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Automobilbranche mit neuem Schwung
In Spaniens Kfz-Branche hellt sich die Stimmung auf. Die Produktion steigt wegen des größeren Halbleiterangebots. Zudem geben der Export und die Inlandsnachfrage kräftige Impulse.
14.07.2023
Von Oliver Idem | Madrid
Nach Jahren im Krisenmodus besteht erstmals Hoffnung auf eine stabile Trendwende. Im 1. Halbjahr 2023 kommen von der spanischen Automobilindustrie positive Signale.
Produktion zieht dank besserer Rahmenbedingungen wieder an
Gleich mehrere Faktoren sorgen dafür, dass die Kfz-Hersteller im Land wieder ungehinderter produzieren können. Das Dauerproblem der Halbleiterversorgung entschärft sich zunehmend. Mittlerweile belasten auch die Auswirkungen des Ukrainekrieges die Fahrzeughersteller nicht mehr so stark. Im Bereich Transport und Logistik registriert der Fachverband Anfac ebenfalls eine Entspannung. Die Voraussetzungen für ein erfolgreiches Jahr dürften damit so gut sein wie seit 2019 nicht mehr.
Im Jahr 2022 waren die Resultate noch wesentlich gemischter. In einem Umfeld aus Knappheit und hoher Inflation verzeichnete die Branche zwar einen Umsatzzuwachs um 16 Prozent auf 70,4 Milliarden Euro. Die Nettogewinne fielen mit 767 Millionen Euro allerdings um ein Drittel niedriger aus als 2021. Auch die Pkw-Verkäufe gaben 2022 mit 813.374 Einheiten um 5,6 Prozent nach. Damit blieben sie sogar noch deutlich unter dem Ergebnis des Krisenjahres 2020.
Brummendes Exportgeschäft sorgt für Neueinstellungen
Spaniens Automobilfabriken produzieren überwiegend für ausländische Kunden. In den ersten fünf Monaten 2023 erreichte der Exportanteil außergewöhnlich hohe Werte. Der Absatz profitierte von einer Erholung wichtiger europäischer Zielmärkte. Die meisten Fahrzeuge wurden nach Deutschland, Frankreich und in die Türkei geliefert.
Zeitraum | Produktion | Export | Exportquote |
---|---|---|---|
Januar | 194.553 | 170.346 | 87,6 |
Februar | 226.410 | 209.576 | 92,6 |
März | 237.318 | 214.460 | 90,6 |
April | 173.702 | 165.331 | 95,2 |
Mai | 249.906 | 222.350 | 89,0 |
Der Aufschwung der Produktion erwies sich in den vergangenen Monaten als so stark, dass Iveco, Seat, Stellantis und Volkswagen neue Zeitarbeitskräfte einstellten.
Anders als in den vergangenen Jahren kommen Produktionsunterbrechungen nur noch punktuell und selten vor. Im Werk von Ford in Almussafes (Valencia) herrschte noch im Mai Kurzarbeit und es sollen Stellen wegfallen. Mit der Umrüstung für den Bau von Elektrofahrzeugen hat der Standort auf mittlere Sicht jedoch eine neue Perspektive.
Hersteller investieren in nachhaltige Mobilität
Die Kfz-Industrie ist einer der größten Investitionsmotoren innerhalb der spanischen Industrie. Für 2022 beliefen sich die Investitionen laut Anfac auf rund 1,7 Milliarden Euro, ein Plus von 15 Prozent gegenüber dem Vorjahr. Impulse kommen vor allem durch die Elektrifizierung von Fahrzeugen.
Die Tageszeitung El Mundo errechnete im Juni 2023, dass die Kapazitäten zur Batterieproduktion in elf EU-Ländern mit Automobilfertigung massiv zunehmen werden. Momentan kommen alle elf Staaten zusammen auf 71 Gigawattstunden. Bis 2030 soll die Kapazität auf insgesamt zwischen 713 und 1.197 Gigawattstunden anwachsen.
Daran wird voraussichtlich auch Spanien seinen Anteil haben. Von derzeit 2 Gigawattstunden soll sich die inländische Kapazität bis 2030 auf 42 bis 72 Gigawattstunden erhöhen.
