des Deutsches Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW), auf dem 17. Coface Kongress am 16. Mai 2024 in Mainz. Die China-Strategie der Bundesregierung sieht genau das vor: die Abhängigkeiten insbesondere in kritischen Bereichen zu verringern. Doch in welchen Bereichen ist Deutschland kritisch abhängig?

    Lieferungen aus China: wie kritisch?

    Verschiedene Studien haben sich mit den importseitigen Abhängigkeiten von China befasst, wie etwa das ifo Institut 2022, das IfW-Kiel 2023 oder das Institut der Deutschen Wirtschaft (IW) im April 2024. Das Ergebnis: Der Großteil der Importe aus China sei zwar unproblematisch, dennoch gäbe es einen kleinen Teil, bei dem Zulieferungen kritisch seien. Diesen beziffert das Ifo-Institut 2022 auf 3 Prozent der Importe. Fallen solche Importe im Krisenfall weg, könnte dies zu teils schweren Produktionsausfällen führen. Das IfW-Kiel schätzte 2023, dass das Bruttoinlandsprodukt Deutschlands bei einem Ausfall Chinas (Reduktion des Handels um 97 Prozent) langfristig um 1 Prozent niedriger ausfallen wird, kurzfristig könnten die Verwerfungen weitaus drastischer sein.

    Als kritisch sieht das IW vor allem Importe von Chemie, Pharmazie (zum Beispiel Antibiotika und Wirkstoffe), Elektronik (etwa Laptops und Computerzubehör) und Rohstoffen, darüber hinaus noch bestimmte Maschinenbauerzeugnisse, Elektromotoren, Waren der Fotovoltaikindustrie, Dauermagnete und Batterien.

    Insgesamt hat die Zahl der kritischen Importproduktgruppen stetig zugenommen. Doch eindeutig ist der Trend nicht. In einer Umfrage des ifo Instituts vom April 2024 gaben 37 Prozent der Industrieunternehmen in Deutschland an, auf wichtige Vorleistungen aus China angewiesen zu sein. Im Jahr 2022 waren es noch 46 Prozent gewesen. Auch der Anteil der Importe aus China an den deutschen Gesamtimporten war zuletzt 2023 wieder gesunken.

     

    Rohstoffe: Engpass bei Schlüsseltechnologien

    In einer Analyse hat die EU 2023 insgesamt 34 kritische Rohstoffe ausgewiesen. Bei 27 zählt China zu den Top-3-Produzentenländern. Besonders hoch ist der Anteil Chinas an den EU-Importen im Falle schwerer seltenen Erden (100 Prozent), leichter seltenen Erden (85 Prozent), Magnesium (97 Prozent), den Halbleitermetallen Gallium (71 Prozent) und Germanium (45 Prozent), Bismut (65 Prozent) sowie Vanadium (62 Prozent).

    Brisanz gewinnt die Rohstoffabhängigkeit dadurch, dass viele der Metalle für die Produktion in Schlüsselindustrien wichtig sind, etwa für Lithium-Ionen-Batterien, Windturbinen, Robotik, Elektromotoren oder Wasserstofftechnologien. Außerdem ist die indirekte Abhängigkeit von China häufig noch höher. Etwa bei Kobalt, das zwar größtenteils im Kongo abgebaut wird, aber eben vielfach von chinesischen Firmen und auch die Weiterverarbeitung erfolgt in China. Auf diese Weise sichert sich China nicht nur den Zugang zu Rohstoffen, auch die Forschung und Produktion in Schlüsselindustrien dominiert das Reich der Mitte immer stärker. Im Technologiewettbewerb hat China inzwischen bei 37 von 44 Technologien die Spitzenposition in der Forschung erreicht, so der ASPI Critical Technology Tracker 2023.

    Chinesischer Markt: unverzichtbar?

    In der Geschäftsklimaumfrage der AHK Greater China 2023/24 gaben über die Hälfte (54 Prozent) der deutschen Firmen in China an, weiter in China investieren zu wollen, vor allem um wettbewerbsfähig zu bleiben. Andererseits erwägt jedes zehnte Unternehmen, China zumindest teilweise zu verlassen. Risikomanagement gewinnt an Bedeutung - viele Firmen bauen auf eine Lokalisierung der Lieferkette in China, um im Krisenfall das Chinageschäft von den globalen Geschäften loszulösen. Denn für die meisten stellt sich nicht die Frage einer Geschäftsaufgabe in China - zu wichtig ist der chinesische Markt.

    So war China gemäß Angaben der deutschen Branchenverbände 2022 für 36 Prozent des Weltmaschinenumsatzes, 40 Prozent des Chemie- und Pharmamarktes sowie 32 Prozent der weltweiten Autoverkäufe verantwortlich. Manche Unternehmen erwirtschaften über 30 Prozent ihres Umsatzes beziehungsweise Absatzes in China - etwa die deutschen Autobauer oder der Halbleiterhersteller Infineon. Dabei finanzieren die deutschen Firmen weitere Investitionen in China hauptsächlich durch ihre dort erwirtschafteten Gewinne. Seit 2018 übersteigen die reinvestierten Gewinne die deutschen Direktinvestitionen, wie aus Daten der Bundesbank hervorgeht.

    Asymmetrie: Deutschland ist abhängiger

    Während im Jahr 2022 deutsche Unternehmen 122 Milliarden Euro an Direktinvestitionen in China kumuliert angelegt haben, beträgt der Bestand chinesischer Direktinvestitionen in Deutschland nur 5 Milliarden Euro. Die damit erzielte Lokalisierung führt dazu, dass die Relevanz deutscher Exporte abnimmt. So rutschte China 2022 von Rang 2 auf Rang 4 der größten deutschen Exportmärkte und im 1. Quartal 2024 sogar auf Rang 5.

