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Milliardeninvestitionen stärken Schweizer Bahnnetz
Der Unterhalt und Ausbau des Bahnnetzes genießen in der Schweiz einen hohen Stellenwert. Die zugehörigen Investitionen eröffnen vielfältige Chancen für deutsche Anbieter.
08.10.2025
Von Oliver Idem | Bonn
Von der umfangreichen Bau- und Modernisierungstätigkeit im schweizerischen Bahnsektor können auch deutsche Anbieter von Waren und Dienstleistungen profitieren. Kernbereiche sind laut der Handelskammer Deutschland-Schweiz die Zulieferung von Komponenten und Systemen sowie Digitalisierungs- und Automatisierungslösungen. Auch Instandhaltung und Retrofit sorgen für Nachfrage. Gleiches gilt für den Bereich Nachhaltigkeit und alternative Antriebe.
Bahnprojekte bringen allgemein einen Bedarf an Ingenieur- und Entwicklungsdienstleistungen mit sich. Der Ausbau und die Vernetzung von Logistik und Güterverkehr schaffen ebenfalls Perspektiven.
Bestehende Bahnknoten werden erweitert
Zu den größeren Infrastrukturvorhaben in der Schweiz zählt der Ausbau der Bahnknoten Romandie und Zürich. Konkret geht es um den Umbau und die Erweiterung der Knoten Genf, Lausanne und Zürich in Form neuer Tunnel, Bahnhöfe und Verkehrsleittechnik. Bei diesem Ausbau sieht die Handelskammer hohes Potenzial bei der Planung, Bauüberwachung, Building-Information-Management-Systemen, digitalen Fahrgastinformationssystemen, Aufzügen, Rolltreppen und Bahnsteigsystemen.
Die "Digitale Zentrale Luzern" ragt ebenfalls aus dem Projektgeschehen heraus. Das Langzeitvorhaben soll bis 2035 rund 1 Milliarde Euro kosten. Dafür ist der erste digitale Bahnknoten mit dem Zugkontrollsystem ECTS-Level 2+/Level 3, digitalem Stellwerk und automatisiertem Fahrbetrieb vorgesehen. Laut der Handelskammer bestehen Chancen für deutsche Anbieter bei Software, Leittechnik, Sensorik, Fahrplanung und Schulungssystemen.
Fortschrittliche Zugkontrollsysteme sind schon weit verbreitet
Bei der Einführung des Kontrollsystems European Train Control System (ECTS) gehört die Schweiz als wichtiges Transitland zu den Vorreitern in Europa. Etwa drei Viertel aller schweizerischen Strecken sind laut Eurostat bereits mit ETCS Level 1 ausgerüstet. Auf 13 Prozent des Netzes wird Level 2 unterstützt, das eine kontinuierliche Kommunikation zwischen Zug und Leitzentrale ermöglicht.
Die staatliche Schweizerische Bundesbahn SBB testet derzeit ECTS-Level 2 und 3. Besondere Schwerpunkte sind moderne Zugsicherungssysteme für einen effizienteren und dichteren Zugverkehr und predictive maintenance. Letztere bezieht sich auf eine vorausschauende statt reaktive Wartung, unter anderem durch eine möglichst frühzeitige Fehlererkennung.
Beim Digitalisierungsprogramm SmartRail 4.0 arbeitet die SBB mit vier weiteren inländischen Bahngesellschaften an dem Ziel, ohne neuen Streckenausbau 30 Prozent mehr Kapazitäten zu schaffen.
Weitere aktuelle Innovationstrends sind die Entwicklung digitaler Stellwerke und intelligente Planungssysteme. Der automatisierte Fahrbetrieb befindet sich in einer Bandbreite von Assistenzsystemen bis zu vollautomatischen Lösungen im Teststadium.
Bahninfrastrukturfonds bildet die wichtigste Finanzierungsquelle
Das meiste Geld für das Bahnsystem in der Schweiz stammt aus dem Bahninfrastrukturfonds sowie aus Trassenerträgen. Der Fonds wird aus Steuern, Abgaben und kantonalen Beiträgen gespeist. Bei der Verwendung dominiert der Substanzerhalt des Netzes gegenüber dem Ausbau und Betrieb.
