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Fahrradbranche setzt auf Elektrifizierung

Taiwan ist einer der größten Fahrradexporteure weltweit und will vom weltweiten Boom profitieren. Deutschland als großer Abnehmer von Teilen und E-Bikes aus Taiwan wird das spüren.

Von Jürgen Maurer | Bonn

Taiwan ist zwar weltweit gesehen nicht das größte Erzeugerland für Fahrräder, gehört aber als Produzent und Exporteur zu den wichtigsten Akteuren im globalen Zweiradmarkt. Die Bedeutung als eine Drehscheibe der internationalen Fahrradbranche dürfte weiter wachsen, auch wenn sich 2024 noch keine hohe Wachstumsdynamik entwickeln wird.

Lieferengpässe und eine allgemeine Konsumzurückhaltung in wichtigen europäischen Absatzmärkten könnten den Aufschwung 2024 erneut bremsen. So fällt die wichtigste Transportroute zwischen Asien und Europa über den Suez-Kanal in den ersten Monaten 2024 konfliktbedingt aus. Das hat Auswirkungen auf die Lieferketten. Nach dem Rekordjahr 2022 war bereits 2023 für die Fahrradindustrie weltweit ein deutlich schwierigeres Jahr mit hohen Lagerbeständen, Lieferkettenproblemen und steigenden Teile- und Produktionskosten.

Taiwan kann Fahrrad

Allen konjunkturellen Schwankungen der vergangenen Jahre zum Trotz sieht sich die Branche in Taiwan gut aufgestellt. Auf der Insel ist die komplette Wertschöpfungskette vorhanden, um alle möglichen Arten von Fahrrädern und Fahrradteilen zu fertigen, wie die beiden Branchenverbände Taiwan Bicycle Association und Taiwan Smart Electric Bicycle Association betonen: Nicht zuletzt auch, weil die Firmen auf der Insel in Forschung und Entwicklung investieren. Mehr als 800 Unternehmen produzieren in Taiwan Ketten, Sattel, Leuchten und andere Teile bis hin zu Kompletträdern. 

Darunter befinden sich auch deutsche Firmen. So hat etwa Magura, der Hersteller von Federgabeln und Bremsen, bereits 2002 eine Niederlassung und Produktion in Taiwan aufgebaut. Pinion, ein deutscher Spezialist für Schaltungen, produziert Teile in Taiwan, und Bosch eBike Systems hat seine Asien-Pazifik-Zentrale für Antriebslösungen in Taichung, dem Fahrradcluster der Insel, eingerichtet. 

Auch der US-amerikanische Fahrradteileanbieter SRAM nutzt Taichung seit drei Jahrzehnten als Produktionsstandort in Asien. Um seine bislang vier verstreuten Betriebsstätten zu konzentrieren und modernisieren, hat SRAM im Jahr 2023 umgerechnet rund 320 Millionen US-Dollar (US$) in ein neues Werk investiert. Es soll im Jahr 2024 in der Nähe von Taichung in Betrieb gehen. 

E-Bikes auf der Überholspur 

Die Fahrradindustrie in Taiwan baut vor allem den Sektor E-Bikes aus. Sie liefert komplette Elektrofahrräder hauptsächlich nach Europa und in die USA. In Europa waren 2023 die Niederlande (408 Millionen US$), Deutschland (85 Millionen US$) und Großbritannien (68 Millionen US$) die größten Abnehmer von E-Bikes aus Taiwan. Bei Fahrradteilen stellte Deutschland mit rund 378 Millionen US$ den weltweit größten Abnehmer Taiwans dar. Laut UN-Comtrade importiert Deutschland Räder und Teile in erster Linie aus Taiwan, gefolgt von China. Bei Rahmen und Gabeln führt China als Lieferant, gefolgt wiederum von Taiwan.

