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Markttrends
In Polen haben sich Nahrungsmittel in Folge des Kriegs in der Ukraine stark verteuert. Verbraucher greifen verstärkt zu den günstigsten Produkten, darunter Eigenmarken.
19.07.2023
Von Beatrice Repetzki | Berlin
Die Inlandsnachfrage nach Nahrungsmitteln und Getränken wuchs von März 2022 bis Februar 2023 laut Marktforschungsunternehmen Nielsen IQ auf Złoty-Basis nominal um 17,7 Prozent auf 40 Milliarden Euro. Mengenmäßig stieg sie jedoch nur um 1,4 Prozent, trotz zahlreicher ukrainischer Flüchtlinge in Polen. Nielsen untersuchte vor allem große Handelsketten.
Im März 2023 lagen die Lebensmittelpreise laut dem Statistischen Hauptamt GUS um 24 Prozent höher als im März 2022. Besonders stark verteuerten sich Milch, Käse, Eier und Zucker. Die Verbraucher reagieren noch preisbewusster und greifen gerne zu Eigenmarken der Supermärkte.
Folgen des Kriegs in der Ukraine stellen Nahrungsmittelbranche vor Herausforderungen
Landwirtschaft und Nahrungsmittelindustrie sind von verschiedenen Turbulenzen in Folge des Ukrainekrieges betroffen. Zunächst stiegen die Erzeugerpreise und damit auch die Verbraucherpreise kräftig. Seit 25. Mai 2022 hat die EU den Zoll auf ukrainische Agrarerzeugnisse befristet ausgesetzt. So importierte Polen 2022 rund 2,45 Millionen Tonnen Getreide aus der Ukraine. Im Jahr 2021 hatte dieser Getreideimport noch 0,1 Millionen Tonnen betragen.
Da die Ukraine verstärkt den Landweg durch die EU für ihre Exporte etwa nach Afrika nutzen muss und die Umschlagkapazitäten in Ländern wie Polen dafür nicht ausreichen, stapelte sich dort das Getreide. Am 15. April 2023 verhängte Polen wegen des immensen Preisdrucks einseitig einen Importstopp für ukrainische Agrargüter. Die EU stellt nun mittelosteuropäischen Bauern Entschädigungszahlungen in Aussicht. Zuvor hatte sie ein polnisches Programm zur Förderung der Weizen- und Maiserzeugung mit Direktzuschüssen in Höhe von 126 Millionen Euro gebilligt.
Erzeugung verteuert sich
Da Lieferungen von Dünger aus Russland und Belarus ausbleiben, sind Polens Landwirte stärker auf die inländische Düngemittelproduktion angewiesen. Diese benötigt teures Erdgas, was die Preise für Dünger und folglich auch für Nahrungsmittel polnischer Erzeuger weiter in die Höhe treibt. Um hier gegenzusteuern, hatte die Regierung bis Ende 2022 den Mehrwertsteuersatz für Dünger auf 0 Prozent gesenkt und Düngerkäufe durch Landwirte mit 54 Euro bis 108 Euro pro Hektar bezuschusst. Seit Anfang 2023 gilt wieder der Mehrwertsteuersatz von 8 Prozent. Die Regierung sucht nach alternativen Möglichkeiten, um auf dem Düngermarkt zu intervenieren.
Zudem soll der reduzierte Mehrwertsteuersatz, der seit dem 1. Februar 2022 auf 0 Prozent abgesenkte wurde für zwei Drittel der Nahrungsmittel, noch bis Ende Juni 2023 gelten. Das soll dem Preisauftrieb zusätzlich entgegenwirken. Denkbar ist eine weitere Verlängerung bis Jahresende. Im Jahr 2022 waren die Produzentenumsätze vor allem nominal kräftig gestiegen.
Kategorie | 2021 1) | 2022 1) | 2023 1) | Veränderung 2023/2022 2) |
---|---|---|---|---|
Nahrungsmittel | 61,20 | 82,91 | 88,86 | 0,0 |
Getränke | 5,30 | 6,31 | 7,21 | -1,7 |
Tabakwaren | 1,87 | 2,03 | 2,29 | -0,5 |
Weitere Investitionen in Kapazitätsausbau absehbar
Die Nahrungsmittelindustrie muss weiter investieren, um ihre Kapazitäten zu erhöhen und durch Automatisierung ihre Effizienz zu steigern. Moderne Verpackungen sollen die Umwelt weniger belasten. Beispielsweise investiert Tymbark-MWS, ein polnischer Hersteller von Säften, Nektar und anderen Getränken, 40 Millionen Euro in die Modernisierung seiner Fabrik in Zator im Krakauer Technologiepark. Ganz in der Nähe in Andrychów will das Konkurrenzunternehmen Wosana 10,1 Millionen Euro für seinen Maschinenpark aufwenden.
