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Wirtschaftsumfeld | Slowakei | Wirtschaftsstruktur

Autofabriken und ihre Zulieferer prägen die Wirtschaftsstruktur

Innerhalb von zwei Jahrzehnten ist die Slowakei zum bedeutenden Zentrum des Fahrzeugbaus geworden. Andere Branchen entwickeln sich weniger dynamisch. Das West-Ost-Gefälle bleibt.

Von Gerit Schulze | Slowakei

Gemessen an ihrer Wirtschaftskraft bewegt sich die Slowakei im unteren Drittel der 27 EU-Staaten. Mit rund 110 Milliarden Euro Bruttoinlandsprodukt (BIP) rangierte sie 2022 auf Platz 63 weltweit und lag auf einem Niveau mit Oman und Ecuador. Die Wirtschaftsleistung im Nachbarland Tschechien ist etwa doppelt so groß. Dafür ist das BIP der Slowakei seit dem EU-Beitritt im Durchschnitt um fast einen Prozentpunkt pro Jahr schneller gewachsen.

Zuletzt konnte das Land wichtige neue Investoren aus den Bereichen Automotive, Wärmepumpenproduktion und Energie gewinnen. Dabei profitiert es von seiner Nähe zu den europäischen Wirtschaftszentren, von verfügbaren Baugrundstücken und den vergleichsweise günstigen Energiepreisen.

Dominanz der Fahrzeugindustrie nimmt weiter zu

Das ändert aber nichts daran, dass die Diversifizierung der slowakischen Wirtschaft nur langsam vorankommt. Im Gegenteil: Die Neuansiedlung von Volvo Cars als fünfter Fahrzeughersteller im Land zementiert die hohe Abhängigkeit von der Automobilindustrie.

Schon heute ist die Slowakei das Land mit der höchsten Pro-Kopf-Produktion an Pkw (über 180 Autos pro 1.000 Einwohner). Die Branche trägt mehr als ein Zehntel zum Bruttoinlandsprodukt und über 40 Prozent zu den Exporterlösen bei. Eine erfolgreiche Transformation der Automobilindustrie hin zu emissionsfreien Antriebssystemen wäre für die Slowakei enorm wichtig.

5,4 Mio.

Einwohner lebten im September 2023 in der Slowakei.

Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024

110 Mrd.

Euro betrug das Bruttoinlandsprodukt (BIP) 2022.

Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024

19.980 Euro

BIP pro Kopf 2022

Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024

Rang 21

der wichtigsten deutschen Exportmärkte (2023).

Quelle: Destatis 2024 (vorläufig)

Rang 47

im Corruption Perceptions Index 2023 (unter 180 Ländern).

Quelle: Transparency International 2024

0,2 %

Analphabetenquote im 2. Quartal 2023

Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024

Ausführliche Informationen zur Wirtschaft finden Sie in den Wirtschaftsdaten kompakt Slowakei.

Neue Investitionen trotz aktueller Schwächephase

Die Mitgliedschaft in der Eurozone erwies sich als starkes Argument für Auslandsinvestoren. Für deutsche Unternehmen war zudem die dynamische Fahrzeugindustrie der Slowakei ein wichtiger Grund, sich im Umfeld der Autofabriken als Zulieferer anzusiedeln.

Der Bestand der deutschen Direktinvestitionen belief sich Ende 2021 laut Bundesbank auf über 8,6 Milliarden Euro. Niederlassungen deutscher Unternehmen sorgen für 7 Prozent der Steuereinnahmen des slowakischen Staates. Das zeigen Zahlen des Beratungsunternehmens BMP Partners. Unter den zehn größten Steuerzahlern waren 2022 vier deutsche Konzerne: Volkswagen, Schaeffler, Lidl und Continental.

Die Slowakei bietet für uns einen attraktiven Mix aus Nähe, stabilem Umfeld und gut ausgebildeten Softwarespezialisten. Auch die IT-Infrastruktur ist sehr modern und zuverlässig. Leider gibt es im Land nur wenig neue innovative Firmen mit Bedarf an Digitalisierungslösungen. Daher sitzen unsere Kunden vor allem in der Schweiz, in Deutschland und Österreich.

Marco Dietrich Mitbegründer und Managing Partner des Softwareentwicklers Riwers in Bratislava

SWOT-Analyse Slowakei

S

Stärken Strengths

  • EU-Mitglied und einziges Euroland unter den Visegrád-Staaten
  • Industrielle Tradition und Basis
  • Netz zuverlässiger lokaler Zulieferer
  • Produktivität und Qualifikation der Arbeitskräfte
  • Stabile Energieversorgung
W

Schwächen Weaknesses

  • Fachkräftemangel und Abwanderung von Spezialisten
  • Weiterhin hohe Abhängigkeit von russischen Energieträgern
  • Niedrigere Wertschöpfung durch viel Auftragsmontage
  • Wenig Praxisbezug in der Ausbildung
  • Geringe Ausgaben für Forschung und Entwicklung
O

Chancen Opportunities

  • Profitiert als Standort vom Diversifizierungstrend und neuen Ansiedlungen
  • Rund 25 Milliarden Euro EU-Fördermittel bis 2030
  • Steuerliche Anreize für Forschung, Entwicklung und Investitionen
  • Bedarf an Investitionen in Energieeffizienz, Infrastruktur und Gesundheit
  • Dynamik in der Ostslowakei durch IT-Ökosystem und Ansiedlung von Volvo Cars
T

