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Wirtschaftsumfeld | EU, Russland | Sanktionen

EU will Sanktionsumgehung unter Strafe stellen

Die EU will die Umgehung der Russland-Sanktionen bestrafen. Kontrollmechanismen werden nachgeschärft. Deutsche Exporteure sollen eine verpflichtende Endverbleiberklärung vorlegen.

Von Hans-Jürgen Wittmann | Berlin

Mit dem geplanten 11. Paket will die Europäische Union (EU) gegen die Umgehung der Russland-Sanktionen vorgehen. Aktuell obliegen Überwachung und Ahndung der Strafmaßnahmen vor allem den Mitgliedsstaaten. Ein zentralisierter Apparat soll die verhängten Maßnahmen künftig effektiver durchsetzen. Im 10. Sanktionspaket vom 25. Februar 2023 erließ der Staatenbund neue Handelsbeschränkungen auf Technologien und Güter mit zivilem und militärischem Verwendungszweck (Dual-Use-Güter). Besonders Bauteile, die in Russlands Rüstungsindustrie Verwendung finden, wie Halbleiter oder integrierte Schaltkreise, gelangen immer wieder als Re-Exporte über Drittländer nach Russland. Damit soll nun Schluss sein.

EU droht Drittstaaten mit Sekundär-Sanktionen

Im Visier sind vor allem Staaten, die im Jahr 2022 den Import von Technologie aus Europa massiv steigerten und deren Ausfuhren nach Russland zugleich überproportional stiegen. Brüssel will Drittstaaten, über deren Territorium sanktionierte Ware re-exportiert wird, auffordern, ihre Handelsströme besser zu kontrollieren. Der Staatenbund möchte detaillierte Informationen zur Nachverfolgung von Hunderten von Warenpositionen erhalten, die für militärische Zwecke verwendet werden können. Ländern, die sich unkooperativ verhalten, droht die EU Handelsstrafen an. Den Dialog mit diesen Staaten zu suchen ist Aufgabe von David O'Sullivan, Sanktionsbeauftragter der EU seit Ende 2022.

Verdächtige Handelsströme bei Russlands Nachbarländern

Hinweise auf mögliche Sanktionsumgehungen mehren sich. Der mit Abstand wichtigste Lieferant von Technologie nach Russland ist China. Die Türkei löste Deutschland als zweitwichtigstes Lieferland nach Russland ab. Zudem stiegen die Exporte aus Armenien, Georgien, Kasachstan und Kirgisistan nach Russland um Rekordwerte, ermittelte die Europäische Bank für Wiederaufbau und Entwicklung (EBRD) in einer Analyse der Handelsströme. Die stark gestiegenen Importe der genannten Länder werden zu einem substanziellen Teil an russische Abnehmer weiter exportiert, analysiert die EBRD und schlussfolgert, dass zwischengeschalteter Handel über benachbarte Volkswirtschaften genutzt wird, um die Sanktionen zu umgehen.

Um einzelne Länder oder Firmen der Sanktionsumgehung zu überführen, ist in jedem Einzelfall eine genaue Analyse der Handelsströme und des Warenursprungs nötig. Nach Verhängung der Sanktionen gewinnen neue Handelskanäle und alternative Transportkorridore an Gewicht, beispielsweise durch den Südkaukasus (auch via Iran) oder Zentralasien, gibt Dr. Uwe Strohbach, GTAI-Experte für beide Regionen, zu Bedenken. Zudem kann es sich bei Re-Exporteuren von sanktionierter Ware nach Russland um in Drittstaaten neu registrierte Händler mit russischem Hintergrund handeln.

Daneben entfällt ein erheblicher Teil der Mehrlieferungen aus den genannten Ländern nach Russland auf Konsumgüter und nicht-sanktionierte Halbwaren, führt Uwe Strohbach weiter aus. So stehen hinter dem Exportzuwachs Georgiens hauptsächlich Pkw-Reexporte - eine Folge der eingebrochenen russischen Kfz-Produktion - und eine signifikante Ausweitung der Weinlieferungen.

Mit Blick auf die absoluten Zahlen können die Lieferungen aus Drittländern den massiven Rückgang der direkten Exporte von Technologie aus dem Westen nur zu einem Bruchteil kompensieren, ordnet die Chef-Ökonomin der EBRD, Beata Javorcik, die Ergebnisse der Studie ein. Dem Rückgang der deutschen Ausfuhren nach Russland von rund 12 Milliarden Euro stehe ein Exportanstieg in Russlands Nachbarländer von nur rund 2,5 Milliarden Euro gegenüber, merkt der Ost-Ausschuss der Deutschen Wirtschaft an.

Bundeswirtschaftsministerium will Endverbleib strenger kontrollieren

Das Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz (BMWK) will die Unternehmen bei der Verhinderung der Umgehung der Russlandsanktionen stärker in die Pflicht nehmen. Exporteure sollen künftig für alle sanktionierten Güter zusätzlich zu den Ausfuhranmeldungen transparente Erklärungen zum Endverbleib vorlegen. Daraus sollen nicht nur mögliche Zwischenhändler in Drittstaaten hervorgehen, sondern vor allem der finale Empfänger der Ware. Firmen, die beim Umgehen der Russland-Sanktionen unterstützen, sollen auf eine schwarze Liste kommen. Sanktionsverstöße sollen künftig konsequent als Straftatbestand geahndet werden. Personen, die über sanktionsrelevante Informationen verfügen, sollen diese an die Behörden melden.

Für exportierende Unternehmen bedeutet dies steigenden bürokratischen Aufwand. Dennoch dürfte es schwierig werden, Verkäufe über den gesamten Lebenszyklus eines Produktes nachzuverfolgen. Ein Ausweg wäre, vertraglich mit den Abnehmern zu fixieren, dass diese den Verbleib der sanktionierten Ware außerhalb Russlands sicherstellen müssen, skizziert Nikolas Keßels, stellvertretender Leiter für Außenwirtschaftspolitik beim Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) ein mögliches Szenario.

EU stimmt Vorgehen eng mit den USA ab

Die EU geht bei ihren Maßnahmen gegen die Sanktionsumgehung Hand in Hand mit den USA. Die Vereinigten Staaten fordern schon seit geraumer Zeit lokale Firmen zu mehr Wachsamkeit auf, um eine Umgehung der Sanktionen zu verhindern. Zudem ergreifen die USA Maßnahmen gegen Sanktionsbrecher. Ende Februar 2023 setzte das dem US-Finanzministerium unterstehende Office of Foreign Assets Control (OFAC) elf internationale Unternehmen (darunter drei russische) und vier natürliche Personen auf seine Sanktionsliste. Ihre Vermögenswerte in den USA werden eingefroren.

Russland sucht deshalb nach immer neuen Wegen, die Sanktionen des Westens zu umgehen. Nachdem die Türkei am 1. März 2023 vollständig den Transit sanktionierter Waren nach Russland über ihr Staatsgebiet stoppte, werben russische Firmen aktuell gezielt kasachische Importeure mit hohen Honoraren für die Lieferung sanktionierter Güter an, erhalten jedoch reihenweise Abfuhren.

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