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Das E-Bike-Segment, noch vor zehn Jahren ein Nischenbereich, soll in den kommenden Jahren zulegen. Laut dem indischen Marktforschungsinstitut MarketsandMarkets wird der globale E-Bike-Markt von rund 49 Milliarden US$ im Jahr 2023 auf 62,3 Milliarden US$ in Jahr 2028 zulegen. Das entspricht einem durchschnittlichen jährlichen Wachstum von 4,9 Prozent. Die Prognose des kanadisch-indischen Marktforschungsunternehmens Precedence Research prognostiziert, dass der mengenmäßige Absatz von 40 Millionen E-Bikes im Jahr 2023 auf 130 Millionen im Jahr 2030 zunimmt.

Hieran wollen Taiwans Branchenhersteller Teil haben. Bereits im Jahr 2022 ist die Anzahl der von der Insel exportierten elektrischen Fahrräder auf über 1 Million Einheiten gestiegen und wuchs damit mehr als die Ausfuhr von mit reiner Muskelkraft betriebenen Zweirädern. Laut Branchenverband stieg der durchschnittliche Exportwert pro Fahrrad aus Taiwan im Jahr 2023 gegenüber 2022 um 26 Prozent auf 1.045 US$. Bei elektrischen Fahrrädern legte der durchschnittliche Wert pro Einheit um knapp 18 Prozent auf 1.767 US$ zu. Dabei lag der Durchschnittswert für E-Bikes mit Zielland Deutschland im Jahr 2023 bei 1.185 US$.

Als Absatzmarkt für Fahrräder spielt Taiwan nur eine geringe Bedeutung. Der Einfuhrwert belief sich in den drei Jahren 2021 bis 2023 grob auf jeweils 30 Millionen US$. Taiwans Import von Fahrrädern aus Deutschland blieb mit 0,6 Millionen US$ im Jahr 2023 klein. Auch die Einfuhren von Fahrradteilen aus Deutschland waren im Jahr 2023 mit rund 6 Millionen US$ im Vergleich zu den Gesamtimporten von 824 Millionen US$ nicht sehr umfangreich.

Produktion rüstet auf 

Der Fokus auf die Herstellung höherwertiger Kompletträder und Rahmen auf Basis von Kohlenstofffasern und Alulegierungen geht weiter. Das dürfte dazu beigetragen haben, dass die Branche auch im schwierigen Jahr 2023 beim Produktionswert von Fahrrädern unter dem Strich auf Landeswährung eine positive Entwicklung verzeichnete. Das Fahrradteilesegment kam nicht so gut weg.

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Die Unternehmen Giant Manufacturing und Merida Industry, beide mittlerweile mehr als 50 Jahre aktiv, sind die größten Hersteller in Taiwan. Dabei ist Giant mit einer Erzeugungskapazität von über 6 Millionen Rädern das bekanntere Unternehmen und gilt als der größte Fahrradhersteller weltweit. Allein Giant stellt mehr Fahrräder her als die gesamte deutsche Branche, die laut Zweirad-Industrie-Verband (ZIV) mit ihren in- und ausländischen Produktionsstätten im Jahr 2022 auf knapp 3,4 Millionen Einheiten kam.

Giant produziert rund 0,9 Millionen Fahrräder in seiner Fabrik in der Nähe von Taichung. Wie sich anhand von Presseberichten errechnen lässt, fertigt Giant zudem mindestens 3,5 Millionen Einheiten in vier Fabriken in China. Hinzu kommen 1 Million Zweiräder in Vietnam und weitere in Ungarn.

Merida, mit Sitz in der Nähe von Changhua, verfügt laut Geschäftsbericht über eine Kapazität von 1,9 Millionen Einheiten. Davon ist etwa die Hälfte in Taiwan angesiedelt. Den Rest fertigt Merida in China. Rund 50 Prozent der Produktion verkauft das Unternehmen nach Europa und 30 Prozent in die USA.

Die Importe von Fahrrädern und Fahrradteilen aus China unterliegen seit Jahren EU Anti-Dumping-Zöllen. Diese gelten auch für Länder wie Indonesien, Malaysia, Sri Lanka, Tunesien, Kambodscha, Pakistan und die Philippinen. Insofern kein Verfahren zur Überprüfung eingeleitet wird, wird die EU-Kommission diese Lieferländer Ende August 2024 jedoch von der Liste streichen.

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