Wirtschaftsumfeld | Slowakei | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten
Arbeitsmarkt
Der slowakische Arbeitsmarkt wird auch 2023 robust bleiben. Durch neue Investitionen wächst der Personalbedarf. Eine Lösung sind ausländische Arbeitskräfte und Teilzeit.
05.01.2023
Von Miriam Neubert | Bratislava
Von der Coronakrise hat sich der Arbeitsmarkt 2022 weitgehend erholt. Die vom Slowakischen Statistikamt erhobene Arbeitslosigkeit sinkt seit Mitte 2021 kontinuierlich. Im 3. Quartal 2022 erreichte sie 6 Prozent und war in allen Regionen rückläufig. Neue Beschäftigung entstand besonders im unternehmensnahen Dienstleistungssektor, Finanzwesen, Baugewerbe und Logistikbereich. Die Industrie hingegen baute Stellen ab. Insgesamt stieg die Beschäftigungsquote unter den 15- bis 64jährigen auf fast 77 Prozent.
Prognosen zufolge bleibt der Arbeitsmarkt robust, selbst wenn energieintensive Branchen vorübergehend Beschäftigung abbauen oder offene Stellen zunächst nicht besetzen. Eine Reihe von Werkserweiterungen und neuen Projekten kurbeln die Personalnachfrage an. Laut der Regierung könnte sich die erhobene Arbeitslosigkeit 2023 bei 6,1 Prozent halten, mit fallender Tendenz auf unter 5 Prozent bis 2025.
Höhere Arbeitslosigkeit im Osten
Regional gesehen nimmt die Arbeitslosenrate in Richtung Osten zu. Am höchsten ist sie in den Regionen Banská Bystrica und Prešov (3. Quartal 2022: 10 Prozent) sowie Košice (9 Prozent). Am niedrigsten fällt sie in den Regionen Bratislava (2,1 Prozent), Trenčín und Žilina (jeweils unter 4 Prozent) aus.
Der Osten des Landes leidet auch stärker unter dem Abfluss von Arbeitskräften ins Ausland. Dies ist generell ein Problem. Der Grund: Die vergleichsweise niedrigen Löhne. Im 3. Quartal 2022 arbeiteten 124.000 Slowaken und Slowakinnen im Ausland. Das waren 5 Prozent mehr als ein Jahr zuvor. Dem Statistikamt zufolge sind sie vor allem im Baugewerbe, der Industrie, dem Gesundheits- und Sozialwesen tätig.
Mangel an verfügbaren Fachkräften
Der Personalmangel hat sich zugespitzt. Arbeitgeber müssen sich einiges einfallen lassen, besonders wenn es darum geht, geeignete Talente für die zunehmend digitale und automatisierte Arbeitswelt zu finden.
In der von der Auslandshandelskammer (AHK) Slowakei mitorganisierten Stimmungsumfrage unter europäischen Investoren war die Verfügbarkeit von Fachkräften auch 2022 der am schlechtesten bewertete Standortfaktor. Rund 59 Prozent der Befragten sah darin ein Risiko für ihre Unternehmensentwicklung. Gut benotet werden Produktivität, Leistungsbereitschaft und Qualifikation der Arbeitnehmenden. Auch die akademische Bildung gilt als Plus.
Seit Jahren zählen zu den meist gesuchten Profilen Maschinenoperateure, Lageristen, Monteure, Gabelstaplerfahrer oder Metallschweißer. Von den im Oktober 2022 gemeldeten 83.000 Stellenangeboten entfielen 30 Prozent auf die Region Bratislava. Am wenigsten freie Stellen gab es mit 4 Prozent in Košice. Zugleich registrierten die Arbeitsämter gut 160.000 Menschen, die Arbeit suchten und sofort verfügbar waren. Doch passen viele Arbeitsuchende nicht auf die ausgeschriebenen Positionen, sind nicht hinreichend qualifiziert oder mobil genug. Der Anteil der Langzeitarbeitslosen unter ihnen ist mit zwei Dritteln sehr groß.