    Insgesamt ist Chinas Anteil am deutschen Außenhandel seit 2013 dennoch gestiegen, der Anteil der EU an Chinas Ein- und Ausfuhren hat hingegen abgenommen. Dies alles führt zu wachsenden Asymmetrien in den Wirtschaftsbeziehungen, eine Problematik, auf die auch Marcel Fratzscher auf dem Coface Kongress hinwies. Die Krux dabei: Wirtschaftliche Abhängigkeiten lassen sich als politisches Druckmittel einsetzen, aber Liefer- und Investitionsbeziehungen lassen sich kurzfristig kaum diversifizieren.

    Daher müssen deutsche Unternehmen mit einem erhöhten Kostenaufwand für eine Senkung der Abhängigkeiten kalkulieren, aus Eigeninteresse wie auch geopolitischen Gründen. Indes diversifizieren chinesische Firmen selbst und investieren beispielsweise in Mexiko und Südostasien.

    Von Christina Otte | Bonn

  • Handelsabhängigkeiten anderer Länder im Vergleich

    Kritische Abhängigkeiten von China rücken nicht nur hierzulande in den Fokus. Wie groß sind die Verflechtungen Japans, Südkoreas, Taiwans und der USA im Handel mit China?  

    Der Exportweltmeister China ist für rund 120 Länder der Erde der größte Handelspartner. Doch zunehmend schauen Länder auf die engen Beziehungen kritisch, insbesondere einseitige Abhängigkeiten gilt es, zu reduzieren. So formuliert es auch die Bundesregierung in ihrer Chinastrategie. Ebenso wie Deutschland, das seine kritischen Abhängigkeiten von China in den Blick nimmt, so überprüfen auch andere Länder wie die USA ihre Exponiertheit - vor dem Hintergrund des Taiwan-Konflikts auch gegenüber Taiwan. Zudem haben Chinas ostasiatischen Nachbarn Japan, Taiwan und Südkorea schon früher als Deutschland begonnen, ihre Handelsverflechtungen von China lösen zu wollen. Ist ihnen dies gelungen?

    Chinas Rolle bei Importen und Exporten sinkt

    Obwohl Chinas Nachbarn Japan, Südkorea und Taiwan einen besonders hohen Importanteil aus China beziehen, haben sie ihn in den letzten Jahren deutlich reduziert. Besonders stark fällt der Rückgang allerdings in den USA aus: Die Vereinigten Staaten reduzierten den Anteil der Waren, den sie aus China beziehen, von knapp 20 Prozent im Jahr 2013 auf 14 Prozent im Jahr 2023. Zum Vergleich: Deutschland ist mit einem Importanteil von 12 Prozent im Jahr 2023 weniger auf China ausgerichtet, dafür ist der Anteil von 8 Prozent im Jahr 2013 deutlich gestiegen. 

    Auch ein hoher Anteil der Exporte geht in den betrachteten Ländern nach China. Doch bei allen ging er entweder nach unten oder ist - wie im Falle Deutschlands - gleich geblieben. Hierfür dürfte zum einen Chinas schwächer gewordenes Wirtschaftswachstum, vor allem aber eine verstärkte Lokalisierung im Markt verantwortlich sein.

    Japan ist eng mit China verflochten

    Für Japan ist der große Nachbar China der größte Handelspartner, auch wenn die USA aktuell aufholen. Neben der Elektronik waren im Jahr 2022 die Lieferanteile aus China nach Japan bei Elektrotechnik und Maschinen dominant und auch bei Mess- und Regeltechnik noch vergleichsweise hoch. Im Gegenzug lagen Japans Exporte nach China bei den sechs betrachteten Warengruppen zwischen einem Fünftel und einem Viertel der jeweiligen japanischen Gesamtausfuhren. Taiwan spielt lediglich bei den Aus- und Einfuhren von Elektronik für Japan eine nennenswerte Rolle. 

    Politische Streitigkeiten zwischen Tokyo und Beijing führten in 2010er Jahren immer wieder zum Stocken von Handelsflüssen. Japan hat reagiert und im Jahr 2013 eine erste Nationale Sicherheitsstrategie formuliert. Ziel ist es, Lieferketten widerstandsfähiger aufzustellen sowie sensible Technologien Japans zu schützen. In der Tat ist zwischen 2012 und 2022 der Importanteil bei Elektronik aus China um 6,5 Prozentpunkte gesunken. Die Verlagerung ging jedoch zugunsten von Elektronikimporten aus Taiwan, die parallel um gut 11 Prozentpunkte zulegten. Generell richtet Japan derzeit seinen Blick verstärkt nach Südostasien wie auch nach Indien. 

    Südkoreas Export stark auf China fokussiert

    Korea ist nicht nur bei seinen Importen, sondern auch bei den Exporten stark von China abhängig. Größter Importbrocken ist dabei die Elektrotechnik mit einem Anteil von rund 52 Prozent. Taiwan spielt nur bei Elektroniklieferungen eine Rolle. Dafür führt Korea überdurchschnittlich viel Elektronik, Mess- und Regeltechnik sowie chemische Erzeugnisse nach China aus. 

    Korea hat in den letzten zehn Jahren seine Exportabhängigkeit von China insgesamt verringert. Zwar legten die Importanteile aus China weiter zu, wuchsen aber - mit Ausnahme bei Kfz - im einstelligen Prozentpunktebereich. Nur bei Chemieimporten kletterte die China-Abhängigkeit deutlich. In der Elektronik nahm der Fokus zwischen 2012 und 2022 sowohl bei den Ein- als auch Ausfuhren zu.

    USA senken Importe aus China

    Mit Blick auf die Handelsströme aus China hat die US-Administration 2021 eine umfangreiche Studie zu Lieferketten und Resilienz erstellt und danach Maßnahmen eingeleitet. Infolge der Sonderzölle und Investitionsförderung sanken die Einfuhren aus China, seit 2023 ist das Reich der Mitte nicht mehr größter Lieferant für die USA

    Die Analyse der Handelszahlen zeigt, dass die USA weitaus weniger von China und Taiwan abhängig sind als Japan und Südkorea. Vor allem bei den Elektronikimporten ist der Unterschied deutlich, die USA haben den Anteil senken können. Trotzdem bleibt China hier dominant. Hoch sind auch die chinesischen und taiwanischen Lieferungen von Elektrotechnik mit einem Anteil von zusammen 30 Prozent, wobei auch hier der Anteil zurückgeht. Umgekehrt durchbrechen nur die Produkte der Mess- und Regeltechnik bei den US-Exporten nach China die Messlatte von 10 Prozent.  

