Branchen | Polen | Nahrungsmittel & Getränke
Deutsche Nahrungsmittelanbieter bedienen Marktnischen
Die Nahrungsmittelherstellung ist eine der polnischen Kernbranchen. Trotzdem schließen deutsche Produkte in Polen Marktlücken, etwa im Biobereich.
29.05.2024
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Trotz der umfangreichen inländischen Erzeugung von Nahrungsmitteln bestehen für deutsche Anbieter Absatzchancen auf dem polnischen Lebensmittelmarkt. Das betrifft insbesondere verpackte Bioprodukte, die Polen nur begrenzt selbst herstellt. Auch für Wein, Sekt, Spirituosen und Kaffee aus Deutschland bestehen Marktnischen, ebenso wie für Pralinen und andere Süßwaren. Zudem steigt die Nachfrage nach Fertiggerichten.
Wert | Veränderung | |
---|---|---|
Export | 51,8 | 8,1 |
Import | 33,2 | 2,9 |
Überschuss | 18,6 | 19,0 |
Deutschland deckt ein Viertel der Importe verarbeiteter Nahrungsmittel ab
Deutsche Anbieter haben eine starke Stellung unter den ausländischen Lieferanten. Nicht alle deutschen Produkte werden importiert, denn viele Firmen haben mittlerweile eigene Produktionsstätten in Polen. Bahlsen Polska verfügt über Keksfabriken in Skawina und Jawornik, beide in der Woiwodschaft Małopolskie. Tchibo Manufacturing Poland produziert in Marki bei Warschau Kaffee. Hochland stellt in Kaźmierz bei Poznań und in Węgrów bei Warschau Käse her. Die Produkte deutscher Investoren bereichern nicht nur das Angebot in Polen, sondern tragen auch zu den umfangreichen Exporten Polens bei.
Produktgruppe | Gesamtimport | Veränderung 1 | Import aus Deutschland | Anteil Deutschlands 2 |
---|---|---|---|---|
Lebende Tiere, tierische Produkte | 7.846 | 3,8 | 1.250 | 15,9 |
Pflanzliche Produkte | 8.689 | 16,7 | 1.214 | 14,0 |
Fette und Speiseöle | 2.691 | 27,5 | 416 | 15,5 |
Verarbeitete Nahrungsmittel | 13.022 | 5,5 | 3.282 | 25,2 |
Insgesamt | 32.248 | k.A. | 6.162 | 19,1 |
Nahrungsmittelumsätze steigen
Laut einer Erhebung von Statista Market Insights werden die Nahrungsmittelumsätze 2024 um rund 7,4 Prozent zulegen. Polnische Konsumenten achten beim Einkauf verstärkt auf den Preis, zumal sich Lebensmittel in der jüngeren Vergangenheit stark verteuerten. Inzwischen lässt der Preisauftrieb nach. Die Regierung führte daher ab 1. April 2024 den zuvor ausgesetzten Mehrwertsteuersatz von 5 Prozent für Grundnahrungsmittel wieder ein. Angesichts gestiegener Löhne soll laut Europäischer Kommission der Privatkonsum 2024 und 2025 der Hauptmotor für das Wirtschaftswachstum in Polen sein. Diese Entwicklung verbessert auch die Zulieferchancen für deutsche Lebensmittel.
Bereits im 1. Quartal 2024 lagen die Umsätze der Einzelhandelsfirmen mit mindestens zehn Beschäftigten für Nahrungsmittel, Getränke und Tabakwaren laut dem Statistikamt GUS real um 2,4 Prozent höher als im 1. Quartal 2023 (2023: real -3,1 Prozent zu 2022).
Produktgruppe | Gesamtexport | Veränderung 1 | Export nach Deutschland | Anteil Deutschlands 2 |
---|---|---|---|---|
Lebende Tiere, tierische Produkte | 14.232 | 3,0 | 3.509 | 24,7 |
Pflanzliche Produkte | 8.505 | -1,1 | 2.722 | 32,0 |
Fette und Speiseöle | 1.570 | 34,7 | 383 | 24,4 |
Verarbeitete Nahrungsmittel | 23.560 | 6,4 | 5.355 | 22,7 |
Insgesamt | 47.867 | k.A. | 11.969 | 25,0 |
Weiter großes Potenzial für Bioprodukte
Marktchancen bieten unter anderem hochpreisige Bioprodukte. Zielgruppe sind hier insbesondere wohlhabende urbane Bevölkerungsschichten. Ökologische Erzeugnisse dürften mit dem steigenden Umweltbewusstsein in Polen künftig an Bedeutung gewinnen. "Bionahrungsmittel halten in Polen weiter einen Anteil am Lebensmittelmarkt von nur 0,5 Prozent gegenüber circa 12 Prozent in Westeuropa. Daher besteht noch ein sehr großes Wachstumspotenzial", sagt der Hauptgeschäftsführer von Bio Planet, Sylwester Strużyna, dem Portal Stockwatch.pl. Bio Planet produziert und vertreibt Bioprodukte vor allem als Großhändler. Die größte Einzelhandelskette in diesem Marktsegment ist Organic Market mit 19 Biomärkten.
