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Branchen | Polen | Energieerzeugung

Partner für Bau von Kernkraftwerken soll bis Ende 2022 feststehen

Unternehmen aus den USA, Frankreich und Südkorea wollen Polens geplante Atomkraftwerke bauen. Energieintensive Unternehmen interessieren sich vor allem für kleine Reaktoren.

Von Christopher Fuß | Warschau

Im September 2022 hat der US-amerikanische Energieriese Westinghouse sein Angebot für den Bau eines Atomkraftwerks eingereicht. Damit liegen der polnischen Regierung die Unterlagen von allen potenziellen Technologiepartnern vor. Bereits im Oktober 2021 stellte das französische Staatsunternehmen Électricité de France (EDF) sein Konzept vor. Der dritte Bewerber ist das südkoreanische Unternehmen Korea Hydro & Nuclear Power (KHNP).

Im Laufe des 4. Quartals 2022 will die Regierung den Zuschlag vergeben. Zwei Kraftwerke befinden sich in Planung. Die staatliche Projektgesellschaft Polskie Elektrownie Jądrowe (PEJ) hat für den Standort Choczewo bei Gdańsk bereits einen Umweltbericht vorgelegt. Das ist eine wichtige Voraussetzung für die Baugenehmigung. Laut Thinktank Polnisches Wirtschaftsinstitut (Polski Instytut Ekonomiczny; PIE) könnte das zweite Kraftwerk in Zentralpolen entstehen. Beide Anlagen zusammen sollen eine Leistung zwischen 6,6 und 9,9 Gigawatt haben.

Bedeutung der Atomkraft für Polen

Polen deckt bis zu 70 Prozent seines Strombedarfs mit klimaschädlicher Braun- und Steinkohle. Das soll sich ändern. Der Ausbau der Kernenergie ist für Polen ein zentraler Baustein, um den Ausstoß von Emissionen zu reduzieren. Bislang produziert das Land keinen Strom aus Atomkraft. Bei Warschau ist ein Forschungsreaktor in Betrieb. Die Endlagersuche spielt in Polen bislang eine Nebenrolle.


Polen erwartet finanzielle Beteiligung

Der Preis allein entscheidet nicht über den Zuschlag. Ein Partner soll 49 Prozent der Baukosten übernehmen. Im Gegenzug könnte der Technologielieferant am Stromverkauf mitverdienen. Polnische Firmen sollen möglichst viele Unteraufträge erhalten.

Die Regierung Polens hat ein PDF-Dokument mit potenziellen Subunternehmen veröffentlicht. Auf der Liste stehen auch die polnischen Niederlassungen deutscher Firmen wie Bilfinger oder Siemens Energy. PIE schätzt die Kosten für beide Kraftwerke auf 39 Milliarden Euro.

Folgt man Polens offizieller Energiestrategie (Polityka energetyczna Polski 2040), beginnen die Bauarbeiten bereits 2026. Bis 2033 soll der erste Reaktor seinen Betrieb aufnehmen. Beobachter rechnen mit deutlichen Verspätungen. Polens Energieministerin Anna Moskwa hält den Zeitplan für realistisch. Ein vom Kabinett im August 2022 verabschiedetes Gesetz soll den Planungsprozess beschleunigen.

Anbieter suchen Partner

Wenige Details aus den eingereichten Angeboten sind öffentlich. Laut Tageszeitung Rzeczpospolita schlägt die US-amerikanische Westinghouse für den Standort Choczewo ein Kraftwerk mit einer Leistung von 3,6 Gigawatt vor. Bei der Umsetzung greift Westinghouse auf die Expertise des ebenfalls amerikanischen Baukonzerns Bechtel zurück. Doch auch polnische Firmen sollen mitverdienen. Laut eigener Auskunft steht Westinghouse im Kontakt mit hunderten Partnern aus Polen. Westinghouse Senior Vize-Präsident Elias Gedeon sieht in der Beteiligung an den Baukosten kein Problem: "Wir haben uns verpflichtet, Kapital beizusteuern", erklärte er auf einem Wirtschaftsforum. Unklar sind die zukünftigen Eigentumsverhältnisse. Der Westinghouse-Eigentümer Brookfield Business Partners will die Energiegesellschaft verkaufen.