    Abhängigkeit bei Elektronik und Halbleitern besonders hoch

    Ganz offensichtlich zeigt sich Chinas Dominanz bei allen betrachteten Ländern in der Elektronikindustrie. Sowohl Im- als auch Exporte Chinas sind sehr hoch, denn das Land kommt auf 52 Prozent der Weltproduktion 2022 (so Zahlen des Elektronikverbandes ZVEI). Deutlich wird das bei den ostasiatischen Nachbarn, die ebenfalls wichtige Schritte in der Wertschöpfung abdecken: Fast die Hälfte aller Elektronikwaren führte Japan aus China (ohne Hongkong) ein. Weitere 21 Prozent kamen aus Taiwan ins Land. Mit zusammen rund 70 Prozent besteht für Japan hier ein veritables Klumpenrisiko. 

    Ähnliches gilt für Südkorea, das gut 60 Prozent seiner Elektronikimporte aus den beiden Ländern erhält. Bei Deutschland und den USA sind die Werte mit jeweils rund 51 Prozent und 46 Prozent zwar hoch, aber doch moderater. 

    Taiwan und China kamen 2020 zusammen auf einen Anteil an der weltweiten Halbleiterproduktion von über 40 Prozent. Um die hohe Abhängigkeit von dieser essenziellen Technologie zu senken, haben zahlreiche Länder Strategien formuliert, um sich von Chipimporten unabhängiger zu machen. Neben dem weltweit größten taiwanischen Auftragsfertiger TSMC investieren auch andere Hersteller weltweit in neue Chipwerke, darunter auch in der EU. 

    Von Christiane Süßel | Bonn

  • Japan arbeitet an sicheren Lieferketten

    Japan nutzt verschiedene Instrumente, um sich unabhängiger vom Ausland zu machen. Primär richten sich diese gegen China, auch wenn das Land nicht explizit genannt wird.

    Japan hat als eines der ersten Länder Erfahrung mit wirtschaftlichem Druck aus China gemacht. Exportbeschränkungen für seltene Erden 2010 und später Boykotte und Proteste gegen japanische Waren sorgten für ein Umdenken. Daher bemüht sich die Regierung schon länger, die Lieferketten resilienter zu gestalten, insbesondere die Versorgung mit Rohstoffen und Lebensmitteln. Japan bezieht viele Produkte aus dem Nachbarland, Abhängigkeiten bestehen etwa bei seltenen Erden, pharmazeutischen Erzeugnissen oder auch bei Batterien und Solarmodulen. 

    Japans Regierung hat mittels staatlicher Strategien und Maßnahmen einen großen Bogen geschlagen, das Abhängigkeitsgefüge zu ändern. Das geht nicht über Nacht. Erste Erfolge sind jedoch sichtbar: Die Investitionen in andere Beschaffungsmärkte für seltene Erden haben geringere Importe aus China nach sich gezogen. Investitionen in anderen Zielländern, insbesondere Südostasien, haben die Lieferketten für Vorprodukte diversifiziert. Und in der Halbleiterindustrie werden neue Produktionsstätten gebaut. 

    Wirtschaftssicherheitsgesetz beschlossen

    Im Dezember 2013 beschloss Japan eine Nationale Sicherheitsstrategie. Im Mai 2022 nahm Japans Parlament ein Gesetz zur Förderung der wirtschaftlichen Sicherheit (Wirtschaftssicherheitsgesetz) an.

    De-Risking Maßnahmen im Überblick

    • Stärkung der Lieferketten: Stabile Versorgung mit strategischen Gütern wie Halbleiter, Düngemittel, kritische Mineralien und Antibiotika. Dafür fördert Japan die Produktion im Inland und erweitert die Bevorratung.
    • Erhöhung der Sicherheit von Schlüsselinfrastruktur: Hier kann Japan auch gegenüber privaten Firmen bestimmte Handlungen empfehlen oder anordnen.
    • Intensivierung der öffentlich-privaten Forschungs- und Entwicklungskooperation bei ausgewählten kritischen Technologien.
    • Nichtoffenlegung von Patenten in sensiblen Bereichen.

    Hohe Subventionen für strategische Investitionen

    Auf Grundlage des Wirtschaftssicherheitsgesetzes gewährt Japan Subventionen dere Investitionskosten. Das Ministry of Economy, Trade and Industry (METI) fördert beispielsweise die Produktion von Halbleitern und Batterien, andere Ministerien die Versorgung mit Antibiotika, Düngemitteln und Schiffsteilen. Die maximalen Fördersätze für METI-Programme im Rahmen der Versorgungssicherheit mit kritischen Produkten erreichen dabei bis zur Hälfte der Anlageinvestitionen. 

    Neben der New Energy and Industrial Technology Development Organization (NEDO) und der Japan Oil, Gas and Metals National Organization (JOGMEC) gewähren weitere Institutionen Fördermittel und Garantien, darunter die Japan Bank for International Cooperation, die Nippon Export and Investment Insurance, die Japan Investment Corporation und die Japan Finance Corporation.

    Förderung weiterer Bereiche zur Versorgungssicherheit bei kritischen Produkten
    BereichZuständigkeit und Link für weitere Details
    AntibiotikaMinistry of Health, Labour and Welfare (MHLW); 2023 Projekte von Meiji Seika und Pharmira
    DüngemittelMinistry of Agriculture, Forestry and Fisheries (MAFF); 2023 Förderung der Düngemittelbevorratung durch Taiyo Fertilizer und Nitto FC
    Schiffsteile (Maschinen, Navigationstechnik und Antriebe)Ministry of Land, Infrastructure, Transport and Tourism (MLIT); 2023 acht Projekte, davon sieben im Bereich der Antriebe und eins im Bereich der Navigationstechnik
    Quelle: MHLW 2024; MAFF 2024; MLIT 2024; Economic Security Promotion Act 2024

    Signifikante Mittel für Forschung und Entwicklung

    Auf Grundlage des Wirtschaftssicherheitsgesetzes richtete Japan 2022 das Key and Advanced Technology R&D through Cross Community Collaboration Program (K Program) ein. Dieses ist mit etwa 3,5 Milliarden US-Dollar (US$) ausgestattet.

