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Industry with low carbon footprint. Industrial warehouses with solar panels on the roof. Technology park and factories from above. | © Kletr/stock.adobe.com

Special | V4-Länder | Polen

Polen: Weichenstellung für neues Wachstum

Chancen nicht nur in der Industrie

Globale Krisen konnten Polens Wachstumskurs nicht ausbremsen. Investitionen im Energiesektor, in der Infrastruktur und in der Automatisierungstechnik versprechen neue Impulse. Gleichzeitig will das Land stärker mit Partnern in der Region kooperieren. Wie erfolgreich die Entwicklungsstrategie sein wird, hängt auch von EU-Geldern ab.

Von Christopher Fuß | Warschau

Polens Wirtschaft hat in den vergangenen Jahren eine gewaltige Aufholjagd vollzogen. Das Bruttoinlandsprodukt des Landes wuchs seit dem EU-Beitritt um mehr als das Zweieinhalbfache - und damit fast doppelt so schnell wie im europäischen Durchschnitt. Auch der Handel mit internationalen Partnern zog an. Polen importiert und exportiert heute mehr Waren als je zuvor. Das Außenhandelsvolumen stieg seit 2004 um mehr als das Vierfache.

Der Erfolg des mit Abstand größten Binnenmarktes in der Visegrád-Gruppe fußt auf mehreren Säulen. Das Land profitiert von der Mitgliedschaft in EU und NATO. Polen nutzt europäische Fördergelder, um Straßen, Schienen, Gebäude und Unternehmen zu modernisieren. Die europäische Kontrollbehörde OLAF bestätigt, dass die Gelder effizient zum Einsatz kommen. Die geografische Nähe zu Deutschland und anderen westeuropäischen Absatzmärkten zieht in Kombination mit Zuschüssen internationale Investoren an. Hinzu kommt eine dezentrale Industrie- und Forschungslandschaft, die genug Raum für lokale Spezialisierungen lässt.

Schon gewusst?

Polen belegte Platz 5 in der Rangfolge deutscher Außenhandelspartner 2022.

Energie ist nicht das einzige Zukunftsthema

Anders als in vielen europäischen Ländern wächst in Polen die Industrie. Fabriken wollen modern und zukunftssicher produzieren. Das erhöht den Bedarf an Spitzentechnologie - auch aus Deutschland. Unternehmen fragen außerdem zunehmend nach emissionsarmer Energie. Die Kohlenation Polen steht unter Druck.

Windräder benötigen an Land nach einer Gesetzesänderung weniger Abstand zur übrigen Bebauung. In der Ostsee entstehen neue Offshore-Anlagen. Dank Kaufprämien boomen Solarpaneele und Wärmepumpen. In ehemaligen Bergbaugebieten sollen Fotovoltaikfarmen und Elektrolyseure Wasserstoff produzieren. Damit auch bei ungünstigen Wetterbedingungen nicht die Lichter ausgehen, will Polen alte Kohlekraftwerke durch Gas ersetzen. Zudem soll künftig auch Atomkraft eine wichtige Rolle im Energiemix spielen. Die staatliche Netzagentur hat milliardenschwere Investitionen angekündigt, damit die neuen Energiequellen angeschlossen werden können. Der Leitungsausbau ist auch nötig, um die wachsende Flotte an Elektroautos und -bussen mit Strom zu versorgen.

Polen sieht großes Potenzial im Handel mit Nord- und Südeuropa. Anders als auf der Ost-West-Achse fehlen aber gute Verkehrswege. Das dürfte sich ändern. Über 1.000 Kilometer an Autobahnen stehen auf Polens Investitionsliste, genauso wie neue Bahntrassen. Geplant sind nicht nur Anbindungen an das Baltikum oder die Slowakei. Für die Zeit nach dem Krieg gibt es Überlegungen, Normalspurschienen von Polen bis nach Lwiw oder Kyjiw in der Ukraine zu bauen. Ein wachsender regionaler Verkehr könnte ähnlich wie an der deutsch-polnischen Grenze den Bedarf an Umschlaghallen und Technik für die Intralogistik erhöhen.

