Wirtschaftsausblick | Schweden
Schwedens Wirtschaft zwischen Hoffnung und Haushaltsdruck
Positive Signale wie Wirtschaftswachstum und sinkende Inflation stimmen optimistisch – auch wenn die Prognosen für 2025 zuletzt leicht nach unten korrigiert wurden.
05.06.2025
Von Judith Illerhaus | Stockholm
Top-Thema: Schweden plant eine nationale KI-Strategie
Schweden genießt noch immer den Ruf eines Pioniers, wenn es um die Digitalisierung geht. Doch nicht überall läuft es rund: Gerade bei der 5G-Abdeckung hinkt Schweden deutlich hinterher, so das Urteil des Digital Decade Länderreports der EU aus 2023. Auch in Bezug auf künstliche Intelligenz ist Schweden Nachzügler, wie Martin Svensson, CEO von AI Sweden, dem nationalen Zentrum für angewandte KI, mitteilt. "Wir liegen bei nationalen Strategien und Investitionen weit zurück. Im jüngsten Global AI Index belegten wir beispielsweise in der Kategorie 'öffentliche Strategie' Platz 57 von 82 Ländern."
Schwedens Regierung hat den Aufholbedarf erkannt und treibt nun die Neuausrichtung der nationalen KI-Strategie mit Nachdruck voran. Nachdem im November 2024 bereits vorzeitig ein Fahrplan durch die von der Regierung ins Leben gerufene KI-Kommission veröffentlicht wurde, soll nun die operative Umsetzung erfolgen. Ziel ist es, KI als Schlüsseltechnologie in Bildung, Forschung, Verwaltung und Wirtschaft zu verankern. Über das konkrete Vorgehen ist aber zum jetzigen Zeitpunkt noch nichts bekannt.
Die wirtschaftlichen Chancen sind erheblich: Der nationale KI-Markt wächst rasant und soll sich laut Statista bis 2031 auf ein Marktvolumen von 5,8 Milliarden Euro vervierfachen - das entspräche einer jährlichen Wachstumsrate von rund 26 Prozent. Besonders großes Potenzial besteht in Bereichen wie Gesundheitswesen, Industrieautomatisierung, Sprachverarbeitung und nachhaltiger Mobilität. Durch gezielte Investitionen in Recheninfrastruktur, Talente und Testzentren positioniert sich Schweden als attraktiver Standort für KI-Entwicklung – mit dem Ziel, langfristig technologische Souveränität und internationale Wettbewerbsfähigkeit zu sichern.
Wirtschaftsentwicklung: Verhaltene Wachstumsprognose fürs laufende Jahr
Die beiden großen skandinavischen Banken Nordea und SEB blicken mit vorsichtigem Optimismus auf die wirtschaftliche Entwicklung Schwedens. Nach einer schwächeren Phase in den vergangenen zwei Jahren sehen beide Institute Anzeichen für eine beginnende Erholung – wenn auch mit unterschiedlichen Schwerpunkten. Nordea rechnet mit einer spürbaren Belebung ab der zweiten Jahreshälfte 2025. Denn die bisherigen Zinssenkungen der schwedischen Zentralbank Riksbank zeigen Wirkung: Der Konsum zieht leicht an, die Immobilienpreise steigen wieder. SEB hingegen bleibt zurückhaltender. Das prognostizierte BIP-Wachstum liegt demzufolge bei lediglich 1,6 Prozent. Vor allem die schwache Exportnachfrage bremse die Dynamik. Zwar gilt die Inflation mit 2,5 Prozent als unter Kontrolle, doch der Arbeitsmarkt bleibt angespannt. Zudem warnt SEB vor strukturellen Risiken wie einer hohen privaten Verschuldung und politischer Unsicherheit.
Impulse für die Konjunktur erhofft sich die Regierung vor allem von einer expansiveren Finanzpolitik. Ziel ist es, den erheblichen Investitionsrückständen in der öffentlichen Infrastruktur entgegenzuwirken. Die bislang strikte Haushaltsführung, die über Jahre hinweg auf Überschüsse ausgerichtet war, soll ab 2027 gelockert werden.
Geldpolitik als zentrales Instrument zur Stimulierung der Wirtschaft
Im 1. Halbjahr 2025 hat die Schwedische Krone deutlich an Wert gewonnen. Das birgt Chancen und Risiken: Einerseits werden Importe günstiger, was hilft, die Preise im Inland stabil zu halten. Andererseits haben es schwedische Unternehmen im Ausland schwerer, weil ihre Produkte durch die starke Krone teurer werden. Besonders spürbar ist das in Branchen wie dem Maschinenbau, der Holzverarbeitung und der Fahrzeugtechnik, die stark vom Export abhängen.
Zudem war ursprünglich vorgesehen, den Leitzins bis Mitte 2025 schrittweise auf 1,75 Prozent zu senken, um das Wachstum zu fördern. Derzeit liegt er jedoch noch bei 2,25 Prozent. Eine weitere Zinssenkung könnte – so das nationale Konjunkturinstitut – zusätzliche Investitionen anstoßen und die Binnennachfrage stärken. Sie wird voraussichtlich im Juni 2025 erfolgen.
Binnenwirtschaft als Konjunkturmotor
Die Einkommen der schwedischen Haushalte sollen im laufenden Jahr um etwa 3,5 Prozent steigen. Gleichzeitig sorgt die starke Krone in Kombination mit sinkenden internationalen Preisen dafür, dass die Inflation 2026 voraussichtlich unter das Ziel der Notenbank fällt.
Trotz höherer Einkommen und gut gefüllter Sparkonten bleiben viele Haushalte noch vorsichtig. Der laut EU-Kommission um 1,3 Prozentpunkte gestiegene private Konsum zeigt jedoch, dass die Konsumfreude zurückkehrt. In der Industrie ist das Bild gemischter: Handelsbarrieren wie die angekündigten US-Zölle und eine schwächere US-Konjunktur haben die Erwartungen für Exporte und Investitionen gedämpft. Zwar fiel das Wachstum Ende 2024 stärker aus als gedacht, dennoch wurde die Prognose auch von der EU für 2025 auf 1,1 Prozent gesenkt.
Deutsche Perspektive: Trotz Rückschlägen bleibt Deutschland wichtigster Handelspartner
Deutschland bleibt auch 2025 Schwedens wichtigster Handelspartner – trotz eines leichten Dämpfers im vergangenen Jahr. Laut dem nationalen Statistikamt SCB ging der bilaterale Warenhandel 2024 leicht zurück: Schwedens Exporte in die Bundesrepublik sanken um 4 Prozent, die Importe aus Deutschland um 5 Prozent. Dennoch bleibt das Handelsvolumen mit umgerechnet rund etwa 48,3 Milliarden Euro auf hohem Niveau.
Dabei machen Fahrzeuge, Industrieanlagen und technische Komponenten einen Großteil des Warenhandels aus. Auffällig ist der kräftige Anstieg der Pkw-Exporte aus Schweden – ein Plus von 23 Prozent im Vergleich zum Vorjahr 2024. Auch der Handel mit Arzneimitteln legte zu, während klassische Rohstoffe wie Eisen und Stahl an Bedeutung verloren. Auf deutscher Seite dominieren ebenfalls Maschinen, Autozubehör und Telekommunikationstechnik den Export nach Schweden.