    Japan unterstützt seine Wirtschaft auch bei der Grünen Transformation (GX) und der Digitalen Transformation (DX). Dabei geht es primär um die Entwicklung von Technologien. Der dafür eingerichtete Green Innovation Fund hat ein Volumen von rund 15 Milliarden US$. Beispielsweise speisen sich von NEDO für 5G-Telekommunikation gewährte Fördergelder aus Mitteln für GX, DX und für die wirtschaftliche Sicherheit. 

    Für seine Wirtschaftssicherheit nutzt Japan auch die Exportkontrolle und das Screening ausländischer Investitionen.

    Programme für Lieferketten im Inland und in ASEAN-Staaten

    In der Coronapandemie startete Japan Programme zur Förderung von Investitionen in Japan und zum Aufbau von Produktionsstätten japanischer Firmen in Südostasien. Von April 2020 bis März 2022 stellte die Regierung für mehrere Hundert Projekte im Inland etwa 4 Milliarden US$ bereit. In Südostasien förderte es von 2020 bis 2023 über das Overseas Supply Chain Diversification Support Project 124 Vorhaben. Ohne Machbarkeitsstudien waren es 92 Projekte, die meisten davon befinden sich in Vietnam und in Thailand.

    Japan senkt China-Abhängigkeit bei seltenen Erden

    Noch bevor China 2010 kurzzeitig die Lieferungen seltener Erden nach Japan unterbrach, beschloss die Regierung in Tokyo im Juli 2009 eine Strategie zur Sicherung seltener Erden und vereinbarte im März 2010 über JOGMEC eine Kooperation mit Kanada. Im Jahr 2011 stellten das Handelshaus Sojitz und JOGMEC dem australischen Bergbauunternehmen Lynas Corporation 250 Millionen US$ zur Verfügung. Dafür sollte Japan zehn Jahre seltene Erden von Lynas erhalten. Darüber hinaus vereinbarte Japan die gemeinsame Erschließung seltener Erden mit Vietnam, Indien und Kasachstan.

    Daneben erhöhte die Regierung die Bevorratung, trieb Recycling und Wiederverwendung voran und förderte die Entwicklung von Produkten ohne oder mit weniger seltenen Erden. Dadurch sank der Anteil Chinas an den japanischen Einfuhren seltener Erden von mehr als 90 Prozent im Jahr 2008 auf weniger als 60 Prozent im Jahr 2020. Wichtige Lieferländer sind neben China nun Vietnam, Frankreich, Thailand und Indien.

    Im März 2023 investierten Sojitz und JOGMEC weitere rund 130 Millionen US$ in Lynas. Lynas wird dafür Dysprosium und Terbium nach Japan liefern.

    JOGMEC und seine Vorgänger sorgen schon lange dafür, dass Japan einen Teil seiner Importe von Erdöl, Erdgas und Kohle aus Quellen deckt, an deren Erschließung japanische Firmen beteiligt sind. Inzwischen unterstützt das Staatsunternehmen japanische Unternehmen unter anderem auch bei Wasserstoff und bei der Speicherung von Kohlenstoffdioxid.

    Japan investiert weniger in China und liefert weniger dorthin

    Wegen der gemischten Erfahrungen Japans in China investieren japanische Firmen einen geringeren Anteil ihrer Mittel im großen Nachbarland. Der Anteil Chinas am Bestand japanischer Direktinvestitionen fiel von 9 Prozent im Jahr 2012 auf 6,9 Prozent im Jahr 2022. Gleichzeitig werden chinesische Firmen in Japan aktiver: Ihr Anteil am Bestand ausländischer Direktinvestitionen in Japan stieg von 0,3 Prozent auf 2,1 Prozent.

    Der Anteil Chinas an Japans Außenhandel fiel vom Höchstwert von 23,9 Prozent im Jahr 2020 auf 20 Prozent im Jahr 2023. Dabei liefert Japan vor allem weniger nach China. Bei den Importen erfolgt der Rückgang langsamer.

    Von Frank Robaschik | Tokyo

  • Südkorea will kritische Abhängigkeiten reduzieren

    Mit einer umfassenden Strategie will die Regierung die Lieferketten resilienter gestalten. Die Positionierung zwischen China und den USA bleibt für Südkorea ein Balanceakt.

    Durch die geografische Nähe ist Südkoreas Handel eng mit China verflochten. Kritisch sind hohe Rohstoffimporte, aber auch als Absatzmarkt ist die Volksrepublik bedeutend. Laut Angaben des Ministry of Trade, Industry and Energy (MOTIE) fiel Südkoreas Abhängigkeit von China bei zahlreichen Produkten hoch aus, etwa bei Nickel-Cobalt-Mangan-Präkursoren (Importanteil von 98,6 Prozent im Jahr 2022), Lithiumhydroxid (87,9 Prozent), bei Elektrolyten für die Herstellung von Sekundärbatterien (69,5 Prozent) sowie bei Seltenerd-Permanentmagneten (87,5 Prozent).

    Die Nationale Sicherheitsstrategie der Regierung um Yoon Suk-yeol führt den zunehmenden Wettbewerb zwischen China und den USA als zweite von vier Herausforderungen von nationaler Bedeutung an. Südkorea erwartet, dass eine Umstrukturierung der globalen Halbleiter- und Batterieindustrie unvermeidlich ist. Während die Regierung weiterhin die bilaterale Zusammenarbeit mit China fördert, will sie zugleich die Lieferketten für kritische Produkte diversifizieren. Erfahrungen von wirtschaftlichem Druck durch China, etwa nach der Stationierung des US-Raketenabwehrsystems THAAD 2017 in Südkorea, machen die Positionierung Südkoreas zwischen China und den USA jedoch zu einem Balanceakt.

