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Branchen | Tschechische Republik | Tiefbau, Infrastrukturbau

Mitteleuropas wichtigstes Bahnprojekt nimmt Fahrt auf

Das größte Infrastrukturprojekt zwischen Tschechien und Deutschland rückt näher. Die Neubaustrecke Dresden-Prag würde den Eisenbahnverkehr in Mitteleuropa erheblich beflügeln.

Von Gerit Schulze | Prag

Es wäre ein großer Fortschritt für den Verkehr zwischen Tschechien und Deutschland. Der Ausbau der Eisenbahnstrecke von Prag nach Dresden mit zwei längeren Tunnelbauten von 30 und 18 Kilometern Länge halbiert die Reisezeit auf eine Stunde. Das Nadelöhr Elbtal wäre entlastet, die Kapazitäten für Personen- und Güterzüge stiegen deutlich.

In vier Stunden von Berlin nach Wien

Nicht umsonst gilt die Neubaustrecke Dresden-Prag als eines der wichtigsten grenzüberschreitenden Bahnvorhaben in Mitteleuropa. Sie ist Teil des europäischen Kernnetzkorridors Rhein-Donau. Züge von Berlin nach Wien wären dann nur noch vier Stunden unterwegs (heute über acht Stunden). Während durch das Elbtal heute rund 120 Züge am Tag fahren, könnten die Neubaustrecke 150 Züge passieren. Die derzeitige Strecke soll parallel weiterbetrieben werden, sodass deutlich mehr Kapazitäten für den Güterverkehr zur Verfügung stünden.

Viele Jahre wurde über die Machbarkeit, den Streckenverlauf und die Finanzierung des Jahrhundertprojekts debattiert. Nun kommt Tempo in das Vorhaben. Anfang November 2025 trafen sich Fachleute aus beiden Ländern im Prager Verbindungsbüro des Freistaates Sachsen, um den aktuellen Stand zu diskutieren.

Tschechiens stellvertretender Verkehrsminister Václav Bernard beschrieb die Schwachstellen der aktuellen Strecke, die häufig wegen Hochwassers gesperrt werden muss und nur begrenzte Kapazitäten hat. Die absehbar kürzeren Fahrzeiten "könnten das Verhalten der Fahrgäste verändern und zum Umstieg auf den Zug animieren", hofft der Politiker der scheidenden Regierung in Prag.

Mehr Güterverkehr auf der Schiene

Auch für den Güterverkehr zwischen Tschechien und Deutschland biete der Tunnel neue Möglichkeiten, erklärte Bernard. "Eine gute Anbindung an die Häfen Hamburg, Bremen und Rostock ist für unsere Unternehmen unverzichtbar." Tschechien wickelt einen Großteil seines Überseehandels über diese Umschlagplätze ab. Der Regierungsexperte glaubt, dass der Tunnel "die Wettbewerbsfähigkeit ganz Europas stärkt." Er trage außerdem dazu bei, die Klimaziele zu erreichen.

Sachsens Staatsministerin für Infrastruktur und Landesentwicklung, Regina Kraushaar, führte Anfang November 2025 bei der Europäischen Kommission in Brüssel Gespräche, um die weitere Unterstützung der Neubaustrecke Dresden-Prag zu sichern. Dabei geht es besonders um die EU-Förderperiode 2028 bis 2034.

Bereits in der laufenden Förderperiode beteiligt sich die EU mit zweistelligen Millionenbeträgen an der Projektvorbereitung. Die Vorplanung und Variantenuntersuchung wurden im Frühjahr 2024 abgeschlossen. Der Staatsvertrag zwischen Deutschland und Tschechien liegt unterschriftsreif vor. Tschechiens Regierung hat ihn im Juli 2025 gebilligt. Auf deutscher Seite laufen noch Abstimmungen zwischen dem Bundesverkehrsministerium, der Deutschen Bahn und dem Bundestag.

Bundestag muss Entscheidung treffen

Sachsen engagiert sich besonders aktiv für die Neubaustrecke und stellte unter anderem den Antrag auf Aufnahme in den Bundesverkehrswegeplan. Am 17. Oktober 2025 fand in Berlin eine Informationsveranstaltung für Bundestagsabgeordnete und Vertreter der Deutschen Bahn statt. Deren Vorstand entscheid sich am 21. Oktober 2025 für die Neubaustrecke. Nun liegt der Entwurf für den Staatsvertrag im Bundesverkehrsministerium, von wo er dem Bundestag zur parlamentarischen Befassung vorgelegt wird. Gibt es dort bis zum Frühjahr 2026 ein positives Votum, können alle weiteren Schritte, inklusive der Finanzierungsfragen, zügiger geklärt werden.