Zu den investierenden Unternehmen im Land gehört Basquevolt. Für insgesamt 700 Millionen Euro entstehen in Álava die Voraussetzungen, um Batteriezellen mit festem Lithium für Elektrofahrzeuge zu produzieren. Die Serienproduktion soll 2027 beginnen. Volkswagen will Batterien in Sagunto (Valencia) herstellen und dabei den Ressourceneinsatz erheblich reduzieren. Das Unternehmen strebt 30 Prozent weniger Energieverbrauch und einen geringeren Platzbedarf der Fertigung an. Laut Medienberichten zieht auch Toyota in Erwägung, in Spanien Batterien herzustellen.
Knapp ein Viertel mehr Pkw-Neuzulassungen im ersten Halbjahr
Das wachsende Angebot an Fahrzeugen traf in Spanien von Januar bis Ende Juni 2023 auch auf eine steigende Nachfrage. In jedem Monat übertrafen die Neuzulassungen den Wert des Vorjahreszeitraums.
Zeitraum | Neuzulassungen | Veränderung |
---|---|---|
Januar | 64.147 | 55,1 |
Februar | 74.001 | 19,2 |
März | 99.524 | 66,1 |
April | 74.749 | 8,2 |
Mai | 92.025 | 8,3 |
Juni | 101.085 | 13,3 |
1. Halbjahr insgesamt | 505.421 | 24,0 |
Hybridfahrzeuge waren im ersten Halbjahr 2023 mit einem Anteil von 30 Prozent besonders gefragt. Von diesem Trend profitierten jedoch vor allem asiatische Marken. Unter den zehn meistverkauften Modellen befanden sich mit dem Fiat 500 und dem Renault Arkana beziehungsweise Austral nur drei europäische Modelle.
Antriebsart | Anteil |
---|---|
Benzin | 43,3 |
Hybrid | 30,0 |
Diesel | 13,3 |
Plug-in-Hybrid | 6,3 |
Batterieelektrisch | 4,7 |
Gas | 2,3 |
Alle drei großen Zielgruppen, Privatkunden, Unternehmen und Autovermietungen, fragten im 1. Halbjahr 2023 wesentlich mehr Fahrzeuge nach als im Vorjahreszeitraum. Am stärksten fiel die Zunahme bei Flottenkunden wie Autovermietungen aus. Hier normalisiert sich die Lage nach dem Nachfrageschock in der Pandemie und dem reduzierten Angebot in Zeiten der knappen Halbleiter zunehmend.
Laut der Wirtschaftszeitung Expansión fuhren Unternehmen wie ALD Automotive, Arval, Leasys oder Northgate im 1. Halbjahr ihre Investitionen um 31 Prozent auf mehr als 3,5 Milliarden Euro hoch. Die gefragtesten Marken in diesem Segment waren im bisherigen Jahresverlauf Volkswagen und Renault.
Segment | Neuzulassungen | Veränderung |
---|---|---|
Privatkunden | 204.000 | 15,2 |
Unternehmen | 201.030 | 17,2 |
Autovermietungen | 100.391 | 70,1 |
Fördermittel für Ladeinfrastruktur und Batterieherstellung
Sowohl für die Kaufzuschüsse für Fahrzeuge, den Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge als auch Subventionen für Investitionen von Fahrzeugherstellern spielt die Neuwahl zum spanischen Kongress am 23. Juli 2023 eine Rolle.
Zum Teil auf der Basis von EU-Fördermitteln existieren momentan zwei große Anreizprogramme. Die aktuelle Fassung des Plan Moves III ist bis Jahresende mit Finanzmitteln ausgestattet, um Fahrzeugkäufe und Verbesserungen der Ladeinfrastruktur zu unterstützen. Der Strategieplan Perte VEC konzentriert sich in seiner zweiten Etappe auf die Fertigung von Fahrzeugbatterien und die Stärkung der Wertschöpfungskette für elektrische und vernetzte Fahrzeuge.
Beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für Elektrofahrzeuge wünscht sich Anfac eine zentralisiertere Planung. Dass sowohl der Zentralstaat als auch die Autonomen Gemeinschaften und die Gemeinden ihre Vorschriften haben, dämpft das Ausbautempo. Eine zentrale Steuerung und Überwachung könnte beispielsweise einen koordinierten Ausbau des Schnellladenetzes erleichtern und eine ausreichende Versorgung mit Ladesäulen sicherstellen.