Wirtschaftsumfeld | Polen | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Lohnkosten
Die Löhne steigen deutlich. Grund dafür ist auch die Inflation. Immerhin: In einigen Branchen entspannt sich die Lage etwas. Im regionalen Vergleich bleibt Polen konkurrenzfähig.
28.06.2023
Von Christopher Fuß | Warschau
Löhne und Gehälter
In nur wenigen Ländern in der EU müssen Arbeitgeber so hohe Lohnsteigerungen verkraften wie in Polen. Im April 2023 lag das Durchschnittsgehalt nominal um 12,8 Prozent über dem Vorjahresniveau. Die zweistelligen Wachstumsraten sind seit Ende 2021 ein Dauerphänomen.
Einige Branchen spüren diese Entwicklung besonders deutlich. So steigen die Entgelte im Logistiksektor merklich schneller als im Industrie-Durchschnitt. Vergleichsweise moderate Gehaltszuwächse gibt es bei IT-Dienstleistern. Das ist eine Trendwende, denn lange Zeit konnten Informatiker mit Aufschlägen von bis zu 20 Prozent rechnen. Auch das Baugewerbe muss sich angesichts der Konjunkturflaute mit unterdurchschnittlichen Zuwächsen abfinden.
Bitter für Arbeitnehmer: Die hohe Inflation frisst das Einkommensplus wieder auf. Immerhin sinkt mittlerweile die jährliche Teuerungsrate. Im Mai 2022 fiel sie auf 13 Prozent. Im Jahresdurchschnitt bleibt sie aber laut Polens Zentralbank NBP (Narodowy Bank Polski) noch bis 2024 zweistellig. Gepaart mit dem hohen Leitzins und teuren Krediten auf Eigentumswohnungen bedeutet das für Arbeitgeber: Auch in den kommenden Lohnrunden werden die Arbeitnehmer Druck machen.
Erste Anzeichen finden sich bereits in verschiedenen Untersuchungen vom Mai 2023. Laut Befragungen von Personaldienstleistern wie Randstad oder Personnel Service rechnen zwischen 60 Prozent und 80 Prozent aller Arbeitnehmer mit einer Gehaltserhöhung in den kommenden 12 Monaten.
Internationale Firmen zahlen mehr
Die zweistellige Inflation führt zu ungewöhnlichen Ansätzen. Arbeitgeber und Beschäftigte einigen sich auf eine Indexierung, also eine Kopplung des Gehalts an die Teuerungsrate. Die Manpower Group beobachtet solche Initiativen vor allem bei mittleren und höheren Führungskräften. Insgesamt handelt es sich bislang aber nicht um ein Massenphänomen.
Auch die unteren Einkommen sind in Bewegung. Bis Mitte 2024 wird der gesetzliche Mindestlohn in Polen voraussichtlich um fast 20 Prozent steigen - auf umgerechnet 1.022 Euro monatlich für Vollzeitbeschäftigte. Bereits zwischen 2022 und 2023 hatte die polnische Regierung ähnlich hohe Zuwächse durchgesetzt.
Laut WTW Consulting werden die Gehälter 2023 um 9 Prozent steigen. Internationale Investoren und Exporteure sehen mehr Spielraum. Sie wollen durchschnittlich 9,8 Prozent mehr zahlen. Das geht aus einer Befragung der internationalen Handelskammern in Polen unter ihren Mitgliedsunternehmen hervor.
Gehälter werden in der Landeswährung Złoty vereinbart. Der Wechselkurs zum Euro erholt sich seit Anfang 2023 von einer längeren Talfahrt.
