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Fahrradindustrie hofft auf mehr Bestellungen aus der EU
Taiwan ist ein wichtiger Beschaffungsmarkt für die weltweite Fahrradindustrie, Deutschland ein wichtiger Abnehmer. Doch die taiwanischen Exporte gehen zurück.
25.04.2025
Von Jürgen Maurer | Taipei
Auch 2025 dürfte ein schwieriges Jahr für Taiwans Fahrradindustrie werden. Zwar hat die Branche zur asiatischen Leitmesse Taiwan Cycle Ende März 2025 noch eine Erholung von der Nach-Covid-Verkaufsflaute erwartet. Jedoch machen die von der US-Regierung angedrohten Zölle dem einen Strich durch die Rechnung. Zudem entwickelt sich auch der Absatz in der EU schwach.
Taiwan bleibt wichtiger Beschaffungsmarkt für Fahrräder
Deutschland steht an erster Stelle der größten Abnehmer von Fahrradteilen aus Taiwan. Für elektrisch angetriebene Fahrräder (E-Bikes) ist die EU der größte Absatzmarkt, für nicht-motorisierte Fahrräder sind es die USA, jeweils auf Basis der Exportwerte in US-Dollar (US$). Branchenhersteller wie Giant und Merida haben als Original Equipment Manufacturer (OEM) und als Eigenmarkenanbieter über viele Jahre die international herausgehobene Position Taiwans als Beschaffungsmarkt etabliert.
Zwei wichtige Branchenmessen finden jährlich in Taiwan statt
Taipei International Cycle Show (Taipei Cycle) – alles rund um die Fahrradindustrie; weltweit zweitgrößte Fachmesse nach der Eurobike in Frankfurt/M.; nächste Veranstaltung: März 2026
Taichung Bike Week – interessant insbesondere für OEM und Aftermarket; nächste Veranstaltung: 16. bis 19. September 2025
Knapp 1.000 Unternehmen mit insgesamt rund 40.000 Beschäftigten produzieren in Taiwan Ketten, Sattel, Leuchten und andere Teile bis hin zu Kompletträdern. Darunter befinden sich auch deutsche Firmen. So hat etwa Magura, der Hersteller von Federgabeln und Bremsen, bereits 2002 eine Niederlassung und Produktion in Taiwan aufgebaut. Pinion, ein deutscher Spezialist für Schaltungen, produziert Teile in Taiwan. Bosch eBike Systems hat seine Asien-Pazifik-Zentrale für Antriebslösungen in Taichung, dem Fahrradcluster der Insel, eingerichtet. Die Lieferketten der Fahrradindustrie sind sehr exportabhängig. Das macht sie verwundbar für geoökonomische Verwerfungen.
Damoklesschwert US-Zoll wiegt schwer
Neue US-Zölle – seien es die bereits eingeführte 10 Prozent Basiserhöhung oder höhere sogenannte reziproke Zölle – treffen Taiwans Fahrradindustrie direkt und indirekt. Die Branchenfirmen haben schon seit einigen Jahren Teile ihrer Produktion von Komplettfahrrädern und -teilen in andere Länder verlagert, insbesondere nach China, Vietnam und Kambodscha. Die meisten von diesen stehen auf der Watch-List der Trump-Administration für zum Teil deutlich höhere sogenannte reziproke Zölle.
Taiwan und diese drei Länder sind die größten Fahrradlieferanten der USA und der EU. Zwar betrifft das Zollthema Taiwan als Beschaffungsmarkt für europäische Fahrradanbieter nicht unmittelbar. Doch es hat Auswirkung auf die Gesamtentwicklung der taiwanischen Branche, deren Fahrraderzeugnisse nun in andere Absatzmärkte umgeleitet werden sollen wie in die EU und nach China.
EU-Zölle
Die EU hat ihre Anti-Dumping- und Ausgleichszölle auf E-Bikes "made in China" für weitere fünf Jahre bis 2029 verlängert. Sie sind je nach Hersteller unterschiedlich und liegen zwischen 9,9 Prozent und 70,1 Prozent. Das betrifft auch die Produktion des taiwanischen Fahrradunternehmens Giant in Kunshan in der Nähe von Shanghai, die mit einem Anti-Dumping-Zollsatz von 9,9 Prozent und einem Ausgleichszoll von 3,9 Prozent belegt ist.