    De-Risking Maßnahmen in Südkorea

    • 10 Punkte-Plan für industrielle Lieferketten ("3050 Strategy")
    • Zusammenarbeit mit Drittstaaten intensivieren
    • Diversifizierung durch Investitionen in den USA und in Südostasien

    Südkorea verabschiedet Lieferkettenstrategie

    Im Dezember 2023 verkündete die Regierung die "Industrial Supply Chain Strategy", kurz "3050 Strategy". Damit will Südkorea seine internationale Importabhängigkeit bei 185 kritischen Produkten bis zum Jahr 2030 auf 50 Prozent verringern. Bei diesen Produkten betrug die durchschnittliche Importrate 2023 rund 70 Prozent, bei einzelnen Produktkategorien lag sie sogar bei über 90 Prozent. Die ausgewählten 185 Produkte werden in drei Bereiche unterteilt: a) strategische Hightech-Industrien, b) Schwerpunkt- und neue Industrien und c) Grundstoffindustrien.

    Die Auswahl der Produktgruppen, bei denen der Importanteil reduziert werden soll, basiert auf einer Untersuchung des MOTIE im Jahr 2022. Sie identifizierte etwa 1.700 Produkte mit einer Abhängigkeit von mehr als 50 Prozent. Bei mehr als der Hälfte der Produkte war Südkorea auf Einfuhren aus China angewiesen, bei 16 Prozent aus Japan und 8,5 Prozent aus den USA. So zielt die Strategie nicht nur auf Importe aus China. Wegen des hohen Einfuhranteils richten sich die Maßnahmen aber primär auf die Volksrepublik.

    Zehn-Punkte-Plan soll Abhängigkeit senken

    Um die Abhängigkeit von Importen bei den ausgewählten Produkten zu reduzieren, verfolgt das MOTIE drei Kernziele: Selbstversorgung, Diversifizierung der Importe und Rohstoffsicherung. Die Strategie umfasst zehn Maßnahmen und acht Leitprojekte für ausgewählte Produkte.

    Zehn-Punkte-Plan im Rahmen der "Industrial Supply Chain 3050 Strategy"
    1. Einrichtung eines Fördersystems zur Sicherung der Lieferketten unter Zusammenarbeit von unterschiedlichen Ministerien
    2. Ausbau eines Frühwarn- und Betrieb eines Reaktionssystems im Krisenfall
    3. Ausbau einer unabhängigen Produktionsbasis für wichtige Produkte in Südkorea
    4. Frühzeitige Entwicklung von Kerntechnologien und Bau von Produktionsanlagen (Ausweitung von F&E für bestimmte Artikel)
    5. Anwerbung von Auslandsinvestitionen und Ausweitung der inländischen Produktionskapazität
    6. Diversifizierung von Importquellen zur Reduzierung des Lieferkettenrisikos 
    7. Unterstützung bei M&A und Firmenübernahmen zur Diversifizierung von Produktionsstandorten (etwa Reduzierung der Körperschaftssteuer; finanzielle Unterstützung bei Verlagerung von Produktionsstandorten in Drittländer)
    8. Ausbau öffentlicher Lagerbestände für bedeutende Rohstoffe und Unterstützung bei Sicherung privater Lagerbestände
    9. Ausbau der Zusammenarbeit mit ressourcenreichen Ländern und Unterstützung privater Vorhaben (etwa Ausweitung von Sonderkrediten für private Ressourcenentwicklung im Ausland und Steuerermäßigungen für Auslandsinvestitionen zum Erwerb von Bergbaurechten)
    10. Entwicklung von Recyclingtechnologien und Ersatz durch alternative Produkte 
    Quelle: Ministry of Trade, Industry and Energy 2023

    Zusammenarbeit mit Drittstaaten wird intensiviert

    Erste Maßnahmen zur Umsetzung der Strategie wurden im Januar 2024 angekündigt. Dazu zählen die Erhöhung des F&E-Budgets für bestimmte Produkte, finanzielle Unterstützung bei der Entwicklung eigener Technologien sowie Förderung bei der Erschließung alternativer Importquellen. Besonderes Augenmerk gilt KMU, die etwa von höheren Obergrenzen bei Einfuhrversicherungen für Rohstoffe der Korea Trade Insurance Corporation profitieren können.

    Daneben verstärkt Südkorea die Zusammenarbeit mit der EU, um Lieferketten bei Batterien, Halbleitern und weiteren Industrien zu sichern. Besonders aktiv ist die Korea Eximbank, die Partnerschaften mit Drittländern zur Stabilisierung der Lieferketten verfolgt, darunter Absichtserklärungen mit Deutschland über die KfW sowie mit Australien und Kanada.

    Exportfinanzierung unterstützt Erschließung neuer Absatzmärkte

    Die Financial Services Commission kündigte im August 2023 die Bereitstellung von Finanzmitteln über öffentliche und private Banken von rund 17,4 Milliarden US-Dollar (US$) für Exporteure an. Zusätzliches Budget von mehr als 2,5 Milliarden US$ steht für die Erschließung neuer Absatzmärkte bereit. Als vielversprechende Exportländer gelten unter anderem Indien, Mexiko, Indonesien, Australien, Kanada, VAE und Usbekistan. Insbesondere KMU werden mittels Sondergarantien und niedrigen Bankzinsen gefördert.

    USA als Investitionsziel stärker im Fokus

    Südkoreanische Unternehmen reduzieren zunehmend ihre Aktivitäten in China, vor allem wegen steigendem Wettbewerb durch lokale Anbieter sowie der sinkenden Rentabilität. Aber auch US-Regulierungen wirken sich auf Entscheidungsprozesse aus. Um in den Genuss von Vorteilen des Inflation Reduction Act in den USA zu kommen, müssen etwa kritische Materialien und Batteriekomponenten von Elektroautos zu vorgegebenen Anteilen aus den Vereinigten Staaten stammen oder aus Ländern, mit denen die USA ein Freihandelsabkommen haben.

