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Fachkräfte
Der Bedarf an Fachkräften steigt. Die Ausbildung hinkt der Nachfrage hinterher. Für gute Fachleute müssen die Betriebe daher immer tiefer in die Tasche greifen.
16.09.2024
Von Thomas Hundt | Bangkok
Arbeitgeber in Thailand machen sich Sorgen, denn viele ihrer Arbeitskräfte gehen demnächst in Rente. Es werden auch künftig weniger junge Kräfte in den Arbeitsmarkt eintreten und für die Pensionäre nachrücken, denn die Fertilitätsrate fällt mit durchschnittlich 1,5 Geburten pro Frau seit Jahren niedrig aus.
Ausländische Fachkräfte werden eingesetzt
Die Zahl der Erwerbspersonen (Erwerbstätige einschließlich Arbeitsuchender über 15 Jahre) dürfte nach aktuellen Prognosen von derzeit 40 Millionen bis 2040 auf circa 35 Millionen schrumpfen. Die Betriebe benötigen besser ausgebildetes und produktiveres Personal, damit sie mit einer kleineren Belegschaft ihre Produktionen und Dienstleistungen aufrechterhalten können.
Thailand im weltweiten VergleichFolgende Karte ermöglicht den Vergleich zwischen zahlreichen Ländern weltweit. Bitte beachten Sie, dass die Werte in der Karte aus international standardisierten Quellen stammen und somit ggf. von Angaben aus nationalen Quellen im Text abweichen können. |
Die Lücke von 5 Millionen fehlenden Arbeitskräften lässt sich bis 2040 nur teilweise schließen. Im Niedriglohnsektor könnten noch mehr Gastarbeitende angeworben werden. Im März 2024 waren offiziell 3 Millionen ausländische Vertragsarbeitende registriert. Dies waren 0,6 Millionen mehr als im Monat des Vorjahres. Die meisten Gastarbeitenden (2,3 Millionen) stammten im Frühjahr 2024 aus Myanmar. Dort treiben innere Konflikte immer mehr Menschen über die Grenze nach Thailand.
Die Regierung hat erkannt, dass ausländisches Personal auch das Fachkräfteproblem abmildern kann. Beim Arbeitsministerium waren im März 2024 rund 180.000 Fachkräfte aus dem Ausland registriert.
Fachkräfteproblem beginnt an den Schulen
In der Fachkräfteeinordnung "Global Talent Competitiveness Ranking" der Wirtschaftshochschule INSEAD rangierte Thailand 2023 nur auf Rang 79 unter 134 Staaten. Das Land lag bei den Fähigkeiten seiner Arbeitskräfte hinter Wettbewerbern wie Malaysia und Vietnam.
Trotz allgemeiner Schulpflicht sind viele thailändische Bürger ohne schulische Bildung: Im März 2024 hatten rund 6,5 Millionen der Erwerbspersonen keine Grundschulbildung und 9,6 Millionen der Beschäftigten wiesen lediglich einen Grundschulabschluss auf. Obwohl das staatliche Budget für Bildung üppig ausgestattet ist, sind die Leistungen der Schüler von Grund-, Berufs- und Hochschulen nur mittelmäßig. Die Lehrpläne sind oft veraltet und die Ansprüche der Schulen an die unterbezahlten Lehrkräfte sind gering. Thailand rangierte 2022 bei PISA (Programme for International Student Assessment) nur auf Rang 63 unter den 81 getesteten Staaten. Der Test misst alltags- und berufsrelevante Kenntnisse und Fähigkeiten fünfzehnjähriger Schüler.
Die Geringqualifizierten arbeiten oft in prekären Jobs ohne staatliche Kontrolle, ohne Arbeitsverträge und ohne berufliche Sozialversicherung. Jede zweite Arbeitskraft ist in diesem informellen, kaum regulierten Bereich tätig. Daher ist auch die offizielle Arbeitslosenquote von 1,2 Prozent im Mai 2024 nicht aussagekräftig.
Englischkenntnisse sind oft nicht hinreichend
Die Schulen vermitteln zu wenig Fremdsprachenkenntnisse. Gemäß einer Studie der Stiftung Education First lag die Kompetenz der Bevölkerung des Königreiches bei der englischen Sprache im Jahr 2023 nur auf Rang 101 von 113 untersuchten Staaten. Innerhalb Südostasiens stand Thailand auf dem letzten Platz. Die Englischkenntnisse der befragten Personen in der Metropole Bangkok schnitten etwas besser ab als im Rest des Landes. Allerdings verfügt ein größerer Teil der jungen Menschen auch dort nicht über hinreichende Englischkenntnisse, um in internationalen Firmen arbeiten zu können.
Das Problem ist erkannt
Besonders knapp sind Fachkräfte in technischen Berufen. Zwar bilden 433 staatliche und 444 private Fachschulen Schüler in technischen Berufen aus und die verschiedenen Berufsschulen bieten auch Fortbildungen an. Aber ihre Lerninhalte gelten als veraltet oder praxisfern. Arbeitgeber müssen ihre Beschäftigten daher im Betrieb mit eigenen Mitteln nachschulen.
Die 600 deutschen Unternehmen in Thailand sind insbesondere in verarbeitenden Industriezweigen tätig und benötigen Ingenieure und Techniker aus den Bereichen Maschinenbau, Mechatronik, Elektrotechnik oder Chemie. Sie digitalisieren zudem ihre Prozesse, daher sind Spezialisten für Datenverarbeitung und künstliche Intelligenz ebenfalls sehr gefragt.
Von den Mitgliedern der deutschen Auslandshandelskammer (AHK) Thailand bezeichneten im Frühjahr 2024 circa 46 Prozent den Fachkräftemangel als ein Geschäftsrisiko. Diese Quote entspricht ungefähr der in der Region Asien-Pazifik.
Duale Ausbildung in bestimmten Berufen möglich
Die AHK Thailand bietet Unternehmen das Programm German-Thai Dual Excellence Education (GTDEE) an. Dessen Schüler absolvieren eine duale Ausbildung nach deutschen Standards. Seit Beginn im Jahr 2013 haben über 1.000 Personen eine Berufsausbildung in den GTDEE-Fächern Mechatronik, Industriemechanik und Produktionstechnik abgeschlossen. Im Jahr 2024 schickten die Unternehmen BMW, Mercedes-Benz, Robert Bosch Automotive, der thailändische Braukonzern Boon Rawd Brewery, der Kabelhersteller Bangkokcable und der Konzern B.Grimm ihre Auszubildenden in das GTDEE-Programm.