Im internationalen Vergleich lässt sich die Schweiz ihr Bahnsystem einiges kosten. Laut neuesten Zahlen der Interessengemeinschaft IRG-Rail summierten sich 2022 die Investitionen der Infrastrukturbetreiber pro Kilometer auf 706.000 Euro.
Große Programme des Bahninfrastrukturfonds wie "Ausbauschritt 2025" und "Ausbauschritt 2035" setzen Etappenziele und das Programm "Perspektive Bahn 2050" gibt den langfristigen Rahmen vor. Zu dessen Schwerpunkten gehört ein besseres Angebot auf kurzen und mittleren Fahrstrecken.
Die SBB unterliegt dem Gesetz und der Verordnung über öffentliche Beschaffungen. Ihre Aufträge oberhalb von 50.000 Euro werden im offiziellen Informationssystem simap.ch veröffentlicht. Der Trend geht zu einer stärkeren Berücksichtigung von Nachhaltigkeitskriterien bei den Ausschreibungen. Zudem gibt die SBB umfangreiche Informationen zu Beschaffungen heraus, aus denen der Lieferant, der Auftragswert, die Kategorie und die Art der Beschaffung hervorgehen.
Tipps zur Geschäftsanbahnung
Die wichtigste Fachveranstaltung für Eisenbahntechnik in der Schweiz ist der Swissrail Mobility Day. Die nächste Branchenschau findet am 20. Mai 2027 statt.
Zentrale Plattform für die Vergabe öffentlicher Aufträge ist Simap.
Der Einkauf der staatlichen Bahngesellschaft SBB verfügt über eine Registrierungsseite für mögliche Lieferanten.
Das engmaschige Bahnnetz wird intensiv genutzt
Die Schweiz verfügt über ein fein verästeltes Bahnnetz, das auch in die Breite umfangreiche Verbindungen ermöglicht. Auf knapp 41.300 Quadratkilometern Landesfläche sind circa 5.300 Kilometer Schienen verlegt. Der Schmalspuranteil daran liegt bei 20 Prozent.
Der Elektrifizierungsgrad liegt bei knapp 100 Prozent. Hinzu kommt, dass die SBB-Züge komplett mit Strom aus erneuerbaren Energien fahren. Die SBB betreibt acht eigene Kraftwerke mit der dazugehörigen Infrastruktur und verkauft ihren Ökostrom auch an Wettbewerber.
Sowohl beim Personenverkehr als auch Güterverkehr gehört die Schweiz zu den intensiv frequentierten Bahnländern. Pro Kilometer Gleis verkehrten 2023 laut IRG-Rail 124 Züge. Davon zählten rechnerisch 110 zum Personen- und 14 zum Güterverkehr.
Laut der Publikation Litra Verkehrszahlen lag der Anteil der Zugreisen an den gesamten Personenkilometern 2022 bei 16 Prozent. Dieser Wert ist sowohl verglichen mit früheren Jahren in der Schweiz, als auch mit anderen europäischen Ländern hoch. Bei knapp 9 Millionen Einwohnern liegt die Zahl der Fahrgäste täglich bei 1,4 Millionen.
Laut Litra Verkehrszahlen summiert sich die Bahnnutzung auf 2.179 Kilometer und 61 Bahnfahrten pro Kopf und Jahr. Im Vergleich zu Deutschland ist das die doppelte Kilometerzahl und nahezu dreifache Anzahl von Fahrten.
Beim Schienengüterverkehr existieren große Unterschiede: Der Gütertransit durch die Schweiz erfolgt zu 85 Prozent über die Schiene. Hingegen liegt der Anteil bei innerschweizerischen Transporten nur bei 22 Prozent (beides in Tonnenkilometern gerechnet). Pro Tag werden circa 170.000 Tonnen Güter per Bahn befördert.