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Wirtschaftsumfeld | Rumänien | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Der Wettbewerb um gut ausgebildetes Personal nimmt in Rumänien weiter zu. Die meisten Unternehmen suchen Personal im Bereich IT und Dienstleistungen.
18.07.2022
Von Dominik Vorhölter | Bukarest
Unternehmen suchen wieder aktiv nach Personal oder halten an ihren Mitarbeitern fest. Die Nachfrage nach Arbeitskräften ist besonders hoch im Einzelhandel, im Bereich Dienstleistungen, in den Callcentern, den Bereichen Business Process Outsourcing, im Finanzwesen und in der Telekommunikation, berichtet das Nationale Statistikinstitut (INS).
Derzeit gibt es landesweit über 35.000 freie Stellen, meldet die Nationale Agentur für Beschäftigung (ANOFM). Das Bruttoinlandsprodukt stieg 2021 um 5,9 Prozent. Die Arbeitslosenquote lag 2021 bei 5,6 Prozent und wird im Jahr 2022 voraussichtlich bei 5,4 Prozent liegen. Die Erwerbstätigenquote belief sich Ende 2021 auf 67,1 Prozent und war laut INS um 1,9 Prozentpunkte höher als 2020. Die durchschnittlichen Arbeitskosten betrugen laut Eurostat 2021 etwa 8,5 Euro pro Stunde. Für viele Firmen gehört die Möglichkeit, ein bis zwei Tage im Homeoffice zu arbeiten, zum Standardangebot im Wettbewerb um neue Mitarbeiter, die zunehmend mehr Flexibilität einfordern.
Viele Unternehmen werben um die Menschen, die wegen des russischen Angriffskriegs gegen die Ukraine ihre Heimat verlassen. Arbeitgeber können ukrainische Staatsbürger für maximal zwei Jahre im Rahmen eines vereinfachten Verfahrens ohne Visum und Arbeitserlaubnis einstellen. Für eine Aufenthaltsgenehmigung reicht seit 8. März 2022 ein Arbeitsvertrag aus, wie aus der Notstandsverordnung Nr. 20 hervorgeht. Schätzungen gehen davon aus, dass sich etwa 500.000 Menschen in Rumänien niederlassen. Die Integration der Geflüchteten in die Unternehmen, die Beschulung der ukrainischen Kinder und die gegenseitigen Sprachbarrieren stellen Rumänien dennoch vor soziale und wirtschaftliche Herausforderungen.
Die Inflationsrate, die im Jahr 2022 voraussichtlich zwischen 10 und 11 Prozent liegen wird, erhöht den Druck auf die Arbeitgeber, die Löhne anzupassen. Dies gilt besonders für Unternehmen aus Branchen, die vom Mangel an Fachkräften betroffen sind, wie der IT-Industrie oder der Automobilbranche. Die Lohn- und Gehaltszuwächse im öffentlichen und privaten Sektor liegen 2022 im Schnitt bei 7,2 Prozent. Sie werden voraussichtlich 2023 rund 8 Prozent betragen, schätzt die Weltbank in einer Studie zur Armutsentwicklung von Anfang März 2022.
In einzelnen Branchen wird die Teuerungsrate das Lohnwachstum übertreffen und damit die realen Einkommen schmälern. Die Regierung reagierte darauf und stimmte Ende April 2022 über einen Gesetzesentwurf ab, der ab Juni 2022 eine Anhebung des Mindestlohns von 2.550 Lei pro Monat auf 3.000 Lei pro Monat vorsieht. Dies soll den Arbeitnehmern in der Landwirtschaft helfen. Seit Anfang dieses Jahres gilt bereits ein erhöhter Mindestlohn von 2.550 Lei pro Monat.
Rumänien weist ein erhebliches Stadt-Land-Gefälle im Hinblick auf den Arbeitsmarkt, das Armutsrisiko und die Einkommensverteilung auf. Die Knappheit an Arbeitskräften ist unter anderem auf die Migration zurückzuführen: Rumänen aus den ärmeren ländlichen Regionen nehmen eine langfristige Beschäftigung oder Saisonarbeit in der Europäischen Union (EU) an, meist in Deutschland oder Italien. Auch die soziale Ausgrenzung einzelner Bevölkerungsgruppen und der demografische Wandel begrenzen das Angebot an Bewerbern.
Bevölkerung (in Mio.) | 19,3 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 und jünger als 65 Jahre, in Mio.) | 8,7 |
Erwerbstätige (in Mio.) 1) | 8,2 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition) 2) | 5,6 |
Analphabetenquote (in %) 3) | 1,2 |
Universitätsabschlüsse (in Tsd.) | 133 |
Rund die Hälfte der verfügbaren Jobangebote richtet sich an hoch qualifizierte Arbeitnehmer mit akademischem Abschluss und gut ein Drittel an gering Qualifizierte. Knapp ein Fünftel der Arbeitgeber suchen mittel qualifizierte Bewerber, etwa mit einer Berufsausbildung. Der Anteil der niedrig qualifizierten Arbeitnehmer ist somit dreimal höher als im Schnitt in der gesamten EU. Zudem erschweren mangelhaft ausgebaute Autobahn- und Schienennetze die Mobilität der Arbeitnehmer. Pendeln auf Strecken von mehr als 40 Kilometern ist für die meisten Menschen schwer möglich.
Um dem steigenden Fachkräftemangel entgegenzuwirken, sind Unternehmen zunehmend selbst aktiv. Auf der Grundlage des 2012 eingeführten Berufsbildungssystems bieten sie eine duale Ausbildung an, an der auch deutsche Firmen als Ausbildungspartner beteiligt sind. Schüler können sich in der Berufsschule in den Bereichen Mechanik/Mechatronik, Elektrik, Tourismus, Einzelhandel, Möbelproduktion, Pharma und Kosmetik ausbilden.
Als besonders talentiert gelten Rumänen im Bereich IT. Zudem sprechen viele Arbeitnehmer eine weitere Fremdsprache, meist Englisch, Deutsch, Französisch oder Italienisch. Es gibt Studiengänge, die komplett in deutscher Sprache, unter anderem in den Städten Bukarest, Cluj-Napoca, Sibiu und Timisoara angeboten werden.
Die Kombination aus guten Fremdsprachen- und IT-Kenntnissen sowie vergleichsweise niedrigen Löhnen ist ein Grund dafür, dass viele Banken, IT-Firmen und andere Unternehmen ihre Kundenservicecenter nach Rumänien auslagern. Um dem Arbeitskräftedefizit beim IT-Outsourcing entgegenzuwirken, werben Unternehmen auch Arbeitskräfte aus Indien, Nepal, Pakistan, Sri Lanka, Vietnam oder den Philippinen an.
Unternehmen, die Mitarbeiter rekrutieren, sollten Anzeigen in diversen Fachportalen im Internet und in Zeitungen schalten sowie die Dienste von Personalvermittlern nutzen. Die Auslandshandelskammer (AHK) Rumänien hilft gegen Gebühr bei der Suche nach Fachpersonal.
Unter zahlreichen Personalvermittlungsagenturen gibt es einige, die von Deutschen geführt werden, beispielsweise Stein & Partner und Transearch, sowie internationale (Amrop) oder rumänische Agenturen wie Total Business Solution. Bekannte Online-Stellenbörsen sind Bestjobs, eJobs, myjob, hipo.ro.
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