    Im Jahr 2023 war China erstmals seit 1992 nicht mehr unter den Top-Fünf-Empfängerländern südkoreanischer Investitionen. Hingegen investieren südkoreanische Firmen deutlich stärker in den USA, vor allem in Halbleiter und Batterien. Die Batterieindustrie ist ein Musterbeispiel für die Verringerung der Rohstoffabhängigkeit von China. Direktinvestitionen in den Vereinigten Staaten betrugen laut der Export-Import Bank of Korea seit 2021 jährlich fast 30 Milliarden US$. Damit strukturieren Unternehmen des Landes ihre globalen Lieferketten um. Die Investitionen in den USA dürften auch in den kommenden Jahren hoch bleiben. Daneben bauen Firmen die Produktion in südostasiatischen Ländern weiter aus.

    Ausgewählte Empfängerländer südkoreanischer Direktinvestitionen im Ausland *Flussgrößen in Millionen US-Dollar
    Empfängerland

    2018

    2021

    2022

    2023

    USA

    11,2

    27,9

    29,4

    27,7

    EU (28)

    10,1

    9,7

    11,9

    9,2

    ASEAN

    6,8

    9,0

    8,9

    7,1

    China

    4,8

    6,7

    8,5

    1,9

    Hongkong, SVR

    3,6

    0,9

    0,9

    0,3

    Gesamt

    51,8

    76,9

    81,5

    63,4

    * Bruttoinvestitionen, wieder abgezogene Investitionen oder Abschreibungen werden nicht gegengerechnetQuelle: Export-Import-Bank of Korea 2024; Berechnungen von Germany Trade & Invest

    Veränderte Handelstrends könnten auf Umstrukturierung hindeuten

    Im Warenhandel ist China Südkoreas bedeutendster Import- und Absatzmarkt. Bei südkoreanischen Exporten erreichte Chinas Bedeutung 2018 einen Höhepunkt mit einem Anteil von 26,8 Prozent am Gesamtexport. Der Anteil fiel 2023 erstmals seit 2005 auf unter 20 Prozent. Bei den Importen ist der Anteil stabiler und erreichte 2023 etwas mehr als 22 Prozent. Durch stark gesunkene Ausfuhren erzielte Südkorea im vergangenen Jahr erstmals ein Handelsdefizit mit China von 18 Milliarden US$. Zugleich erreichte der Handelsüberschuss mit den USA 2023 einen Höchstwert von knapp 45 Milliarden US$.

    Von Katharina Viklenko | Seoul

  • Taiwan steuert Wirtschaft von China weg

    Abhängigkeit von China verringern: Dieses Ziel verfolgte Taiwan lange ohne sichtbaren Erfolg, da die taiwanischen Geschäfte mit und in China gut liefen. Das hat sich geändert.

    De-Risking rückt seit Ende der 2010er Jahre stärker in den Fokus der taiwanischen Politik. Der zunehmende Handelskonflikt zwischen den USA und China sowie die Coronaauswirkungen haben das Umfeld verändert. Geopolitische Risiken sind ein Grund, aber auch handfeste wirtschaftliche Gründe spielen eine Rolle: Jährlich steigende Lohnkosten in China und schwierigere Exportbedingungen aus China tragen dazu bei, dass taiwanische Firmen ihre Investitionen umlenken

    Dabei wandeln sich die Lieferketten. In China wurden lange Endprodukte gefertigt. Doch Exportbeschränkungen für in China gefertigte Produkte seitens der USA und der EU sowie günstigere Löhne machen die Endmontage in südostasiatischen Ländern wirtschaftlicher. Auch mit Blick auf das Freihandelsabkommen RCEP, das den innerasiatischen Handel beflügeln soll, verlegen mehr taiwanische Firmen ihre Produktion nach Südostasien.

    Taiwans Regierung unterstützt dies aktiv mit Programmen: Diese intensivieren den Handel mit als auch die Investitionen in südlichen Ländern. Seit 2016 betreibt Taiwan die “New Southbound Policy”. Sie umfasst 18 Länder in Süd- und Südostasien sowie in Ozeanien. Bereits in den 1990er Jahren formulierte die Regierung eine “Go South”-Politik. Ziel ist es, den wirtschaftlichen Austausch zu forcieren, neue Absatz- und Beschaffungsmärkte zu erschließen und die Handelsposition Taiwans zu stärken. 

    New Southbound Policy

    Mit diesen 18 Ländern im Indopazifik will Taiwan seine Wirtschaftsbeziehungen insbesondere ausbauen:

    Australien, Bangladesch, Bhutan, Brunei, Indien, Indonesien, Kambodscha, Laos, Malaysia, Myanmar, Nepal, Neuseeland, Pakistan, Philippinen, Singapur,  Sri Lanka, Thailand, Vietnam

    Doch De-Risking-Überlegungen gibt es in Taiwan nicht nur bei den Lieferketten. Die Financial Times berichtet im April 2024 von Aussagen vom KPMG-Beratern, dass einige große taiwanische Firmen überlegen, vor allem in Südostasien zweite Headquarters aufzubauen. So sollen die Unternehmen auch bei Angriffen auf Taiwan handlungsfähig bleiben.

    China nicht mehr Investitionsmagnet

    Taiwans Firmen haben in China hohe Investitionen getätigt: Wie viel, weiß keiner so genau. Die Investment Commission des Ministry of Economic Affairs hat zwischen 1991 und 2023 circa 206 Milliarden US-Dollar (US$) genehmigt, etwas mehr als 50 Prozent aller taiwanischen ausländischen Direktinvestitionen (Foreign Direct Investment, FDI).

    Die aus Taiwan getätigten FDI in China haben laut Wirtschaftsministerium in Taipei 2023 mit rund 3 Milliarden US$ ihren vorläufigen Tiefpunkt erreicht. Die FDI in New Southbound-Ländern stiegen hingegen auf 5,5 Milliarden US$. Sie liegen seit 2022 höher als die Investitionen nach China. Taiwans National Development Council konstatiert: Die Investitionslandkarte wird globaler und die Marktdiversifizierung nimmt zu.