Risiken Threats

  • Kleiner Binnenmarkt und große Exportabhängigkeit
  • Zu langsame Abschöpfung der europäischen Fördergelder
  • Verschuldungsgrad der öffentlichen Haushalte steigt schnell an
  • Starker Fokus auf der Automobilindustrie
  • Einfluss der Politik auf die Wirtschaft steigt, Bekämpfung der Korruption lässt nach

Verarbeitendes Gewerbe bleibt ein starker Wirtschaftsfaktor

Der Anteil des verarbeitenden Gewerbes an der Bruttowertschöpfung der Slowakei ist in den letzten zwei Jahrzehnten konstant geblieben - bei rund 23 Prozent. Während der Fahrzeugbau und damit verbundene Industriezweige wie die Produktion von Kunststoffen und Metallerzeugnissen seit dem EU-Beitritt zulegen konnten, verloren andere Branchen an Bedeutung. Dazu gehört die Herstellung von Lebensmitteln, Möbeln und Bekleidung.

Um das Wohlstandsniveau Westeuropas zu erreichen, wären neue, innovativere Wirtschaftszweige mit höherer Wertschöpfung nötig. Hier hinkt die Slowakei den anderen Staaten der Region hinterher. Der Anteil der Forschungsausgaben am BIP lag 2022 noch unter 1 Prozent. Damit war das Land Schlusslicht unter den Visegrád-Staaten. Die schwache Innovationskraft zeigt sich auch bei Start-ups und Risikokapital, wo die kleine Republik viel Nachholbedarf hat.

Immerhin haben IT-Dienstleistungen und die Softwareentwicklung ihren Anteil an der Wirtschaftsleistung seit dem EU-Beitritt 2004 verdreifachen können. Inzwischen entstehen rund 3 Prozent der Wertschöpfung in diesem Bereich und damit mehr als in der Stahlindustrie. Zugelegt haben auch das Gesundheitswesen, Verwaltungsdienstleistungen und der Immobiliensektor. Der Transport- und Logistiksektor profitierte vom Boom der Automobilindustrie. Die Bauwirtschaft ist dank der regen Investitionstätigkeit stabil und steht für über 6 Prozent der Bruttowertschöpfung. 

Bedeutung als Gas-Transitland verloren

Einen starken Rückgang verzeichnete der Energiesektor, denn die Slowakei büßte 2022 ihre Rolle als wichtiges Transitland für russisches Erdöl und -gas ein. Perspektivisch könnte die Energiesparte wieder zulegen und das Land ein Nettoexporteur von Strom werden. Die stabile und vergleichsweise günstige Energieversorgung ist schon heute ein Standortvorteil. 

Die Stromerzeugung ruht vor allem auf fünf Atommeilern, ein sechster Block könnte 2024 hochgefahren werden. Auf die Kernkraft entfielen 2022 rund 60 Prozent der Stromerzeugung. Weitere 15 Prozent kamen aus der Wasserkraft und 23 Prozent aus Kohle und Gas. Ende 2023 ging das große Kohlekraftwerk Nováky vom Netz, 2024 soll die Anlage in Vojany folgen. Für Ausgleich könnten Gaskraftwerke und erneuerbare Energiequellen sorgen. Dank Förderung aus EU-Fonds sind größere Vorhaben beim Ausbau der Windkraft geplant.

Derzeit hängt die Slowakei noch komplett von russischem Kernbrennstoff für die des Landes Kernreaktoren ab. Verträge mit dem US-Unternehmen Westinghouse und mit der französischen Framatome über die Lieferung von Brennstäben laufen.

Bedeutung der Wirtschaftszweige in der Slowakei (Anteile in Prozent)

Sektoren

Anteil an der Bruttowertschöpfung 2022

Anteil an den Beschäftigten 2022

Land- und Forstwirtschaft, Fischerei

2,52,5

Bergbau (inklusive Öl- und Gasförderung)

0,20,3

Verarbeitendes Gewerbe

22,823,9

Energieversorgung

1,41,0

Wasserversorgung, Abwasser- und Abfallentsorgung

0,90,9

Baugewerbe

6,79,8

Dienstleistungen

65,682,2
Quelle: Slowakisches Statistikamt 2024

West-Ost-Gefälle löst sich nur langsam auf

In der Slowakei besteht immer noch ein starkes West-Ost-Gefälle. Die Hauptstadt Bratislava und ihr Umland gehören zu den wohlhabendsten Regionen in Europa. Dort entsteht über ein Viertel des Bruttoinlandsproduktes, und die Wirtschaftsleistung pro Kopf entspricht der von Rheinland-Pfalz und Niedersachsen.

Auch andere Regionen wie Žilina oder Nitra, wo sich die Automobilindustrie konzentriert, haben sich überdurchschnittlich gut entwickelt. Doch je weiter es in den Osten des Landes geht, desto niedriger ist der Lebensstandard, verbunden mit schlechterer Infrastruktur und höherer Arbeitslosigkeit. Das führte zu starker Abwanderung vor allem junger, gut ausgebildeter Menschen.

Der Personalmangel in der Westslowakei animiert neue Investoren, sich häufiger im Osten ansiedeln. Dazu gehört Volvo Cars im Industriepark Valaliky bei Košice. Die staatliche Wirtschaftsförderung und die Infrastrukturpläne zielen darauf ab, Investoren verstärkt in den Osten zu lenken, um das Gefälle zu verringern. 

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