
Markets International 1/25 I Südafrika I IT-Dienstleistungen
Kundendienst aus Kapstadt
Ob IT-Support, Softwareentwicklung oder Kundenanfragen: Immer mehr internationale Unternehmen verlagern IT-Dienstleistungen und Geschäftsprozesse nach Südafrika. Drei typische Beispiele im Kurzporträt.
21.05.2025
Von Jenny Tala | Johannesburg
Südafrika ist ganz vorne dabei. Zumindest, wenn es um das ausgelagerte Kundenmanagement geht. Einer Umfrage der Unternehmensberatung Ryan Strategic Advisory zufolge war das Land 2023 der zweitbeliebteste Standort – nach Indien, aber noch vor den Philippinen, Polen, Malaysia und Ägypten. Besonders beliebt ist es bei Unternehmen aus den USA, aber auch aus Australien, dem Vereinigten Königreich und Deutschland. Zu den prominentesten deutschen Firmen, die auf südafrikanischen Kundendienst setzen, zählt die Lufthansa. In Kapstadt betreibt die Airline ein Callcenter mit fast 700 Mitarbeitenden und ist damit einer der größten Arbeitgeber in der Region.
Markets International Ausgabe 1/25

Dieser Beitrag stammt aus der Zeitschrift Markets International, Ausgabe 1/2025 mit dem Schwerpunkt Robotik. Erfahren Sie, welche weiteren Beiträge die Ausgabe für Sie bereit hält.
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Viele Argumente sprechen für Südafrika
Der Boom hat gute Gründe: Südafrika hat eine solide technologische Infrastruktur und verfügt über eine große Zahl gut ausgebildeter, englischsprachiger Fachkräfte. „Gleichzeitig sind die Betriebs- und Arbeitskosten gegenüber Standorten in Europa oder Nordamerika niedriger“, sagt Volker Werth, Rechtsanwalt und Geschäftsführer von InterGest South Africa, das Unternehmen bei der Ansiedlung unterstützt. Zwei weitere Pluspunkte sind: „Im Wettbewerb mit anderen beliebten Outsourcing-Standorten wie Indien oder den Philippinen sprechen die kulturelle Nähe zu westlichen Ländern und die Zeitverschiebung für Südafrika: Es gibt je nach Standort keine beziehungsweise nur eine geringe Zeitverschiebung, was die Zusammenarbeit und Kommunikation erheblich vereinfacht“, sagt Werth. Zudem schätzen Kunden die ausgeprägte Serviceorientierung des Landes.
Offiziellen Angaben zufolge hat der Sektor seit 2015 mehr als 112.00 Arbeitsplätze geschaffen und Exporteinnahmen in Höhe von 1,8 Milliarden US-Dollar erzielt. Statista erwartet, dass der jährliche Umsatz im IT-Bereich in den nächsten Jahren um durchschnittlich 8,1 Prozent steigen und damit dreimal so stark wie die südafrikanische Wirtschaft insgesamt wachsen wird. Südafrikas Regierung hat das Potenzial erkannt und hofft, über Anreizprogramme künftig noch mehr ausländische Investitionen ins Land zu holen. Standortvorteile bieten zudem Südafrikas Sonderwirtschaftszonen, von denen einige sich auf Business Process Outsourcing (BPO) spezialisiert haben.
Erfolgreicher Support in der Nische
Die wichtigsten Branchen, die 2023 von Südafrika aus bedient wurden, sind laut Branchenverband Business Process Enabling South Africa Energie- und Versorgungsunternehmen, Versicherungen, Einzelhandel und E-Commerce sowie die Telekommunikationsbranche. Ein weiterer Trend ist laut Statista die wachsende Zahl kleiner, spezialisierter Anbieter, die Nischen bedienen und so auf die steigende Kundennachfrage nach maßgeschneiderten Lösungen reagieren. Volker Werth von Intergest beobachtet zudem, dass Kunden zunehmend Softwareentwicklung und Digitalmarketing nach Südafrika auslagern. Statista prognostiziert, dass vor allem die Segmente Webhosting und Cloud-Computing an Bedeutung gewinnen werden.
Neben der Wirtschaftsmetropole Johannesburg haben sich Durban und insbesondere Kapstadt als wichtigste Standorte für BPO und IT-Outsourcing etabliert. Über verschiedene Verbände ist die Branche gut organisiert und vernetzt. Mit Cape BPO verfügt Kapstadt über einen eigenen Branchenverband, der sich auch als One-Stop-Shop für Investoren versteht. Erklärtes Ziel des liberalen Bürgermeisters Geordin Hill-Lewis ist es, Kapstadt zur wirtschaftsfreundlichsten Stadt Afrikas zu machen.
