Interview | Polen | Ausländische Direktinvestitionen
"Mitarbeiter aus Polen helfen uns auf der ganzen Welt"
Polen ist integraler Teil europäischer Wertschöpfungsketten. Ein Interview mit dem Aufsichtsratsvorsitzenden des Kfz-Zulieferers Kirchhoff beleuchtet die Standortfaktoren.
25.06.2025
Von Christopher Fuß | Warschau
Der Automobilzulieferer Kirchhoff baute Ende der 1990er Jahre sein erstes Produktionswerk in Polen. Mittlerweile hat die Automotive-Sparte des Unternehmens Standorte in den Städten Mielec, Gliwice und Gniezno. Der Vorsitzende des Aufsichtsrates von Kirchhoff, Arndt G. Kirchhoff erklärt, welche Rolle Polen im internationalen Produktionsnetzwerk des Zulieferers spielt.
Was spricht aus Ihrer Sich für Polen?
Die Lohnkosten in Polen sind sehr attraktiv. Außerdem finden wir hier gut ausgebildete Arbeitskräfte. Wir brauchen Personal mit einer technischen Ausbildung. Diese Leute kriegen wir dank der Universitäten in der Nähe unserer Produktionswerke. Die Mitarbeiter in Polen zeigen viel Einsatz und Eigeninitiative. Bemerkenswert ist auch die Begeisterung, mit der uns die lokalen Behörden unterstützen.
Abgesehen von der Teileproduktion - Welche Aufgaben übernehmen ihre polnischen Standorte noch?
Wir haben mittlerweile viel Entwickler-Personal in Polen. Allein in der südostpolnischen Stadt Mielec arbeiten für uns zwischen 60 und 70 Ingenieure.
Außerdem betreuen wir von Polen aus unsere weltweiten Aktivitäten im Bereich Nachhaltigkeit. Die Leiterin dieser Abteilung sitzt in Mielec. Das Thema Nachhaltigkeit ist sehr komplex. Dafür braucht man Spezialisten, die top ausgebildet sind. Diese Leute haben wir in Polen gefunden.
Welche Märkte beliefern Sie aus Polen?
Unsere Metallteile sind groß und schwer. Allzu lange Transportwege rechnen sich daher nicht. Im Wesentlichen beliefern wir von Polen aus unsere Kunden in Europa, zum Beispiel Volvo in Schweden oder Land Rover in Großbritannien. Dasselbe Prinzip verfolgen wir auch in anderen Regionen der Welt. In Nordamerika produzieren wir für Nordamerika und in Asien für Asien.
In Polen beliefern wir außerdem die Produktionsstätten von VW in Poznań oder Fiat und Opel in Südpolen. Hier haben wir logistische Vorteile, weil unsere Werke in der Nachbarschaft liegen.
Sie haben die Lohnkosten angesprochen. Laut Statistiken steigen die Lohnkosten in Polen deutlich schneller als in Westeuropa.
Da muss man genau hinschauen. Wenn in Polen ein Stundenlohn von 10 Euro um 10 Prozent steigt, dann ist das ein Plus von einem Euro. Wenn in Westeuropa der Stundenlohn von 40 Euro um 2 Prozent steigt, dann sind das immer noch 80 Cent. Das heißt, die Gehälter gleichen sich nur langsam an. Die Lohnvorteile bleiben auch in Zukunft. Natürlich gibt es in Polen Lohnsteigerungen, aber das haben sich die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter auch verdient!
Viele Unternehmen beklagen außerdem die gestiegenen Kosten für Strom und Gas. Welche Rolle spielen für Sie die Energiekosten?
Energiekosten sind kein Standortvorteil von Polen. Wir sehen das Thema dennoch relativ gelassen, da wir bei unseren Produktionsschritten keine hohen Temperaturen benötigen. Energiekosten machen einen niedrigen einstelligen Prozentsatz unserer Gesamtkosten aus. Die energieintensiven Branchen stehen hingegen unter Druck. Hier beträgt der Anteil der Energiekosten rund 30 Prozent an allen Kosten.
Polen war einer der ersten Auslandsstandorte von Kirchhoff. Inwieweit konnten Sie von den Erfahrungen in Polen profitieren?
Die Kolleginnen und Kollegen aus Polen helfen uns auf der ganzen Welt dabei, weitere Werke zu eröffnen. Das betrifft sowohl unsere Aktivitäten in Tschechien, Ungarn und Rumänien aber auch Amerika oder Asien. Wir haben polnische Mitarbeiter beispielsweise nach China geschickt, um eine Teile-Produktion aufzubauen, die wiederum ein nahegelegenes BMW-Werk versorgt. Polnische Kollegen haben außerdem in unseren weltweiten Engineering-Zentren in der Leitung mitgearbeitet. Wir profitieren davon, dass vor allem die jüngeren Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter bereit sind, längere Zeit im Ausland zu arbeiten.