Die Investitionen in die Nahrungsmittelproduktion waren bereits 2022 gestiegen. Die Aufwendungen von Unternehmen mit mindestens 50 Beschäftigten erreichten laut GUS 2.247 Millionen Euro. Das entsprach auf Złoty-Basis einem nominalen Zuwachs um 19,5 Prozent gegenüber 2021. Auch die Investitionen in die Getränkeherstellung haben auf 275,2 Millionen Euro zugelegt (+11 Prozent). Die Tabaksparte wandte dagegen nur noch 70,7 Millionen Euro auf (-46,2 Prozent).
Pflanzliche Alternativen im Kommen
Während Bio- und Ökoprodukte wegen ihrer hohen Preise etwas weniger gefragt sind, werden pflanzliche Alternativen für Fleisch- und Milchprodukte beliebter. Diese waren vom Preisauftrieb weniger betroffen als tierische Erzeugnisse. Die Verkäufe pflanzlicher Alternativprodukte erreichten laut Good Food Institute Europe, das sich auf Angaben von Nielsen IQ stützt, in Polen 2022 rund 166,9 Millionen Euro.
Während die mengenmäßige Nachfrage nach tierischer Milch 2022 gegenüber 2020 um 1 Prozent sank, stieg die Nachfrage nach pflanzlichen Milchalternativen um 39 Prozent. Bei veganem Käse ergab sich ein Plus von 19 Prozent. Die Nachfrage nach veganen Jogurts und Desserts verdoppelte sich sogar. Pflanzlicher Milchersatz hatte 2022 bereits einen Marktanteil von 10 Prozent an den gesamten Milchverkäufen. Pflanzenbasierter Fleischersatz erreichte einen Anteil von etwa 15 Prozent an den Verkäufen verpackter Fleischwaren.
Produktgruppe | 2020 2) | 2021 2) | Veränderung 2021/2020 3) |
---|---|---|---|
Nahrungsmittel | 46.977 | 51.121 | 11,8 |
Fleisch und -produkte | 15.054 | 15.732 | 7,4 |
Molkereiprodukte | 7.255 | 8.148 | 15,4 |
Backwaren, Produkte auf Mehlbasis | 3.725 | 3.982 | 9,8 |
Verarbeitetes Obst / Gemüse | 3.307 | 3.728 | 15,8 |
Fisch, Schalen- und Weichtiere | 3.081 | 3.178 | 6,0 |
Kakao, Schokolade, übrige Süßwaren | 1.687 | 1.864 | 13,5 |
Tierische / pflanzliche Öle / Fette | 1.350 | 1.996 | 51,9 |
Getränke (ohne Saft, Milch) | 7.465 | 7.967 | 3,1 |
Gefragt sind auch Fertiggerichte jeglicher Art. Laut GUS erreichten die Produzentenumsätze damit 2021 rund 639 Millionen Euro nach 538 Millionen Euro 2020. Das ist auf Złoty-Basis nominal ein Plus von 22 Prozent.
Beratungen über Pfandsystem laufen
Ab 2025 müssen in Polen 77 Prozent der Abfälle getrennt eingesammelt werden. Ab 2029 liegt die Quote bei 90 Prozent. Um diese Vorgaben zu erfüllen, ist die Einführung eines Pfandsystems notwendig. Darüber wird derzeit beraten. Ein entsprechender Gesetzesentwurf soll im 2. Quartal 2023 an das Parlament (Sejm) geleitet werden. Er könnte frühestens Anfang 2025 in Kraft treten. Handelsketten wie Carrefour, Żabka oder Lidl beginnen oder testen schon jetzt aus eigener Initiative solche Rücknahmesysteme - etwa mit Flaschenautomaten.
Mitte April 2023 verabschiedete der Sejm bereits ein Gesetz zu Single Use Plastics gemäß einer EU-Richtlinie. Verboten werden darin Einweggegenstände aus Plastik wie Besteck, Becher, Verpackungen für Speisen zum Mitnehmen. Die wichtigsten Bestandteile des Gesetzes treten Mitte des Jahres 2024 in Kraft.
Stand: Mai 2023