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Marktentwicklungen und -trends
Der türkische Pharmamarkt hat mittel- und langfristig ein großes Wachstumspotenzial. Zuletzt ging jedoch der Inlandsabsatz in US-Dollar zurück und die Produktion stagnierte.
20.07.2023
Von Katrin Pasvantis | Istanbul
- Wachsender Pharmamarkt bietet Geschäftschancen
- Kostensteigerungen und Lieferkettenprobleme belasten die Pharmabranche
- Inlandsabsatz steigt nur auf Lira-Basis kräftig
- Türkische Hersteller setzten die meisten Arzneien ab
- Generika machen ein Drittel des Marktes aus
- Türkische Produzenten setzen auf Biosimilars
Wachsender Pharmamarkt bietet Geschäftschancen
Der pharmazeutische Markt in der Türkei wächst mittel- bis langfristig. Mit einer Bevölkerung von über 85 Millionen Menschen bieten sich pharmazeutischen Unternehmen in der Türkei Chancen. Die Mittelschicht wächst und das Gesundheitsbewusstsein nimmt zu. Diese Faktoren und die Verbreitung von Wohlstandskrankheiten erhöhen die Nachfrage nach fortschrittlichen und spezialisierten Behandlungen. In den vergangenen zwei Jahrzehnten hat sich die Türkei darauf konzentriert, ihre Gesundheitsinfrastruktur zu verbessern und den Zugang der Bevölkerung zu qualitativ hochwertigeren medizinischen Dienstleistungen auszuweiten. Dieses Engagement spiegelt sich im Wachstum des pharmazeutischen Marktes wider, der im Laufe der Jahre stetig expandierte.
Die Türkei profitiert von den Nearshoring-Bestrebungen der Unternehmen aufgrund der Coronapandemie. Einige multinationale Pharmaunternehmen haben bereits lokale Fertigungen etabliert oder planen dies. Es wird erwartet, dass auch die Herstellung von Tierarzneimitteln Wachstumspotenzial bietet. Laut Berichten investieren Unternehmen wie Boehringer Ingelheim und Hektas Ticaret in dieses Segment.
Die Produktion der türkischen Pharmaindustrie hat laut türkischem Verband der Pharmahersteller (IEIS) zu Beginn des Jahres 2023 infolge saisonaler Erkrankungen zugenommen. Die öffentlichen Ausgaben im Gesundheitswesen könnten aufgrund der verheerenden Erdbeben in der Türkei im Februar 2023 steigen. Neben den Kosten für die Notfallhilfe müssen einige Gesundheitseinrichtungen renoviert oder komplett erneuert werden.
Kostensteigerungen und Lieferkettenprobleme belasten die Pharmabranche
Das staatliche Preissystem stellt nach wie vor eine Hürde für die Verfügbarkeit von importierten Arzneimitteln dar. Infolge des starken Wechselkursverfall der Lira ist der türkische Markt für viele internationale Anbieter unrentabel geworden.
Die türkische Pharmaindustrie steht vor anhaltenden Herausforderungen. Steigende Kosten und Lieferkettenprobleme belasten den Sektor. Die Abhängigkeit von importierten Rohstoffen ist hoch. Der Kursverlust der türkischen Lira (TL) verschärft das Kostenproblem, da Vorprodukte, Rohstoffe, aber auch Dienstleistungen wie Transport und Logistik in der Regel in US-Dollar (US$) gehandelt werden.