Erster Schritt in den Markt
Auch das deutsche Softwareunternehmen Accso hat sich im Jahr 2022 für eine Niederlassung in Kapstadt entschieden. Es ist eine strategische Entscheidung, meint Geschäftsführer Adam Wayland: „In Kapstadt gibt es mehr als 450 Techunternehmen – ein perfektes Umfeld, um sich zu vernetzen und gute Fachkräfte zu gewinnen.“ Während Accso von Südafrika aus zunächst nur deutsche Kunden betreute, wird heute die gesamte internationale Expansion außerhalb der deutschsprachigen Region vom Kap aus gesteuert. Und obwohl die Kundenakquise in Südafrika laut Adam Wayland ein hartes Geschäft ist, gewinnt auch der lokale Markt an Bedeutung.
Mit dem Markteintritt von Amazon 2024 hat sich ein weiterer Techgigant angesiedelt. Doch das dynamische Umfeld hat seinen Preis: „Die Gehälter für Softwareingenieure mit mehrjähriger Berufserfahrung sind zuletzt stark gestiegen“, sagt Wayland. Mittlerweile seien sie oft höher als in Osteuropa. Das könnte mittelfristig zu einem Problem für Südafrika werden. Günstiger sei es daher, mehr Personal im mittleren Qualifikations- und Gehaltsbereich einzustellen, etwa für den IT-Support oder in der Produktentwicklung.
3x Service vom Kap
Ob IT-Support, Softwareentwicklung oder Kundenanfragen: Immer mehr internationale Unternehmen verlagern IT-Dienstleistungen und Geschäftsprozesse nach Südafrika.
Accso – Accelerated Solutions GmbH
Die deutsche Digitalfirma Accso unterstützt Kunden mit IT-Lösungen wie Cloud-Services, künstliche Intelligenz, Software-Architektur und Prozessautomatisierung. Neben vier Standorten in Deutschland betreibt Accso seit 2022 auch eine Niederlassung in Südafrika.
Geschäftsführer Adam Wayland, selbst gebürtiger Südafrikaner, der schon in Deutschland, England und zuletzt Indien gearbeitet hat, wollte eigentlich nicht zurück in seine Heimat. Dann kam er für einen Besuch nach Kapstadt – und blieb. Wayland schätzt die Arbeitsethik der Südafrikaner, die kulturelle Vielfalt und die gute Stimmung in seinem Team, was sich auch im positiven Kundenfeedback widerspiegelt. Mit der Gründung von Accso Innovation Labs ist Wayland mittlerweile auch im Bereich Produktentwicklung in Kapstadts dynamischer Start-up-Szene aktiv.
Lufthansa Intouch
Lufthansa Intouch ist der führende Kundendienstanbieter für die Deutsche Lufthansa und bietet 24/7-Support in mehreren Märkten und Sprachen. In der Niederlassung in Kapstadt sind Mitarbeitende aus mehr als zehn verschiedenen Nationen tätig, die Kunden auf Englisch, Deutsch, Französisch, Niederländisch und Hebräisch bei ihren Anliegen unterstützen. Das Dienstleistungsportfolio reicht von Reservierungen, Gepäckermittlung und Web-Support über das Bonusprogramm Miles & More bis zu Social Media und Kundenfeedback-Management.
Ventrica Ltd.
Der britische Kundendienstanbieter Ventrica betreibt seit 2022 eine Niederlassung in Johannesburg und eine in Kapstadt. Die Mitarbeiter kümmern sich von dort aus um Kundenbetreung, technischen Verkaufssupport und um das Inkasso. Alles in drei Sprachen: Englisch, Niederländisch und Deutsch.
Auf seiner Website bewirbt Ventrica Südafrika als einen Offshoring-Standort ohne Kompromisse, der für britische Unternehmen zunehmend an Beliebtheit gewinnt. Die Gründe: Der neutrale englische Akzent der Südafrikaner, die starken kulturellen Verbindungen zum Vereinigten Königreich, der große Pool hochqualifizierter Arbeitskräfte, eine erstklassige IT- und Kommunikationsinfrastruktur sowie die Unterstützung der Branche durch die südafrikanische Regierung.