Tunnel quer durch das Erzgebirge

Herzstück der Neubaustrecke ist ein 30 Kilometer langer Tunnel durch das Erzgebirge. Er startet in Heidenau bei Dresden und verläuft bis ins tschechische Ústí nad Labem. Der Bau dieser Gebirgsquerung ist sehr anspruchsvoll, erklärte Petr Provazník bei der Informationsveranstaltung in Prag. Er ist Projektleiter für den tschechischen Schienennetzbetreiber Správa železnic. Auf tschechischer Seite verlaufe der "Erzgebirgsbruch", der das Gebirge nach Süden scharf vom Nordwestböhmischen Becken abgrenzt. "Dort herrschen keine Standardbedingungen", sagt Provazník. Mit Kernbohrungen in 400 Metern Tiefe wurden Gesteinsproben entnommen. "Die Zusammensetzung war an einigen Stellen sehr anspruchsvoll. Die geplanten Vortriebstechniken sind trotzdem anwendbar."

Herausforderungen

  • gemeinsame Planung in verschiedenen Sprachen und unterschiedlichen Regelwerken
  • Evakuierungs- und Rettungspunkte für Brand- und andere Notfälle
  • Tunnel verläuft in Tiefe von 400 Metern, Zugang für Rettungskräfte muss gesichert sein
  • unterirdisches Bauwerk von 1 Kilometer Länge nötig, um Passagiere aus vollbesetztem Personenzug evakuieren zu können (Sitz- und Wartemöglichkeiten für über 1.000 Reisende)
  • abweichende Rettungskonzepte in beiden Anrainerländern, die vereinheitlicht werden müssen
  • unterschiedliche Oberleitungssysteme auf deutscher und tschechischer Seite

Provazník verweist auf die Erfahrungen beim Tunnelbau in Prag. "Dort bauen wir seit mehreren Jahren die Metrolinie D. Die Technologie mit Vortriebsmaschinen hat sich dabei bewährt, die Auswirkungen auf die Oberfläche sind gering."

Der tschechische Projektleiter rechnet damit, bis Mitte 2027 die Umweltverträglichkeitsprüfung abzuschließen. "Danach können wir gemeinsam mit Deutschland die Dokumentation für die Bauplanung erstellen", sagte Provazník bei der Veranstaltung im sächsischen Verbindungsbüro. Ab den 2030er Jahren könnte dann mit dem Bau begonnen werden.

Neben dem Erzgebirgstunnel ist auf dem Weg nach Prag noch ein weiterer Tunnel durch das Böhmische Mittelgebirge geplant. Er soll auf 18 Kilometern Länge zwischen Ústí nad Labem und Lovosice verlaufen. Von dort geht es auf einer 53 Kilometer langen Neubaustrecke weiter bis nach Prag. In Roudnice nad Labem entsteht ein neuer Bahnhof für Hochgeschwindigkeitszüge.

Die Kosten für den Erzgebirgstunnel stehen noch nicht fest. Während der parlamentarischen Befassung im Bundestag werden die Kostenberechnungen geprüft und freigegeben.

Aufschwung für Nordböhmen erwartet

Für die Region rund um Ústí nad Labem könnte das Infrastrukturprojekt einen wirtschaftlichen Aufschwung bringen, hofft Jiří Aster, Präsident der Wirtschaftskammerunion Elbe-Oder in Děčín. "Die Wirtschaftskraft in Nordböhmen liegt auf dem Niveau von Bulgarien, in Prag ist sie eher mit der Schweiz vergleichbar", sagte Aster bei der Informationsveranstaltung. "Das Projekt kann helfen, diesen Unterschied auszugleichen." Die Abwanderung gut ausgebildeter Fachkräfte aus der Region könnte durch die bessere Bahnanbindung verhindert werden.

Fakten zum Erzgebirgstunnel

  • Zwei eingleisige Tunnelröhren
  • Bau erfolgt mit vier Tunnelbohrmaschinen, zwei von jeder Seite
  • 150 Güterzüge und 48 Personenzüge pro Tag
  • Dank des Zugsicherungssystems ETCS kann alle 500 Meter ein Zug fahren
  • Güterzüge fahren maximal 120 Kilometer pro Stunde, Personenzüge mit bis zu 200 Kilometern pro Stunde
  • Stundentakt für Personenzüge zwischen Prag und Dresden geplant

Quellen: www.dresden-praha.eu 2025; www.deutschlandtakt.de 2025

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