Das Schienennetz wurde lange Zeit stiefmütterlich behandelt. Die Strecken in Polen sind in den allermeisten Fällen nicht auf Hochgeschwindigkeitszüge ausgelegt. Das könnte sich bald ändern. Polen will 1.800 Schienenkilometer neu verlegen oder sanieren. Ein Ziel lautet, Geschwindigkeiten von mindestens 250 Kilometern pro Stunde zu ermöglichen. Die großen Beförderungsunternehmen des Landes kündigen Investitionen in moderne Züge an. Die Projekte sind aber auf EU-Gelder angewiesen.

Das polnische Fernstraßennetz hat bereits gewaltige Entwicklungsschübe hinter sich. Heute sind die Autobahnen Polens sechsmal so lang wie 2004. Im Umfeld der Hauptverkehrswege lassen sich ausländische Produktionsfirmen nieder. Sie rüsten ihre Werke mit modernster Technik aus. Das nützt auch deutschen Lieferanten. Polnische Firmen wollen mithalten und setzen auf Automatisierung. Der Nachholbedarf ist groß. Es gibt in Polen deutlich weniger Industrieroboter als beispielsweise in Tschechien. Gleichzeitig erreichen die jährlichen Lohnzuwachsraten zweistellige Werte. Das erhöht den Bedarf nach automatisierten Produktionslinien - um Personal und damit Kosten zu sparen. Polens Regierung hilft mit Steuererleichterungen und Zuschüssen für Industrieroboter nach.

Die Modernisierungsstrategie trage bereits erste Früchte, berichtet Dr. Lars Gutheil, Geschäftsführer der Deutsch-Polnischen Industrie- und Handelskammer (AHK Polen): "Fast alle Branchen, von der Automobilindustrie über die Metall- und Kunststoffverarbeitung bis hin zur chemischen Industrie, investieren. Laut Untersuchungen hat es Polen im Jahr 2022 erstmals unter die 15 dynamischsten Märkte für Industrieroboter geschafft. Das ist ein beeindruckender Erfolg."

Großes Potenzial und einige Fragezeichen

Nicht nur die Industrie Polens lockt mit neuen Absatzchancen. Auch bei der medizinischen Versorgung tut sich etwas. Das Land will die öffentlichen Gesundheitsausgaben schrittweise erhöhen. Gleichzeitig boomen private Medizindienstleister, auch weil immer mehr Unternehmen ihren Beschäftigten Zusatzversicherungen anbieten. Neue Medikamente landen auf der Erstattungsliste. Staatliche Sonderfonds helfen Praxen und Kliniken, Medizintechnik einzukaufen und Prozesse zu digitalisieren. Die papierlose Patientenakte bleibt aber für viele Einrichtungen eine Herausforderung.

Auch die Berufsbildung in Polen steht vor großen Aufgaben. Anders als in Deutschland gibt es kein duales System. Das ändert sich langsam. Firmen starten in ihrem Umfeld regionale Bildungsinitiativen und kooperieren mit Berufsschulen. Deutsche Automobilhersteller treiben das Thema voran. Die Unternehmen wollen dem wachsenden Fachkräftemangel entgegenwirken.

Drei Faktoren werden voraussichtlich über die Zukunft von Polens Wirtschaft mitentscheiden. Dazu gehört erstens, wie konsequent das Land seinen Modernisierungsprozess vorantreibt. Die Energietransformation verläuft nicht ohne Rückschläge. Der Strukturwandel in Kohleregionen sorgt immer wieder für gesellschaftliche Konflikte. Zweitens könnten unklare Rahmenbedingungen wie zum Beispiel bei der Steuergesetzgebung die Unternehmen abschrecken. In der Vergangenheit hat das Land einige weitreichende Wirtschaftsreformen sehr kurzfristig auf den Weg gebracht - zum Unmut vieler Betriebe. Drittens hängen mehrere geplante Investitionen Polens an EU-Geldern. Die Mittel fließen nicht alle auf einmal, sondern in Tranchen. Voraussetzung ist, dass Polen verschiedene mit der Europäischen Kommission vereinbarte Reformen umsetzt. Je zügiger das Land die versprochenen Gesetze auf den Weg bringt, desto schneller stehen Gelder bereit für Projekte, von denen auch deutsche Zulieferer profitieren können.

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