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Branchen | Tschechische Republik | Bauwirtschaft

Markttrends

Tschechiens Bauwirtschaft steckt in der Krise. Niedrige Auftragseingänge und hohe Kosten trüben den Ausblick. Hoffnungen ruhen auf öffentlichen Großprojekten.

Von Gerit Schulze | Prag

Nach zwei Wachstumsjahren ist die tschechische Baubranche 2023 wieder in die Rezession gerutscht. Der Mix aus hohen Zinsen und steigenden Baukosten verleitet potenzielle Kunden zur Zurückhaltung bei neuen Aufträgen.

15 %

weniger Neubauvorhaben als im Vorjahr wurden von Januar bis August 2023 genehmigt.

Für den Zeitraum Januar bis August 2023 ermittelte das tschechische Statistikamt einen Rückgang der Bauleistungen um 2 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Während der Hochbau nur leicht um 0,6 Prozent schrumpfte, brach der Tiefbau um 5,4 Prozent ein. Die Zahl der Baugenehmigungen für Neubauvorhaben im Hoch- und Tiefbau lag um 15 Prozent unter dem Vorjahreswert. Bei Einfamilienhäusern wurden ein Drittel weniger Projekte gestartet. 

Zugleich befindet sich die Branche in einem Preiskampf. Bei öffentlichen Vergaben bewerben sich mehr Bauunternehmen auf weniger Aufträge. Das erklärte der Präsident des Verbandes der Bauunternehmer SPS, Jiří Nouza, Anfang Oktober 2023 in einem Fernsehinterview. Dadurch sinken die Vergabepreise und somit die Margen der Baufirmen. Bewerber reichen Angebote teilweise unter ihren Selbstkosten ein und greifen auf Reserven zurück. 

Marktvolumen der Bauwirtschaft in der Tschechischen Republik (in Milliarden Euro; Veränderung in Prozent)

Kennziffer

2021 1)

2022 2)

Veränderung 2022 / 2021 3)

Wert der Bauinvestitionen insgesamt, davon

22,6

27,8

17,5

  Wohnungsbau

3,9

5,1

23,4

  Nichtwohnungsbau

2,8

3,2

8,4

  Wirtschaftsbau

3,4

4,8

34,8

  Infrastrukturbau

6,6

8,1

17,0

Wert der erbrachten Ingenieur-, Architektur- und Consultingleistungen

6,4

k.A.

k.A.

1 Umgerechnet zum Wechselkurs der Tschechischen Nationalbank 2021: 1 Euro = 25,645 Tschechische Kronen; 2 2022: 1 Euro = 24,565 Tschechische Kronen; 3 Veränderung auf Basis der nicht aufgerundeten Werte in Tschechischen Kronen.Quelle: Tschechisches Statistikamt 2023

Trüber Ausblick für 2024

Laut der Quartalsbefragung der tschechischen Bauunternehmen durch CEEC Research erwarten die meisten Branchenvertreter eine negative Marktentwicklung. Für 2023 prognostizieren sie -1,5 Prozent, für 2024 dann -0,5 Prozent beim Wert der Bauleistungen (CEEC-Bericht für das 3. Quartal).

Trotz des negativen Ausblicks waren die Kapazitäten der Bauunternehmen im 3. Quartal 2023 zu 92 Prozent ausgelastet und damit ähnlich gut wie in den Vorjahren. Das liegt nach Einschätzung von Marktkennern vor allem am guten Auftragsbestand aus der Vergangenheit und an den fehlenden Fachkräften. Da am Arbeitsmarkt kaum geschulte Bauhandwerker verfügbar sind, können die Baufirmen keine neuen Kapazitäten schaffen. Besonders Klempner, Heizungsinstallateure oder Elektriker sind knapp, weil viele Hauseigentümer ihre Energie- und Sanitärsysteme erneuern. Das bietet Geschäftsmöglichkeiten für deutsche Handwerksbetriebe aus dem grenznahen Raum. Aufgrund des hohen Lohngefälles allerdings nur in Nischenbereichen mit hoher Spezialisierung.