    Reshoring soll zulegen

    Die Regierung will die Investitionen in Taiwan stärken und hat im Juli 2019 drei Anreizprogramme aufgelegt. Diese unterstützen insbesondere in China investierte lokale Firmen dabei, Teile ihrer Produktion zurück auf die Insel zu verlagern. Zu den Anreizen zählen bevorzugte Landzuteilungen und Projektdarlehen sowie weitere Einzelmaßnahmen.

    Resultate aus den drei Programmen sind messbar: Insgesamt über 1.400 Anträge von Unternehmen genehmigten die taiwanischen Behörden. Zum Stichtag 1. März 2024 entsprach dies einem Investitionsvolumen von umgerechnet rund 70 Milliarden US$ (2,2 Billionen New Taiwan Dollar; NT$). Mit 56 Prozent der Investitionssumme spielt das Reshoring-Programm die größte Rolle. Die drei Programme haben zusammen über 150.000 neue Jobs geschaffen.

    Reshoring-Pläne Taiwans

    • Action Plan for Welcoming Overseas Taiwanese Businesses to Return to Invest in Taiwan: 304 genehmigte Anträge; Investitionssumme: 38,1 Mrd US$ (1.239 Milliarden NT$)

    • Action Plan for Accelerated Investment by Domestic Corporations: 183 genehmigte Anträge; Investitionssumme: 15,7 Mrd US$ (509,6 Milliarden NT$)

    • Action Plan for Accelerated Investment by SME: 967 genehmigte Anträge; Investitionssumme: 13,9 Mrd US$ (451,9 Milliarden NT$)

    Die drei Pläne sind zu finden bei InvesTaiwan.

    Quelle: InvesTaiwan 2024, Stand: 1. März, 2024

    China-bezogene Investitionen werden beschränkt

    Schon früh hat Taiwan damit begonnen, die Outbound-Investitionen mit Ziel Festlandchina insbesondere in Taiwans Schlüsselindustrien wie Elektronik und Halbleiter zu kontrollieren. So dürfen seit dem Jahr 2002 neue Investitionen in die Waferherstellung in China nur dann erfolgen, wenn sie auf älteren Technologien (12 Zoll-Bereich und größer) aufbauen. Dabei darf jedes taiwanische Unternehmen nicht mehr als drei Fabriken in China betreiben. Ähnliches gilt auch für die Produktion von Displays. Darüber hinaus gibt es Grundsätze und spezifische Grenzen für Investitionen und technische Kooperationen mit dem Festland. 

    Umgekehrt hat Taiwan für Investitionen vom chinesischen Festland sehr hohe Hürden aufgebaut, was sich in einem geringen FDI-Zufluss aus dem Nachbarland zeigt. In Taiwan sind alle Belange, die mit China zu tun haben, in Ausführungsbestimmungen und einem eigenen Gesetz, dem "Act Governing Relations between Peoples of the Taiwan Area and the Mainland Area", geregelt. Sowohl für Outbound- als auch Inbound-Investitionen ist die Investment Commission zuständig, die das Screening der Projekte durchführt.

    Handelsanteile mit China sinken

    Während die Investitionen mit dem Festland stark reglementiert sind, läuft der Handel zwischen beiden Seiten der Taiwan-Straße weiter relativ frei. China, inklusive Hongkong, ist nach wie vor Taiwans größter Handelspartner. Allerdings hat der Exportanteil aus Taiwan zwischen 2016 und 2023 abgenommen, wohingegen der Anteil der USA gestiegen ist. Auch mit anderen Ländern soll der Handel zunehmen. Klare Ansage der Politik ist: Taiwan will die Wirtschaftsbeziehungen zu den USA und den Ländern des Indo-Pazifiks intensivieren. Dies soll sich positiv auf die Sicherheit der Insel auswirken. 

    Trotz sehr enger Beziehungen hat Taiwan kein Freihandelsabkommen mit den USA. Die USA haben jedoch die “US-Taiwan Initiative on 21st Century Trade” initiiert. Sie beinhaltet unter anderem Handels- und Zollerleichterungen sowie Regulierungspraktiken. Die erste Runde der Gespräche fand im Sommer 2023 statt. Zudem hat Taiwan mit Kanada Ende 2023 eine bilaterale Handels- und Investitionsvereinbarung getroffen: “Foreign Investment Promotion and Protection Arrangement (FIPA)”.

    Insgesamt sind taiwanische Unternehmen etwas pessimistischer geworden, wenn es um die geschäftlichen Beziehungen zu China geht. Dies ergab eine Umfrage der Chinese National Federation of Industries (CNFI) von 2023. Ihre Aussichten im chinesischen Markt bewerteten 60 Prozent der befragten Firmen eher negativ und 40 Prozent eher positiv. 

    Von Jürgen Maurer | Bonn

  • USA koppeln sich weiter von China ab

    Washington bleibt im Handelskonflikt auf Konfrontationskurs. US-Unternehmen halten sich mit Investitionen in China zurück und importieren verstärkt aus Mexiko oder ASEAN. 

    China bleibt in den USA ein rotes Tuch, gerade im Wahlkampf 2024. Die vom Ex-Präsidenten Trump gestarteten Maßnahmen, die einen Handelskonflikt entfachten, setzt sein Nachfolger Joe Biden fort. Im Ton entschärfter, aber in der Sache hart. Zuletzt verkündeten die USA im Mai 2024 neue Schutzzölle auf chinesische Einfuhren von bis zu 100 Prozent. Der Import aus China ging zuvor schon zurück, zum Teil durch Umlenkung über Südostasien und Mexiko. 

    Empfindlicher treffen China dagegen die Einschränkungen im Halbleiterbereich. So wurde das Exportverbot für Halbleiter, das sich relativ leicht umgehen ließ, auf Maschinen zur Produktion der kleinsten Hochleistungs-Chips ausgeweitet. Biden gelang dabei ein besonderer Coup, indem er mit Japan und den Niederlanden zwei wichtige Lieferländer für Halbleiterausrüstungen mit ins Boot holte. Die niederländische Firma ASML ist Monopolanbieter von sogenannten EUV-Lithographiemaschinen. Ohne dieses Know-how kann China keine fortschrittlichen Chips in Eigenregie produzieren und ist von westlicher Hochtechnologie teilweise abgeschnitten. 