Dabei haben Taiwans Fahrradhersteller wegen Lagerbeständen bei den Händlern und allgemeiner Bestellzurückhaltung immer noch zu kämpfen. Auch der größte Branchenproduzent Giant leidet: Laut Geschäftsbericht sanken die Verkaufszahlen von 4,9 Millionen Kompletträdern im Jahr 2022 auf knapp 4 Millionen im Jahr 2024. Darunter sanken die Verkäufe von E-Bikes in dem Zeitraum von rund 800.000 auf rund 480.000 Einheiten.
Schrumpfender Export bereitet Taiwan Sorge
Die Außenhandelszahlen der gesamten Fahrradindustrie Taiwans zeigten ein ähnliches Bild. In die EU gingen die Lieferungen beispielsweise für E-Bikes 2024 um 53 Prozent gegenüber 2023 auf 190.000 Einheiten zurück. In die USA exportierte Taiwan 2024 nur noch 98.000 E-Bikes, knapp ein Drittel weniger als 2023. Hingegen hat China als Abnehmer von in Taiwan produzierten Fahrrädern an Bedeutung zugenommen.
Taiwan fokussierte in den letzten Jahren stärker auf die Herstellung und die Ausfuhr von E-Bikes. Deren Exportwert hat sich jedoch 2024 gegenüber 2022 halbiert. Alle Ausfuhrwerte der Branche im Jahr 2024 lagen gegenüber 2023 deutlich zweistellig im negativen Bereich, außer nach China, so die Zollstatistik des Ministry of Finance.
Positiv hat sich aus Sicht der taiwanischen Hersteller insgesamt der Preis pro Fahrrad entwickelt. Für rein muskelbetriebene Zweiräder stieg der durchschnittliche Ausfuhrpreis 2024 gegenüber 2023 um 8,2 Prozent auf 1.131 US$. Der durchschnittliche Ausfuhrpreis für E-Bikes lag 2024 bei 1.848 US$, damit 4,5 Prozent höher als 2023, so Angaben der Taiwan Bicycle Association.
Nennenswerte Einfuhren nur bei Fahrradteilen
Auf der Importseite verzeichnete Taiwan 2024 zwar ein Pluszeichen bei Komplettfahrrädern. Jedoch ist die Insel selbst kein wichtiger Absatzmarkt für ausländische Fahrradmarken. Der Einfuhrwert von Fahrrädern lag 2024 bei nur 32 Millionen US$. Taiwan erzielte mit Komplettfahrrädern einen Handelsüberschuss von rund 1,7 Milliarden US$ im Jahr 2024. Gegenüber den Vorjahren ist er jedoch deutlich gesunken: Mit 3,2 Milliarden US$ war der Überschuss im Jahr 2022 fast doppelt so groß.
Taiwans Einfuhr von Fahrradteilen ging weiter 2024 zurück. Deren Import erfolgt überwiegend aus China, wobei es sich vielfach um taiwanische Produktion dort handeln dürfte. Als zweitgrößter Teilelieferant ist Japan zu nennen, was hauptsächlich auf die Marke Shimano zurückgeht. Aus Deutschland stammen meist Fahrradreifen. Jedoch taucht Deutschland nicht unter den zehn größten Lieferanten Taiwans auf.
Produktionswert stark gesunken
Die Produktion der Fahrradbranche in Taiwan hat in den letzten Jahren Federn gelassen. Laut Ministry of Economic Affairs ist der Erzeugungswert von Fahrradteilen 2024 gegenüber 2022 um mehr als die Hälfte gesunken und lag bei umgerechnet unter 3,2 Milliarden US$. Bei Komplettfahrrädern war der Rückgang nicht ganz so ausgeprägt, ging jedoch von mehr als 1,5 Milliarden US$ auf 980 Millionen US$ zurück.
Die Fortbewegung mit Fahrrädern ist emissionsfrei. Das gilt jedoch nicht unbedingt für die Erzeugung von Teilen und Komplettfahrrädern in Taiwan. Daher will die Branche das umweltfreundliche Image weiter vorantreiben. Unternehmen haben sich zu einer "Green Forward Initiative" zusammengefunden, um nachhaltige Beschaffungsketten auszubauen. Sie wollen an klimaschützenden Aktivitäten und Net-Zero-Zielen festhalten, auch wenn diese in der Priorität einiger Industrien nach hinten gerutscht sind.