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Wirtschaftsumfeld | Tschechische Republik | Arbeitsmarkt, Lohn- und Lohnnebenkosten

Arbeitsmarkt

Die Arbeitslosigkeit ist in Tschechien seit einigen Jahren die niedrigste in der EU. Wer Personal sucht, muss sich einiges einfallen lassen. Auch die Bildungspolitik ist gefordert.

Von Miriam Neubert | Prag

Trotz Pandemie und Energiekrise war Tschechiens Arbeitsmarkt auch 2022 ein Arbeitnehmermarkt. Die vom Statistikamt erhobene Arbeitslosenquote, die in den ersten beiden Coronajahren leicht angestiegen war, sank bis zum 3. Quartal auf 2,2 Prozent. Handel, Autowerkstätten, Gesundheitswesen, Transport und Logistik schufen neue Stellen. Dadurch stieg die Beschäftigungsquote unter den 15- bis 64-jährigen auf 76 Prozent. Personalmangel bestand in den meisten Branchen und Regionen. Er war die Hauptbremse im Baugewerbe, beeinträchtigte aber auch die Industrie.

Einstellungsbereitschaft in der Energiekrise  

Im 4. Quartal 2022 begann sich aber mit der Konjunktur auch der Einstellungsoptimismus der Unternehmen abzuschwächen. Zwar wollten noch 11 Prozent Firmen mehr Personal einstellen als entlassen, wie der Arbeitsmarktindex des Personaldienstleisters Manpower Group ergab. Zugleich wuchsen infolge der hohen Energiepreise die Schwierigkeiten gerade unter energieintensiven Betrieben. Entlassungsmeldungen kamen auch aus dem E-Commerce, dem Banken- oder Start-up-Sektor.

Die Regierung erwartet 2023 eine milde Rezession. Sie könnte die Lage auf dem Arbeitsmarkt etwas entspannen, da betroffene Unternehmen freie Stellen nicht besetzen oder Beschäftigung abbauen. Der Regierung zufolge könnte die in Umfragen erhobene Arbeitslosigkeit 2023 leicht zunehmen auf 3,1 Prozent, die von den Arbeitsämtern registrierte auf 3,9 Prozent.

Am höchsten ist die Arbeitslosigkeit in den Regionen Olomouc (3. Quartal 2022: 4,1 Prozent), Karlovy Vary (3,8 Prozent) und Mährisch-Schlesien (3,5 Prozent). Die geringsten Werte weisen Mittelböhmen (1,2 Prozent) und Prag (1,6 Prozent) auf.

Allgemeine Arbeitsmarktdaten

Bevölkerung (in Mio., zum 30.6.2022)

10,53

Erwerbspersonen (Bevölkerung älter als 15 Jahre, in Mio., 2. Quartal 2022)

5,29

Erwerbstätige (in Mio., 2. Quartal 2022)

5,16

Arbeitslosenquote, offizielle (in %, nach ILO-Definition, 2. Quartal 2022)

2,4

Analphabetenquote (in %, 2. Quartal 2022)

0,1

Universitätsabschluss (in %, 2. Quartal 2022)

20,6

Quelle: Tschechisches Statistikamt 2022

Zahl der Vakanzen sinkt

Erstmals seit 2018 waren bei den Arbeitsämtern im Oktober 2022 weniger als 300.000 offene Stellen angezeigt. Zugleich waren 256.000 Arbeitssuchende registriert. Das Bild stimmt aber nur bedingt, da manche Firmen aus verschiedenen Gründen Anzeigen stehen lassen.  

Das Tschechische Statistikamt hat daher 2022 eine noch experimentelle Erhebung zu freien Arbeitsplätzen vorgestellt. Diese ging im 2. Quartal von 93.000 freien Vollzeitstellen aus, die Unternehmen aktiv besetzen wollten. Fast ein Drittel entfiel auf die Industrie, gut ein Zehntel auf Handel und Kfz-Werkstätten, ein weiteres Zehntel auf den Transport- und Logistiksektor. 