Die inländische Erzeugung von Bioprodukten wird längerfristig eher gering bleiben. Laut der Inspektion zur Handelsqualität von Agrar- und Nahrungsmittelerzeugnissen IJHARS sinkt die ökologische Herstellung tierischer Produkte derzeit. Solche Lücken füllen Importe.
Die Anzahl der Biobauernhöfe stieg 2023 leicht auf schätzungsweise 24.000. Sie belegten Ende 2022 laut IJHARS eine Gesamtfläche von 554.632 Hektar (darunter 159.888 Hektar noch in Umwandlung), was 3,5 Prozent der gesamten Agrarfläche entspricht. Fachleute halten eine Verdoppelung auf 7 Prozent bis 2030 für möglich. Die Europäische Kommission strebt indes einen Durchschnittsanteil in der EU von 25 Prozent 2030 an. Viele polnische Bauern scheuen den Aufwand.
Pflanzliche Alternativen für Fleisch erfreuten sich als Nischenprodukte noch bis 2022 einer wachsenden Beliebtheit. Seither ist die Nachfrage nach solchen Produkten jedoch merklich eingebrochen. Die Gründe sehen Marktkenner unter anderem in den gestiegenen Preisen im Vergleich zu Fleisch. Das heimische Angebot hat an Vielfalt verloren, weil sich Anbieter aus dem Marktsegment zurückgezogen haben. Experten bewerten diese Nachfragedelle jedoch als vorübergehend und erwarten künftig wieder Zuwächse. Neue Varianten sollen Verbraucher überzeugen. Das böte neue Zulieferchancen für deutsche Produkte.
Hersteller setzen zunehmend auf Milchersatz
Die Verkäufe pflanzlicher Alternativen für Molkereiprodukte stiegen dagegen laut der auf Handelsketten spezialisierten Marktforschungsfirma NielsenIQ 2023 auf rund 220 Millionen Euro. Pflanzliche Milch hält an den Verkäufen von Milch insgesamt einen Anteil von bereits fast 7 Prozent. Diese stammt auch aus dem Inland. So produziert Polens größter Hersteller von Säften und Nektaren Tymbark inzwischen auch alternative Milchgetränke auf Haferbasis namens Just Plants. Die bezogen auf 2023 drittgrößte Molkereigruppe Polmlek stellt ebenfalls pflanzliche Alternativen unter der Marke Nutri Vege her. Es kommen immer wieder neue Produkte hinzu.
Auch die Beliebtheit von Kaffee wächst. Die Verkäufe davon an private Haushalte und Gastronomen lagen 2023 bei über 1,5 Milliarden Euro. Die Kaffeeimporte stiegen 2023 laut GUS auf 195.200 Tonnen. Rund 94 Prozent der Haushalte kaufen gemäß GfK Kaffee. Die Marktforschungsagentur Kantar hat im Auftrag von Tchibo ermittelt, dass der Pro-Kopf-Kaffeeverbrauch in Polen derzeit bei rund 4 Kilogramm jährlich liegt. Zum Vergleich: In Deutschland betrug er 2023 laut Statista 4,8 Kilogramm.
Beim Alkoholkonsum dominieren Bier und Wodka aus polnischer Produktion den Markt. Whisky ist ebenfalls beliebt. Für weitere ausländische Spirituosen bleiben Marktnischen. Bei Wein, der vor Ausbruch des Ukraine-Krieges und den darauf folgenden Preissteigerungen immer häufiger nachgefragt wurde, sind die Umsätze in den letzten zwei Jahren zurückgegangen: Der Umsatz lag laut NielsenIQ 2023 bei rund 1 Milliarde Euro (2020: 1,3 Milliarden Euro). Polen steht derzeit auf Platz fünf der bedeutendsten Absatzmärkte für deutsche Weine laut Deutschem Weininstitut.
Name der Messe | Thematik | Termin / Ort |
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Polagra | Food, Horeca, Foodtech | 25. bis 27.9.2024, Poznań |
Bioagro Polska | Bio- und Öko-Produkte | 15. bis 17.11.2024, Warschau |
World Food Poland | Nahrungsmittel(-verarbeitung), Getränke, Verpackung | 8. bis 10.4.2025, Warschau |