Das Angebot der französischen EDF beinhaltet den Bau von vier bis sechs Reaktoren. Im Jahr 2033 will EDF den ersten Strom produzieren. Der letzte Reaktor soll laut Unternehmensauskunft 2043 ans Netz gehen. EDF hat sich bereit erklärt, Teile der Baukosten zu übernehmen. Kooperationsvereinbarungen mit polnischen Lieferanten liegen ebenfalls vor. Die Franzosen stellen in Aussicht, Turbinen und Generatoren in Polen zu bauen.

Auch KHNP will Projektkosten übernehmen. Die Kalkulation der Südkoreaner soll laut Wirtschaftsportal Biznes Alert Pläne für den Technologietransfer enthalten. Der KHNP-Partner Doosan könnte ein Werk in Polen aufbauen und dort Turbinen und Kühlsysteme fertigen. KHNP hat außerdem vorgeschlagen, mit den USA als Partner zusammenzuarbeiten.

Die Auftragsvergabe ist politisch. Regierungsvertreter aus allen drei Partnerländern machen sich für ihre Unternehmen stark. In Polen wiederum musste der Regierungsbeauftragte für Energieinvestitionen, Piotr Naimski, im Sommer 2022 seinen Hut nehmen. Zeitungen bringen den Rauswurf mit Naimskis ablehnender Haltung gegenüber der mittlerweile vollzogenen Fusion der staatlichen Mineralölunternehmen PKN Orlen und Grupa Lotos in Verbindung. Der Abgang könnte das Vergabeverfahren verlängern. Immerhin: Wenige Tage nach Naimskis Abgang stand mit Mateusz Berger ein Nachfolger fest.

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Kleine Reaktoren punkten besonders in einer Branche

Über die staatlichen Pläne hinaus haben mehrere Unternehmen Interesse an sogenannten kleinen modularen Reaktoren (Small Modular Reactor; SMR) angemeldet. Ein solches Mini-Kraftwerk versorgt einen energieintensiven Betrieb mit Strom. Die Technologie ist jung und teuer.

Der polnische Bergbaukonzern KGHM hält darum staatliche Kreditgarantien für notwendig. Das Unternehmen arbeitet mit dem US-amerikanischen Technologielieferanten NuScale an SMR. Im Februar 2022 haben beide Firmen einen Kooperationsvertrag unterschrieben. KGHM will SMR in eigenen Werken installieren. Die Kosten schätzt der Konzern auf bis zu 400 Millionen Euro. Eine Finanzierungszusage der polnischen Regierung gibt es bislang nicht. NuScale wiederum hat auch mit dem polnischen Ölimporteur Unimot eine Kooperationsvereinbarung unterzeichnet.

Der polnische Mineralölriese PKN Orlen will gemeinsam mit dem Chemieunternehmen Synthos Group kleine Reaktoren bauen. Die nötige Kraftwerkstechnik kommt von der amerikanischen GE Hitachi Nuclear Energy. Das Ziel der Partner lautet, bis 2030 den ersten Mini-Reaktor Polens in Betrieb zu nehmen. Synthos arbeitet außerdem mit dem Braunkohleunternehmen ZE PAK zusammen. Beide Unternehmen planen, bis zu sechs Reaktoren mit je 300 Megawatt zu bauen. Technologielieferant ist auch hier die amerikanische GE Hitachi Nuclear Energy. Eine dritte Absichtserklärung unterzeichnete Synthos mit dem Chemiehersteller Ciech.

Überhaupt scheint die Chemiebranche sehr angetan von der SMR-Technologie. So signalisierte auch Polens größter Hersteller von Düngemittel, Grupa Azoty, Interesse an SMR. Die polnische Vertretung des Stahlherstellers ArcelorMittal ist skeptischer. In einer Stellungnahme heißt es: "Sowohl die [SMR]-Technologie selbst als auch die rechtlichen Voraussetzungen erfordern noch viel Arbeit."

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