Große Pläne beim Ausbau der Verkehrsinfrastruktur

Wie der Bauverband SPS mitteilt, sind vor allem private Investoren und Projektentwickler von der Unsicherheit am Markt abgeschreckt. Sie planen derzeit kaum neue Vorhaben. Zu wichtigen Schlüsselinvestitionen wie den Bau einer Chipfabrik oder einer Gigafactory zur Batterieproduktion kam von den potenziellen Investoren bislang keine Entscheidung für Tschechien.

Trotzdem gibt es Hoffnung. Denn der Wert der genehmigten Bauvorhaben stieg in den ersten acht Monaten 2023 um 10 Prozent gegenüber dem Vergleichszeitraum 2022. Das deutet darauf hin, dass mehr Großprojekte in Gang kommen. Dabei handelt es sich vor allem um öffentliche Aufträge.

Tatsächlich verfügt der Staatsfonds für Verkehrsinfrastruktur SFDI 2023 über ein Rekordbudget von 151 Milliarden Kronen (Kč, 6,1 Milliarden Euro, Wechselkurs der EZB am 16. Oktober 2023: 1 Euro = 24,66 Kč). Die Kapitalausgaben des Fonds fließen vor allem in den Ausbau des Straßen- und Schienennetzes. Ein kleinerer Teil auch in die Wasserstraßen. 

Nach Angaben des Verkehrsministeriums sind derzeit rund 900 Vorhaben zum Ausbau der Verkehrsinfrastruktur in Planung. Sie erfordern bis 2050 einen Finanzbedarf von umgerechnet fast 240 Milliarden Euro. 

Da diese Summe nicht allein durch Kreditaufnahme, Steuermittel und Fonds der Europäischen Union gedeckt werden kann, will Tschechien verstärkt auf öffentlich-private Partnerschaften (Public Private Partnerships, PPP) zurückgreifen.

Hohe Hypothekenzinsen bremsen Wohnungsbau aus

Im Wohnungsbau bleibt die Lage vorerst eingetrübt. Die Hypothekenzinsen verharrten im Herbst 2023 auf einem Niveau von über 6 Prozent. Da gleichzeitig die Baupreise enorm gestiegen sind und die Einkommen stagnieren, steckt der Wohnungsmarkt in der Krise. Von Januar bis August 2023 hat das Statistikamt den Baustart für 10.200 neue Eigenheime und 8.700 Mehrfamilienhäuser registriert. Im gleichen Vorjahreszeitraum waren es noch 14.600 Einfamilienhäuser und 10.200 Mehrfamilienhäuser.

Dieser Abwärtstrend dürfte noch eine Weile anhalten, denn die Baugenehmigungen für neue Wohngebäude gingen bis August 2023 um ein Drittel gegenüber dem Vorjahr zurück.

Steigendes Interesse an energetischer Sanierung

Fast stabil geblieben sind die Genehmigungen für Wohnungsumbauten und Renovierungen. Das hängt mit großzügigen Förderprogrammen zur energetischen Sanierung zusammen. Marktbeobachter registrieren dabei, dass viele Hausbesitzer die Umbauarbeiten selbst vornehmen und keine Baufirma einschalten. Damit wollen sie Kosten sparen und umgehen gleichzeitig die Engpässe bei Bauhandwerkern.

Anschub für den Wohnungsbau soll der Staatsfonds zur Unterstützung von Investitionen (SFPI) geben. Dort können Bauherren Förderanträge für Subventionen und Darlehen einreichen. Für 2023 haben sich 23 Gemeinden und neun weitere Rechtspersonen um 40 Millionen Euro für den Bau von Mietwohnungen beworben.

Fördermittel vergibt der SFPI außerdem für die Modernisierung von Plattenbauten im Rahmen des Programms Panel 2013+. Ein drittes Paket betrifft die Sanierung von Brachflächen (Brownfields) und den Abriss von Industriegebäuden. Dafür veröffentlicht der Fonds laufend neue Aufrufe zur Antragseinreichung.