    USA und China konkurrieren bei Halbleitern, Solarzellen und Batterien 

    Die USA fördern ihre Unabhängigkeit im Halbleiterbereich durch den Chips and Science Act. Laut der Rhodium Group flossen 2018 noch 48 Prozent der ausländischen Direktinvestitionen der Chipindustrie nach China. Die Quote fiel bis 2022 auf 1 Prozent. Im Gegenzug stieg sie für die USA in dem Zeitraum von 0 auf 37 Prozent.

    Nach Angaben der Semiconductor Industry Association waren Ende 2023 mehr als ein Dutzend große Chipfabriken mit einem Investitionsvolumen von über 200 Milliarden US-Dollar (US$) in der Pipeline. Unter den Investoren sind Intel, Samsung und Taiwan Semiconductor Manufacturing weltweite Marktführer in der Auftragsfertigung. Marktanalysten zufolge entstehen in den nächsten Jahren 50 bis 70 Prozent aller Halbleiterfabriken weltweit in den USA.

    Doch auch in anderen Branchen schwingen sich die USA zum Konkurrenten von China auf. So findet aktuell keine Fertigung von Solarzellen statt. Das soll sich in den nächsten Jahren ändern. Der Inflation Reduction Act (IRA) garantiert hier umfangreiche Steuervergünstigungen. Nach Angaben der Solar Energy Industry Association (SEIA) wurden im Verlauf des Jahres 2023 Investitionen von 100 Milliarden US$ in die gesamte Fotovoltaik-Wertschöpfungskette angekündigt. Darüber hinaus haben Autobauer Vorhaben gleichen Umfangs für Fabriken zur Produktion von Batterien und Elektroautos in Aussicht gestellt.

    US-Handelsbeschränkungen halten chinesische Wettbewerber fern

    Zölle verhindern weitgehend den Import von Solarmodulen aus dem Reich der Mitte. Die meisten Einfuhren kommen aus Südostasien. Zugleich erhalten Elektrofahrzeuge, deren Batteriekomponenten aus der Volksrepublik oder anderen problematischen Ländern stammen, keine staatliche Förderung. Sie beträgt 7.500 US$ pro Wagen. 

    Trotzdem macht sich Washington Sorgen. Da China etwa die Kapazitäten zur Solarzellenfertigung massiv ausbaut, fallen die Weltmarktpreise rasant. Dadurch rechnen sich viele US-Fabriken trotz großzügiger Steuererleichterungen nicht mehr, erste Investoren legten Projekte auf Eis. US-Finanzministerin Yellen reiste deshalb im April 2024 nach Beijing, um Fragen der Überkapazitäten zu besprechen Ergebnisse blieben zunächst aus. 

    Die im Mai 2024 eingeführten beziehungsweise erhöhten Zölle können daher eine Reaktion sein, unterstützen aber auch im Wahlkampf. Der 100-Prozent-Zoll auf Elektroautos wird angesichts der geringen Importe zunächst keine große Veränderung bewirken, schwieriger zu finden sind dagegen Alternativen für Batterien oder Solarzellen.

    Während die US-Regierung auf die Protektionismus-Karte setzt, sind die Unternehmen weiter an einem intensiven Austausch mit China interessiert. Eine Anfang 2024 veröffentliche Umfrage der Amerikanisch-Chinesischen Handelskammer zeigt, dass für jede zweite befragte Firma China immer noch einer der wichtigsten drei Märkte der Welt ist. Dabei handelte es sich allerdings um den zweitschlechtesten Wert seit Jahren. Zudem zeigten sich die Unternehmen bezüglich ihrer Investitionsabsichten zurückhaltend. Über drei Viertel wollen ihre Kapazitäten in China nicht oder nur geringfügig ausbauen. Rund 12 Prozent planen, Fertigungsschritte zu verlagern. 

    Paradigmenwechsel in der Beschaffungspolitik

    Chinesische Güter sind in den USA nicht mehr so gefragt, besonders wenn sie bei öffentlichen Projekten oder in der kritischen Infrastruktur zum Einsatz kommen. Washington ließ im Frühjahr 2024 verkünden, sämtlich Kräne chinesischer Herkunft an den Seehäfen abbauen zu lassen. Auch die Privatwirtschaft ändert ihr Verhalten. Durch gestörte Lieferketten im Zuge der Coronapandemie diversifizieren die US-Unternehmen ihre Beschaffung oder kaufen verstärkt in der Nähe ein.

    Das Nearshoring machte sich 2023 deutlich bemerkbar: Während der Umschlag an den Seehäfen spürbar sank, florierte der Warentransport per Lkw. Die Zollstatistik förderte sogar eine Zeitenwende zu Tage: So war China über Jahrzehnte der größte Warenlieferant für die Vereinigten Staaten. Doch 2023 fiel die Volksrepublik auf Rang 2 zurück. In den ersten beiden Monaten 2024 hat sich diese Entwicklung fortgesetzt.

    Größter Gewinner des Nearshorings ist Mexiko, das 2023 auf Rang 1 der Einfuhrstatistik kletterte. Auch Kanada konnte in den vergangenen Jahren seine Lieferungen in die USA deutlich ausweiten. Ebenso profitierten Süd- und Südostasien. Die Einfuhren aus der ASEAN-Staatengemeinschaft wuchsen zwischen 2018 und 2023 um fast zwei Drittel. Insbesondere Vietnam wurde so etwas wie ein "zweites China". 

    Abhängigkeit von seltenen Erden bleibt hoch

    In einem Punkt blieben die Bemühungen der US-Regierung hinsichtlich Abkopplung allerdings schwierig: Nach wie vor ist das Land in hohem Maß auf seltene Erden aus China angewiesen. Nur bei wenigen Rohstoffen konnten alternative Bezugsquellen erschlossen werden. Der Aufbau einer einheimischen Förderung kommt nur langsam voran.

    Von Roland Rohde | Washington, D.C.

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