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Die USA setzen auf Atomenergie und Kernfusion

Nicht nur die Regierung treibt die Kernkraft voran. Auch die großen IKT-Konzerne marschieren in dieselbe Richtung. Sie glauben an einen raschen Durchbruch der Kernfusion.

Von Roland Rohde | Washington, D.C.

Die USA sind der weltweit größte Betreiber von Kernkraftwerken. Laut der Energy Information Agency (EIA) beherbergte das Land 2024 mehr als 90 Reaktorblöcke. Sie waren dabei für rund ein Fünftel der landesweiten Stromerzeugung verantwortlich. Doch es handelt sich überwiegend nicht um moderne Anlagen. Ihr Durchschnittsalter lag bei 43 Jahren.

In den letzten Jahren gab es kaum noch neue Projekte. So gingen 2023 und 2024 zwei Kraftwerksblöcke im Bundesstaat Georgia in Betrieb. Das 2.000-Megawatt-Projekt soll laut dem Wall Street Journal etwa 30 Milliarden US-Dollar (US$) gekostet haben. Die Summe habe weitere Investoren abgeschreckt, zumal die Preise für Solarmodule und Windkraftanlagen kontinuierlich sinken.

Zusätzlich konnten die regenerativen Energien dank des Inflation Reduction Act (IRA) umfangreiche Steuererleichterungen in Anspruch nehmen. Doch damit wird bald Schluss sein. Laut dem verabschiedeten Gesetz "One Big Beautiful Bill Act" werden die meisten Förderungen für grüne Energien bis Ende 2027 sukzessive auslaufen. Ab dann müssen sie sich selbst rechnen.

Dekret zur Förderung der Kernenergie erlassen

US-Präsident Donald Trump setzt stattdessen auf Kohle, Gas, Öl – und auf die Kernenergie. In einem Dekret vom 23. Mai 2025 ("executive order") verfügte er den Ausbau und die Förderung moderner Kerntechnologien. Bis 2030 peilt Trump den Baustart von zehn großen Kraftwerksblöcken an. Doch auch Mikroreaktoren in Modularbauweise werden in dem Dekret genannt. Die landesweite Atomstromerzeugung soll sich bis 2050 sogar vervierfachen.

Die Erfolgsaussichten lassen sich zum jetzigen Zeitpunkt schwer abschätzen. Spezifische Maßnahmen enthält das Dekret nicht. Im Haushalt sind auch keine nennenswerten Förderungen vorgesehen. Allerdings können die Kapitalgeber mit beschleunigten Genehmigungsverfahren rechnen. Schon trauen sich die ersten Bundesstaaten aus der Deckung: Die Gouverneurin des US-Staats New York kündigte dank des Rückenwinds aus dem Weißen Haus im Juni 2025 Baupläne für ein 1.000-Megawatt-Kernkraftwerk an.

Große Proteste blieben aus. Das liegt einerseits an der hohen Akzeptanz. Laut einer Umfrage von Bisconti Research stehen Mitte 2025 gut 70 Prozent der Bevölkerung der Kernkraft positiv gegenüber. Andererseits sprechen die wirtschaftlichen Notwendigkeiten für die Beibehaltung beziehungsweise den Ausbau der Kernkraft. Der Strombedarf der USA soll in den kommenden Jahrzehnten kontinuierlich steigen, sodass alle technologischen Optionen auf dem Tisch liegen.

US-Stromverbrauch steigt bis 2050 um die Hälfte

Die EIA geht für den Zeitraum von 2024 bis 2050 von einer jährlichen Zunahme des Energieverbrauchs von 1,6 Prozent aus. Absolut gesehen soll er von 4,2 Billionen Kilowattstunden auf 6,3 Billionen Kilowattstunden zulegen. Das kommt einer Steigerung von 50 Prozent gleich. Parallel werden in den 2040er-Jahren zahlreiche alte Meiler abgeschaltet, denn die maximale Nutzungsdauer liegt bei 80 Jahren. Auch viele Kohlekraftwerke dürften nach und nach schließen. Daraus ergibt sich ein riesiger Investitionsbedarf.

Für die starke Zunahme des Stromkonsums ist unter anderem der gewerbliche Sektor und dort insbesondere die IKT-Industrie verantwortlich. Die großen Mitspieler wie Microsoft, Alphabet, Amazon und Meta investieren massiv in künstliche Intelligenz und in riesige Datencenter. Amazon etwa plant in Indiana den Bau von 30 Anlagen. Deren Strombedarf soll bei 2.200 Megawatt liegen. Das entspricht zwei großen Kraftwerksblöcken. Insgesamt befinden sich zur Jahresmitte 2025 nach Angaben von CB Richard Ellis Datencenter mit einem Energiebedarf von 6.350 Megawatt im Bau.

Künstliche Intelligenz und Datencenter sind enorm energiehungrig

Laut einer Studie des Electric Power Research Institute dürfte der von Rechenzentren in den USA generierte Strombedarf allein zwischen 2023 und 2030 um 80 Prozent steigen. Dabei handelt es sich um den Durchschnittswert von vier Szenarien. Im Extremfall ist sogar ein doppelt so hohes Wachstum möglich. Nach Einschätzung des Analyseunternehmens betrug der Stromverbrauch von Datenzentren 2023 rund 4 Prozent des Gesamtverbrauchs im Land. Er dürfte bis 2030 auf 6,5 Prozent steigen, im extremen Szenario sogar auf 9 Prozent.

Immer mehr lokale Stromanbieter können für neue Projekte keine ausreichende Versorgung mehr garantieren. In manchen Fällen werden Anfragen auf die nächste Dekade vertröstet. In Salt Lake City (Utah) gibt es ein Moratorium für Datencenter. In Santa Clara (Kalifornien) werden keine Anträge für Stromanschlüsse mehr angenommen. Virginia müsse teilweise zu Rationierungen greifen, berichtete das Wall Street Journal im Herbst 2024.

Daher greifen die Unternehmen zu teils ungewöhnlichen Methoden: Microsoft lässt den Three Mile Island Reaktor reaktivieren. Dort war es 1979 zu einem Unfall gekommen, der zur Stilllegung geführt hatte. Zugleich aber setzen die IKT-Riesen auf die Kernfusion als Zukunftstechnologie. Dabei legen sie eine erstaunliche Zuversicht an den Tag.

Strom aus Fusionsreaktoren bis 2028 ist unrealistisch

Microsoft unterzeichnete bereits 2023 einen Abnahmevertrag mit der Firma Helion. Diese verspricht für 2028 die erste Stromlieferung. Im Juli 2025 starteten die Bauarbeiten an dem mit 50 Megawatt recht kleinen Reaktor. Google unterzeichnete im Juni 2025 einen Vertrag mit dem Start-up Commonwealth Fusion Systems zum Bau eines Fusionsreaktors mit einer Leistung von 200 Megawatt. Die Partner sprechen von einem Regelbetrieb in den 2030er-Jahren.

Dieses Zeitfenster erscheint wesentlich realistischer als ein Startdatum in drei Jahren. Viele technische Probleme bei der Nutzung der Kernfusion sind nicht gelöst. Von einem Regelbetrieb sind Forscher und Ingenieure noch meilenweit entfernt – erst recht von einer wirtschaftlichen Nutzung.

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