Zahl der beschäftigten Ausländer steigt

Ohne ausländische Arbeitskräfte läuft in den meisten Branchen nichts. Rund 795.000 von ihnen waren im Herbst 2022 gemeldet, doppelt so viele wie 2016. Die meisten kommen traditionell aus der Slowakei und der Ukraine. Russlands Krieg hat den Zustrom von ukrainischen Männern auf den Arbeitsmarkt vorerst gestoppt, doch konnte sich ein Teil der geflüchteten Ukrainerinnen darin integrieren.

Die Verfügbarkeit von Arbeitskräften aus Nicht-EU-Staaten regelt das Programm des qualifizierten Beschäftigten. Dabei geht es um die ISCO-Klassifikationen 4 bis 8, also Bürofachkräfte, Dienstleistungsberufe, landwirtschaftliche Fachkräfte, Handwerks-, Fahr- und Montageberufe, Maschinenbedienung. Firmen können sich über die Wirtschaftskammer der Tschechischen Republik um Aufnahme in das Programm bewerben, womit Arbeitsvisa für Mitarbeitende aus 11 Ländern möglich werden. Zu diesen zählen die Mongolei, Philippinen, Serbien, Indien oder Kasachstan. Für jedes Land gelten Jahresquoten, die den Arbeitgebern aber nicht reichen.

Nicht begrenzt ist die Arbeitsmigration im Programm für hochqualifizierte Beschäftigte, die unter die ISCO-Klassifikation 1 bis 3 fallen. Anträge können beim Ministerium für Industrie und Handel gestellt werden.  

Anreiz für mehr Teilzeitbeschäftigung

Tschechien hat selbst noch personelle Reserven. So würden viele Mütter gerne in Teilzeit arbeiten. Dasselbe gilt für ältere Menschen. Noch sind Teilzeitmodelle rar und betreffen erst 5,6 Prozent der Beschäftigten (EU-Schnitt: 18 Prozent). Um die Firmen zu motivieren, sind ab Januar 2023 für Teilzeitbeschäftigte 5 Prozent weniger Sozialversicherungsbeiträge abzuführen.

Durch Erfahrungen mit Kurzarbeit und Homeoffice während der Pandemie ist für Berufstätige die Work-Life-Balance wichtiger geworden. Im Jahr 2021 arbeiteten 15 Prozent von Zuhause aus (EU: 23 Prozent). Es besteht noch Potenzial, wenn auch der hohe Industrialisierungsgrad Teilzeit und Homeoffice Grenzen setzt.

Digitale Kompetenzen gefragt

Auf die geringe Dynamik des Arbeitsmarkts reagieren Unternehmen, indem sie verstärkt digitalisieren und Prozesse automatisieren. Dennoch rechnen die meisten in Zukunft nicht mit weniger Mitarbeitenden, wie Umfragen zeigen. Vielmehr entstehen neue Positionen, steigt die Nachfrage nach digitalen Kompetenzen. Schon heute ist es schwer, den Bedarf an digital qualifizierten Arbeitskräften zu decken, von IT-Fachkräften ganz zu schweigen. Häufig stellen Firmen daher Personen ein, die sie selbst schulen.  

Die Pensionierung geburtenstarker Jahrgänge wird die Lage verschärfen. Tschechiens Industrieverband hält massive Umschulungen und die Ausrichtung des Bildungssystems auf die technologische und grüne Transformation für nötig.

Um bei Bildung, Umschulung und Weiterbildung besser auf den strukturellen Wandel der Arbeitswelt reagieren zu können, hat das Arbeitsministerium das Projekt KOMPAS vorgestellt. Es erlaubt Vorhersagen, welche Berufsprofile in welchen Regionen gefragt sein werden. Ende 2022 startet zudem ein umfassendes Projekt zur Erweiterung der IT-Kompetenzen von Erwerbstätigen, Studierenden und Absolventen. Finanziert wird es aus dem Nationalen Aufbauplan bis Ende 2025.

Hinweise zur Personalsuche

Personalvermittlungsagenturen, Headhunter und Jobplattformen haben Konjunktur (siehe Kontaktadressen). Unternehmen suchen auch selbst, belohnen erfolgreiche Tipps von Angestellten mit Prämien, positionieren sich in Universitäten und Berufsschulen, strecken über Social-Media-Kanäle die Fühler aus, bieten Praktika an. Eine Möglichkeit sich vorzustellen, bietet die Messe Profesia days, die vom Portal Profesia CZ organisiert wird.

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