2020 | 2021 | 2022 | 2023 1 | |
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nominal (in Złoty) | 5.167 | 5.663 | 6.346 | k.A. |
nominal (in Euro) 2 | 1.165 | 1.241 | 1.354 | k.A. |
reale Veränderung (in %) 3 | 1,7 | 3 | -2,1 | 0,3 |
Die Arbeitskosten, bestehend aus Arbeitnehmerentgelt und Steuern, lagen in Polen 2022 bei 12,50 Euro die Stunde und damit deutlich unter dem EU-Durchschnitt. Im regionalen Vergleich mit der Slowakei, Tschechien und Ungarn zahlen Arbeitgeber nur im letztgenannten Land noch weniger. Aber: Während die Lohnkosten im EU-Durchschnitt seit 2020 um 6,6 Prozent gestiegen sind, war es in Polen mehr als doppelt so viel. Für 2023 rechnet die Europäische Kommission mit einem weiteren Plus von 12,1 Prozent.
Die Gehälter ziehen nicht überall gleich an. Als Faustregel gilt: Im Osten Polens fallen die Lohnzuwächse niedriger aus als im Westen. In den industriestarken Woiwodschaften zahlen Unternehmen um ein Drittel höhere Durchschnittsgehälter als in den östlichen Regionen. Eine vergleichsweise günstige Region nahe der deutschen Grenze ist Lubuskie. Die höchsten Gehälter erhalten Beschäftigte in den Städten Krakau, Gdańsk und Warschau. Wichtig ist auch die Unternehmensgröße. In einer Firma mit weniger als 10 Beschäftigten liegt das mittlere Gehalt im Schnitt um 30 Prozent niedriger als in einer Firma ab 250 Beschäftigten.
1. Quartal 2023 (in Złoty) | Veränderung 1. Quartal 2023/2022 (in %)1 | 1. Quartal 2023 (in Euro)2 | |
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Information, Telekommunikation | 12.628 | 13 | 2.681 |
Finanz-, Versicherungswesen | 12.189 | 11 | 2.588 |
Energieerzeugung, -versorgung | 10.801 | 14 | 2.293 |
Professionelle, wissenschaftliche, technische Tätigkeit | 10.081 | 10 | 2.141 |
Bergbau | 10.759 | 13 | 2.285 |
Bildung | 7.539 | 13 | 1.601 |
Gesundheits- und Pflegewesen | 7.525 | 16 | 1.598 |
Immobilienbranche | 7.293 | 13 | 1.549 |
Insgesamt | 7.124 | 14 | 1.513 |
Land- und Forstwirtschaft, Fischerei | 7.428 | 17 | 1.577 |
Verarbeitendes Gewerbe | 6.736 | 12 | 1.430 |
Handel, Reparaturen von Kraftfahrzeugen | 6.725 | 11 | 1.428 |
Bauwirtschaft | 6.584 | 8 | 1.398 |
Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung | 6.161 | 10 | 1.308 |
Transport, Lagerwirtschaft | 6.772 | 22 | 1.438 |
Verwaltung, unterstützende Tätigkeit | 5.579 | 14 | 1.185 |
Hotel und Gastronomie | 5.299 | 14 | 1.125 |
Im Ingenieurwesen oder im IT-Sektor sind deutsche Sprachkompetenzen mit einem spürbaren Lohnaufschlag verbunden. Kommunikatives Englisch gilt ab mittleren Positionen als selbstverständlich. Ausländische Herstellungsbetriebe in Polen sind wegen ihres modernen Maschinenparks oft sehr produktiv. Das hat Auswirkungen auf die Gehälter. Die Personalagentur Sedlak & Sedlak rechnet vor, dass Medianlöhne in Firmen mit polnischem Eigentümer um 35 Prozent unter den Medianlöhnen von Unternehmen mit ausländischer Muttergesellschaft liegen.