Weniger Einschränkungen für Arbeitskräfte aus Drittländern
Wegen des Personalmangels werden verstärkt Arbeitskräfte von außerhalb der EU angeworben. Die Grundlage findet sich im Gesetz Nr. 5/2004 Z.z. über Beschäftigungsdienstleistungen. Das Genehmigungsverfahren ist durch eine Novelle mit Wirkung vom 1. Januar 2023 weiter vereinfacht worden.
Im Oktober 2022 waren fast 22.000 Arbeitnehmende aus Drittstaaten - besonders Ukrainer, Serben und Georgier - mit Arbeitsgenehmigung tätig. Durch den Krieg, den Russland gegen die Ukraine führt, können aus dem Nachbarland aktuell keine neuen männlichen Arbeiter angeworben werden.
Drittstaatsangehörige dürfen auch ohne Arbeitsgenehmigung mit einer Informationskarte in der Slowakei arbeiten. In der Regel sind es Ansässige, ihre Familien, aber auch Flüchtlinge mit Schutzstatus. Infolge der ukrainischen Fluchtmigration hat sich die Zahl der Arbeitenden mit Informationskarte auf fast 33.000 verdoppelt.
Kaum Teilzeit im Angebot
Auch die Slowakei selbst besitzt noch Arbeitsreserven. So hält die OECD es für essenziell, die Beschäftigungsraten unter Müttern mit kleinen Kindern, unter Roma, älteren Arbeitskräften und Geringqualifizierten zu steigern. Sie sieht in der Slowakei besonders viele Arbeitsplätze durch die Automatisierung bedroht und hohe Notwendigkeit zur Erwachsenenweiterbildung.
Gerade Mütter oder ältere Menschen ließen sich über Teilzeitangebote durchaus stärker einbinden. Doch kommen solche Modelle in Stellenausschreibungen kaum vor. In Teilzeit arbeiteten 2021 nur 3 Prozent der Beschäftigten. Im EU-Schnitt waren es fast 18 Prozent. Eine weitere Form der flexiblen Arbeitsgestaltung ist Telearbeit. Diese hat durch die Pandemie einen Impuls bekommen, sodass 2021 bereits 15 Prozent der Erwerbstätigen im Homeoffice arbeiten konnten (EU-Durchschnitt: 23 Prozent).
Die jüngere Generation legt mehr Wert auf die Work-Life-Balance. Unternehmen mit flexibleren Arbeitszeitangeboten können im Wettbewerb um qualifizierten Nachwuchs punkten. Zugleich sind Teilzeit und Homeoffice aber gerade in der Industrie, die in der Slowakei hohes Gewicht hat, nicht so ohne Weiteres möglich.
Duale Ausbildung noch unter ihrem Potenzial
Die Berufsausbildung wird von Unternehmen häufig als praxisfern kritisiert. Schrittweise ist ein duales System eingeführt worden, das 2022 den siebten Jahrgang ausbildete. Noch entspricht die Zahl der eingebundenen Unternehmen und Auszubildenden nicht ganz den Erwartungen. Doch ist das Ergebnis mit Blick auf die Übernahme der Absolventen und ihre rasche Integration in den Arbeitsprozess ermutigend, wie ein Kontrollbericht feststellte.
Hinweise zur Personalsuche
Angesichts der Anspannung auf dem Arbeitsmarkt greifen Unternehmen je nach Position, die zu besetzen ist, auf Arbeitsplattformen, Personalvermittler oder Headhunter zurück (siehe Kontaktadressen). Sie gehen aber auch selbst über Social-Media-Kanäle, beziehen bei der Suche ihre Mitarbeitenden mit ein, arbeiten mit Berufsschulen und Universitäten zusammen oder stellen sich auf Jobmessen vor.
Bevölkerung (in Mio., zum 30.6.2022) | 5,43 |
Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre, in Mio., 2. Quartal 2022) | 2,77 |
Erwerbstätige (in Mio., 2. Quartal 2022) | 2,60 |
Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition, 2. Quartal 2022) | 6,1 |
Analphabetenquote (Anteil an der Bevölkerung älter als 15 Jahre, in %, 2. Quartal 2022) | 0,19 |
Universitätsabschluss (Anteil an der Bevölkerung älter als 15 Jahre, in %, 2. Quartal 2022) | 23,45 |