Größere Vorhaben in Prag und Brno

Auch wenn die Lage in der Bauwirtschaft zurzeit durchwachsen ist, gibt es in Tschechien interessante Bauvorhaben. Größere Wohnungsbauprojekte planen Developer in Prag und Brno. Am Prager Flughafen soll eine Airport City mit Büros, Kongresszentrum und Hotels entstehen. Im Industriebau stehen Erweiterungen von Goodyear in Cheb, von Panasonic in Plzeň und von Remoska in Kopřivnice an.

Einer der größten Aufträge im Industriebau in den kommenden Jahrzehnten könnte der Ausbau des Kernkraftwerks Dukovany werden. Die Ausschreibung soll 2023 enden und der Meiler für rund 6 Milliarden Euro bis 2036 errichtet werden.

Ausgewählte Großprojekte der Bauwirtschaft in der Tschechischen Republik
Akteur / Projekt

Investitionssumme (in Mio. Euro) *)

ProjektstandAnmerkungen

Netzbetreiber ČEPS / Aufbau und Verstärkung der Stromübertragungsleitungen

591

Vorbereitungsphase; Leitung Hradec u Kadaně – Röhrsdorf in Deutschland (Fertigstellung 2029); Vítkov – Vernéřov (2024); Přeštice – Kočín – Mírovka (2028); Otrokovice - Ladce in der Slowakei (2035)

Investitionssumme insgesamt für alle 4 Projekte

Stadt Brno, ARENA BRNO, Brněnské komunikace und Teplárny Brno / Sport- und Kulturhalle Arena Brno 

220

Baubeginn September 2023

 

Auftrag hat Hochtief CZ gewonnen 

Správa železnic / Umbau, Modernisierung und Erweiterung des Bahnhofes Prag - Smíchov

213

Bau für 2024 bis 2027 geplant; Auftrag für Bau der zweiten Etappe ausgeschrieben

EU-Förderung im Rahmen von CEF (Connecting Europe Facility)

Tschechische Bahngesellschaft České dráhyModernisierung des Depots Prag-Michle

 

205

Erste Etappe 2023 begonnen; Investition über mehrere Jahre verteilt

Erneuerung von Bahnsteigen und Einfahrten, Strecke vom Depot zum Bahnhof Praha-Vršovice wird zweigleisig ausgebaut, Sicherungsanlagen und Halle für die Wartung

Trikaya / Wohnungsbauprojekt in Brno

164

Bau 2023 begonnen; erste Wohnungen fertig ab 2025; Fertigstellung 2029

Insgesamt 1.000 Wohnungen

Unternehmer Mike Volařík / Kurort, Hotel mit Medizinwellness und Familienhäuser für Personal in Mikulov

164

Grundstücke gekauft und Bauplan der Stadt entsprechend geändert; Suche nach Finanzierungsquellen; Fertigstellung nach 7 Jahren

Fonds zur Finanzierung errichtet

Cream Investment / Umbau des Industrieareals Baťovy závody in Zlín zum Einkaufszentrum, Sportanlagen, Kino, Kulturstätten

143

Baugenehmigung 2023 erhalten; Baubeginn Ende 2024; Eröffnung 2027

Denkmalsanierung von drei Gebäuden der ehemaligen Schuhproduktion Baťa

Accolade / neue Halle in Cheb

82

Bau läuft; Fertigstellung Anfang 2024

Halle für Logistikzentrum von Goodyear

Stadt Jihlava / Multifunktionshalle Horácká multifunkční aréna (HMA) in Jihlava

78

Bau hat 2023 begonnen; Fertigstellung für 2025 geplant

Auftrag hat GEMO gewonnen; Förderung durch den Bezirk Vysočina und die Nationale Sportagentur

* Umrechnung anhand des Wechselkurses 1 Euro = 24,42 Tschechische Kronen (Tschechische Nationalbank, 5.10.2023).Quelle: Recherchen von Germany Trade & Invest; Pressemeldungen 2023

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