Januar 2023 (in Złoty) | Januar 2023 (in Euro)* | |
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Geschäftsführung (mittelgroßer Produktionsbetrieb) | 48.000 | 10.193 |
Programmierung (Sprache .NET) | 16.000 | 3.398 |
Vertriebsleitung (mittelgroßer Produktionsbetrieb) | 25.500 | 5.415 |
Ingenieurwesen (Elektronik) | 10.700 | 2.272 |
Buchhaltung (3 Jahre Erfahrung) | 8.000 | 1.699 |
Kraftfahrende (ohne Zuschläge) | 5.700 | 1.210 |
Sekretariat | 4.500 | 956 |
Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden. |
Januar 2023 (in Złoty) | Januar 2023 (in Euro)* | |
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Angelernte Arbeitskraft (Tätigkeiten, die in wenigen Tagen zu erlernen sind und für die keine spezielle Berufsausbildung notwendig ist) | 4.190 | 890 |
Mitarbeitende mit einer mehrjährigen Berufsausbildung, die unter Aufsicht in der Produktion tätig sind | 4.710 | 1000 |
Ausgebildete Arbeitskräfte mit mehrjähriger, praktischer Berufserfahrung; Sie erledigen Aufgaben in Produktions- und Fertigungsprozessen ohne Aufsicht | 5.600 | 1.189 |
Mitarbeitende mit mehrjähriger Erfahrung und Leitungsbefugnis; Sie verantworten als Vorarbeitende die Arbeit in verschiedenen Produktionsbereichen | 7.250 | 1.540 |
Die Angaben basieren auf einer Internetumfrage und sollten daher nur als Orientierungspunkt und nicht als statistische Daten verstanden werden. |
Weitere Lohnbestandteile
Lohnzusatzleistungen gelten in Polen als Standard. Zu den häufigsten Extras gehören Weiterbildungskurse, eine private Krankenzusatzversicherung oder eine Mitgliedschaft im Fitnessstudio.
Angesichts der hohen Inflation fragen Arbeitnehmer laut der Agentur Randstadt zunehmend nach Einmalzahlungen oder Einkaufsgutscheinen. Auch Urlaubsgutscheine oder Urlaubsgeld sind beliebt. Erfreulich für Arbeitgeber: Im März 2022 stieg die Höhe des monatlichen Verpflegungszuschusses, den ein Unternehmen frei von Sozialabgaben an Mitarbeiter zahlen kann – von 42 Euro auf knapp 67 Euro.
Beschäftigte in Führungspositionen erhalten in der Regel einen Dienstwagen. Seltener übernehmen Firmen die Kosten für den öffentlichen Nahverkehr. Auch Tankgutscheine sind nicht weit verbreitet. Telearbeit gilt in mittelgroßen und großen Dienstleistungsbüros als etabliert.
Sozialversicherungsbeiträge
Die Lohnnebenkosten in Polen liegen unter dem EU-Durchschnitt. Im Jahr 2022 machten sie laut Eurostat 18 Prozent der Lohnkosten aus. Im EU-Durchschnitt erwartete Arbeitgeber ein Anteil von 24,8 Prozent. Verglichen mit anderen Ländern der Region landet Polen im unteren Mittelfeld.
Die polnische Regierung führte im Januar 2019 sogenannte Arbeitnehmer-Kapitalpläne (Pracownicze Plany Kapitalowe; PPK) ein. Die PPK sind eine zusätzliche Altersvorsorge. An den Kosten beteiligen sich Arbeitnehmer und Arbeitgeber. Seit dem 1. Januar 2021 müssen fast alle Betriebe PPK gründen.
Die Sozialversicherungsbeiträge liegen in Polen bei einem Arbeitnehmeranteil in Höhe von 22,71 Prozent des Bruttogehaltes und bei einem Arbeitgeberanteil in Höhe von in der Regel 20,48 Prozent, welcher auf das Bruttogehalt aufgeschlagen wird.
Altersrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1 | 9,76 |
Invalidenrentenversicherung (Arbeitgeberanteil)1 | 6,5 |
Arbeits- und Solidaritätsfonds (Arbeitgeberanteil) | 2,45 |
Arbeitnehmer-Kapitalpläne (PPK; Arbeitgeberanteil)2 | 1,5 |
Unfallversicherung (Arbeitgeberanteil)3 | 0,67 - 3,33 |
Fonds garantierter Arbeitnehmerleistungen (Arbeitgeberanteil) | 0,1 |