Inlandsabsatz steigt nur auf Lira-Basis kräftig
Der türkische Pharmamarkt stieg im Jahr 2022 um fast 80 Prozent. Wichtig ist jedoch zu beachten, dass diese Daten durch den starken Wechselkursverfall der türkischen Lira verzerrt sind. Der Inlandsabsatz in US$ zeigt einen Rückgang um 4 Prozent auf 6,6 Milliarden US$. Mengenmäßig nahm der Inlandsabsatz leicht zu.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|---|
Inlandsabsatz | 2,4 | 2,2 | 2,4 | 2,6 |
Produktion | 2,1 | 1,9 | 2,1 | 2,3 |
Importe | 0,3 | 0,3 | 0,3 | 0,2 |
Türkische Hersteller setzten die meisten Arzneien ab
Die lokale Produktion deckt etwa 90 Prozent des mengenmäßigen Medikamentenbedarfs im Inland. Bei Betrachtung des Verkaufswertes zeigt sich jedoch eine deutlich andere Verteilung: Importe und lokal hergestellte Produkte machen etwa gleiche Anteile aus (45 Prozent und 55 Prozent). Dies liegt daran, dass vor allem höherpreisige Medikamente importiert werden, wie patentgeschützte Medikamente oder Hightech.
Der mit Abstand wertmäßig größte Umsatz wurde 2022 in der Türkei mit onkologischen Arzneimitteln erzielt (Anteil: 15 Prozent). Darauf folgten Antibiotika und Blutprodukte, die jeweils einen Anteil von rund 7 Prozent hatten. Hinsichtlich der Menge wurden vor allem Medikamente zur Behandlung von Rheuma (11 Prozent), Herzerkrankungen (10 Prozent) und Antibiotika (8 Prozent) verkauft.
Die Medikamentenpreise in der Türkei sind vergleichsweise niedrig und die Patienten kaufen preisbewusst. Minderwertige oder gefälschte Arzneimittel können ein Problem darstellen.
Arzneimittel können in der Türkei in der Regel rezeptfrei in Apotheken gekauft werden. Ausnahmen bestehen, wie beispielsweise Antibiotika oder Psychopharmaka. Die Türkische Agentur für Arzneimittel und Medizinprodukte (TITCK) veröffentlicht eine Liste der zusätzlich regulierten Medikamente. Wer die Kosten für Arzneimittel über die gesetzliche oder eine private Krankenversicherung abrechnen möchte, muss dennoch ein Rezept vorlegen.
Generika machen ein Drittel des Marktes aus
Generika machten im Jahr 2022 rund 35 Prozent (2015: 31 Prozent) des Gesamtwertes der in der Türkei verkauften Arzneimittel aus. Bezogen auf die Menge der verkauften Packungen betrug ihr Anteil 62 Prozent (2015: 56 Prozent). Trotz einer leichten Steigerung gegenüber 2015 ist ihr Anteil im Vergleich zum Gesamtmarkt relativ stabil geblieben. Allerdings ist der gesamte Markt in diesem Zeitraum stark gewachsen und der Umsatz mit Generika hat sich wertmäßig verdreifacht.
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|---|
Verpackungen (in Mrd. Stück) | 1,4 | 1,3 | 1,4 | 1,6 |
Wert (in Mrd. US$) | 2,4 | 2,2 | 2,2 | 2,3 |
Türkische Produzenten setzen auf Biosimilars
Die Produktion von Biopharmazeutika ging im Jahr 2022 gemessen an der Anzahl der Abpackungen zurück. Dennoch wird erwartet, dass der Wachstumstrend in den kommenden Jahren wiederaufgenommen wird. Denn türkische Unternehmen befinden sich derzeit in der klinischen Prüfung von Dutzenden neuer Biosimilars. Biosimilars sind Nachahmerprodukte von Biopharmazeutika, die nach dem Auslaufen des patentrechtlichen Schutzes der Originalpräparate hergestellt werden. Besonders gefragt waren 2021 biotechnologisch hergestellte Arzneien zur Behandlung von Diabetes (57 Prozent) und Thrombosen (36 Prozent).
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|---|
Inlandsabsatz | 1.246 | 1.261 | 1.297 | 1.212 |
Produktion | 73 | 91 | 119 | k.A. |
Importe | 1.172 | 1.171 | 1.177 | k.A. |
2019 | 2020 | 2021 | 2022 | |
---|---|---|---|---|
Inlandsabsatz | 29,3 | 34,0 | 38,2 | 33,3 |
Produktion | 8,6 | 10,0 | 12,7 | k.A. |
Importe | 20,7 | 24,0 | 25,6 | k.A. |
Stand: Juni 2023