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Branchen | Tschechische Republik | Halbleiterindustrie

Wichtiger Zulieferer für die Mikroelektronik

Tschechien kann auf eine lange Tradition der Halbleiterproduktion zurückblicken. Das hat viele internationale Investoren aus der Chipbranche angelockt. Weitere Projekte folgen.

Von Gerit Schulze | Prag

Wenn die internationale Raumstation LOP-G in ein paar Jahren um den Mond kreist, dann klappt das auch dank tschechischer Mikroelektronik. An Bord der Lunar Orbital Platform-Gateway werden halbleiterbasierte Bildsensoren des Prager Unternehmens Advacam sein. Die können Radioaktivität und kosmische Strahlung messen und sind für die Astronauten damit lebenswichtig.

Prag hat EU Chips Act aktiv unterstützt

Im Schatten der großen Mikrochip-Nationen hat sich Tschechien als interessanter Standort für die Erforschung und Produktion von Halbleitertechnik entwickelt. Während seiner EU-Ratspräsidentschaft im 2. Halbjahr 2022 war das Land ein aktiver Fürsprecher des europäischen Chip-Gesetzes ("EU Chips Act"). Dieses zielt darauf ab, die Versorgungsengpässe bei Halbleitern zu verringern und die Produktion in Europa hochzufahren. Die EU will bei dieser Schlüsseltechnologie wettbewerbsfähiger werden und ihren Weltmarktanteil von derzeit 10 auf 20 Prozent erhöhen. Tschechiens Regierung hofft, aus dem gewaltigen Chips-Act-Budget von rund 43 Milliarden Euro auch größere Summen nach Böhmen oder nach Mähren zu lenken.

Deutscher Maschinenbauer baut Reinraumtechnik in Böhmen

Tschechien hat einen großen Vorteil: Im Land gibt es bereits kleinere Chipfabriken, und auch wichtige Zulieferer für die Halbleiterindustrie produzieren hier. Dazu gehört der Stuttgarter Anlagenbauer Exyte, der zwei Fabriken bei Teplice betreibt und dort Produkte für Reinraumumgebungen herstellt. Aktuell errichten die Schwaben für 20 Millionen Euro einen dritten Fertigungsstandort im Industriegebiet Žatec. Mit den Produkten aus Tschechien sollen Schlüsselkunden aus der Halbleiterindustrie beliefert werden, sagt Exyte-Geschäftsführer Wolfgang Büchele.

Technische Hochschulen auf Mikroelektronik spezialisiert

Für steten Nachschub an gut ausgebildeten Fachkräften sorgen die beiden Technischen Hochschulen ČVUT in Prag und VUT in Brno. An der ČVUT wurde 2022 ein neues Testlabor für Mikrochips eröffnet. Außerdem werden am Forschungszentrum CEITEC in Brno Halbleitertechnologien entwickelt.

Keimzelle für Investitionen im Osttschechien

Eine Schwerpunktregion der Branche ist Rožnov pod Radhoštěm ganz im Osten des Landes. Dort hatte zu sozialistischen Zeiten das Elektronikkombinat Tesla seinen Sitz und produzierte bereits in den 1980er Jahren Mikroprozessoren.

Heute dominiert der US-Hersteller On Semiconductor (Onsemi) mit drei Werken das Geschehen im Ort. Der Konzern produziert in Mähren Siliziumkarbid-Halbleiterwafer und Mikrochips. Nun gibt es Pläne, zusätzlich zur aktuellen Fertigung eine komplette Chip-Produktion auf Basis von Siliziumkarbid aufzuziehen. Die Produkte kämen vor allem in Elektroautos zum Einsatz.

Für die Investition wären rund 2 Milliarden US-Dollar (US$) nötig. Allerdings konkurriert Tschechien bei der Investitionsentscheidung mit Produktionsstandorten in den USA und in Südkorea. Onsemi macht die Investition in Rožnov pod Radhoštěm davon abhängig, ob Prag einen Zuschuss von 20 Prozent zahlt.

Chipentwickler aus Brno bekommt EU-Förderung

Bei der Chipproduktion ist Tschechien nicht nur auf ausländisches Know-how angewiesen. Es gibt auch einheimische Entwickler von Halbleitertechnik. Dazu gehört Codasip aus Brno, das viele internationale Geldgeber hat und zuletzt einen ehemaligen Audi-Manager in den Vorstand holte. Das Unternehmen entwickelt eine neue Prozessorarchitektur und setzt dabei auf den frei zugänglichen Standard RISC-V. Zu den Kunden gehört unter anderem die Intel-Tochter Mobileye, die Fahrerassistenzsysteme entwickelt.

Codasips Prozessoren könnten bei künstlicher Intelligenz oder bei Cybersecurity zum Einsatz kommen. Das Unternehmen hofft auf großzügige Förderung aus dem EU-Programm für Projekte von europäischem Interesse. Diese IPCEI (Important Project of Common European Interest) genannten Vorhaben werden im Bereich Mikroelektronik in der aktuellen Runde mit 8,1 Milliarden Euro gefördert. Bei der im Juni 2023 bestätigten Projektauswahl wurden mit Codasip und Mycroft Mind (Brno, Datenanalysen) zwei tschechische Unternehmen berücksichtigt (von insgesamt 56). Außerdem bekamen die tschechische Niederlassung von NXP Semiconductors und UJP Praha den Status als assoziierte Teilnehmer des Programms.

Messtechnik aus Mähren weltweit gefragt 

Vom Boom der globalen Chipindustrie profitiert auch der Elektronikhersteller Meopta. Das Unternehmen aus Přerov im Osten des Landes entwickelt und produziert Baugruppen zur Inspektion von Halbleiterwafern. Die Umsätze sind im Krisenjahr 2022 um 37 Prozent auf über 5 Milliarden Kronen (rund 206 Millionen Euro) gestiegen, vor allem dank der Nachfrage von Mikrochipherstellern. Im Mai 2023 kündigte die US-Investmentgesellschaft Carlyle an, Meopta zu übernehmen und die internationale Expansion des Unternehmens voranzutreiben.

Asiatische Hersteller sichern sich Know-how

Auch chinesische Unternehmen sind auf Tschechiens Kompetenzen bei der Halbleiterentwicklung aufmerksam geworden. Die Shanghaier Espressif Systems baut in Brno ihr europäisches Forschungszentrum auf, in dem Chips und Mikrocontroller entwickelt werden sollen. Die Chinesen kooperieren dabei mit der IT-Fakultät der Technischen Universität Brno (VUT).

Ebenso sucht Taiwan mehr Kooperationsmöglichkeiten in Tschechien. Der Inselstaat will in Brno oder in Prag ein Entwicklungszentrum für Mikrochips finanzieren. Außerdem zahlt Taipeh tschechischen IT-Studierenden Stipendien für Studienaufenthalte in Asien.

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